Gebäude der Rabbinerschule Abraham Geiger Kolleg in Potsdam
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Abraham Geiger Kolleg
Ministerien fordern Neuanfang für Potsdamer Rabbinerschule

Seit Monaten prüfen verschiedene Instanzen Vorwürfe von Machtmissbrauch an der Rabbinerschule in Potsdam. Ist ein Neuanfang die Lösung?

07.12.2022

Angesichts von Vorwürfen gegen die Rabbinerschule Abraham Geiger Kolleg in Potsdam hat das Bundesinnenministerium einen umfassenden Neuanfang gefordert. In einer gemeinsamen Erklärung kritisierten das Bundesministerium, das Wissenschafts- und Kulturministerium in Brandenburg und der Zentralrat der Juden in Deutschland den bisherigen Plan zur Neuausrichtung.

In der Mitteilung der drei Geldgeber – Bundesinnenministerium, Landesministerium und Zentralrat – heißt es: "Vor dem Hintergrund der zutage getretenen Missstände muss es rasch einen klaren Schnitt zu der bisherigen Struktur und einen umfassenden Neuanfang geben. Die Vorschläge, die bislang am Abraham Geiger Kolleg erarbeitet wurden, entsprechen diesem Erfordernis nicht." Trotz der Vorwürfe wird die Finanzierung der liberalen Rabbinerschule laut Mitteilung fortgesetzt.

Die Interimsdirektorin des Kollegs, Gabriele Thöne, kündigte am Dienstag an, die Einrichtung solle neu strukturiert werden und in eine Ausbildungsstiftung übergehen. Dabei sollen es unter anderem Aufsichtsgremien und Regelungen für mehr Transparenz geben. Die Gespräche für eine Stiftung sind der Einrichtung zufolge noch nicht abgeschlossen.

Zentralrat der Juden sieht Vorwürfe gegen Homolka bestätigt

Der Zentralrat der Juden sieht schwere Vorwürfe gegen den Gründer der Rabbinerschule, Professor Walter Homolka, bestätigt und fordert seine Abberufung von bisherigen Ämtern. Der Zentralrat veröffentlichte am Mittwoch die Zusammenfassung einer Untersuchung der Anwaltskanzlei Gercke Wollschläger, die er selbst in Auftrag gegeben hatte.

Zentralratspräsident Josef Schuster sagte laut Mitteilung am Mittwoch: "Am Abraham Geiger Kolleg herrschte laut den Ergebnissen der Kanzlei eine in der Struktur angelegte 'Kultur der Angst'. Das in der Zusammenfassung dargestellte persönliche Fehlverhalten von Rabbiner Homolka, die von ihm angehäuften Ämter und die Schaffung von Abhängigkeiten haben im Zusammenspiel mit strukturellen Ursachen ein Umfeld geschaffen, das den hohen moralischen und ethischen Standards einer Rabbinerausbildung nicht gerecht wird."

Auch das Bundesinnenministerium und das Wissenschaftsministerium Brandenburg reagierten mit "großem Befremden" auf die Untersuchungsergebnisse. "Aus unserer Sicht gibt es keinen Anlass, die Sachverhaltsdarstellung in Zweifel zu ziehen", hieß es in der gemeinsamen Erklärung der beiden Häuser und des Zentralrats der Juden.

Homolkas Anwalt verurteilte die Untersuchungsergebnisse als Vorverurteilung. Die Berliner Kanzlei Behm Becker Geßner teilte in einer Mitteilung am späten Mittwochnachmittag mit, die Stellungnahme Homolkas für die Untersuchung sei nur kursorisch berücksichtigt worden. Das gesamte Vorgehen sei politisch motiviert. Die Aussage des Zentralratspräsidenten Schuster sei "verantwortungslos und vorverurteilend", kritisierte die Kanzlei. Die Anwälte Homolkas bemängelten, ohne einen abschließenden Untersuchungsbericht unter vollständiger Berücksichtigung der Stellungnahme Homolkas hätte eine solche Aussage niemals getroffen werden dürfen.

Homolka zieht sich aus Rabbinerschule zurück, bleibt aber Professor

Vorwürfe des Machtmissbrauchs und der sexualisierten Belästigung am Abraham Geiger Kolleg waren im Mai in einem Zeitungsbericht öffentlich geworden. Homolka weist die Anschuldigungen vehement zurück. Am Dienstag kündigte er allerdings an, sich aus der Rabbinerschule zurückzuziehen und den Weg frei zu machen für "eine Umgestaltung" der Rabbinerausbildung. Er war sowohl Gründer als auch Rektor des Rabbinerkollegs sowie Vizedirektor der School of Jewish Theology an der Universität Potsdam, die bei der Rabbinerausbildung mit dem Geiger Kolleg zusammenarbeitet. Die Uni kam in einer eigenen Überprüfung zu dem Schluss, dass sich der Vorwurf von Machtmissbrauch am Institut für Jüdische Theologie bestätigt habe – nicht aber der Vorwurf der Duldung sexualisierter Belästigung. Homolka ist wieder offiziell als Professor im Dienst der Universität.

aktualisiert am 08.12.2022 um 9.38 Uhr, zuerst veröffentlicht am 07.12.2022

dpa/ckr