Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht bei der Eröffnung des Historikertages 2023.
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Forschende sollen sich gegen "erfundene Vergangenheit" stellen

Steinmeier pocht auf einen faktenbasierten Umgang mit Geschichte. Deutsche Historikerinnen und Historiker hätten dabei eine besondere Verantwortung.

20.09.2023

Wissen über Geschichte ist nach Ansicht des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier in einer Demokratie unverzichtbar. "Nur mit dem Wissen um die Vergangenheit können wir die Ereignisse der Gegenwart einordnen, können wir uns eine Meinung bilden, können wir längere Linien, aber eben auch Brüche erkennen", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier während der Eröffnung des diesjährigen Deutschen Historikertages in Leipzig. Für Deutsche sei der Blick zurück sowie die Lehren aus der Vergangenheit "ein konstitutiver Teil unserer Identität".

In seiner Rede nannte Steinmeier die aktuelle Situation eine "geschichtsmächtige" Zeit und verwies auch auf die Lage in der Ukraine und Russland: "Wir sehen, wie Putin Geschichte umdeutet und schon jetzt die Geschichtsbücher umschreiben lässt. Wir sehen, wie Lüge als Wahrheit ausgegeben wird und natürlich in Russland nicht ausgesprochen werden darf, was ein Faktum ist: der Krieg gegen die Ukraine. Putin missbraucht Geschichte als Waffe." 

Historikerinnen und Historiker sind sich der Verantwortung bewusst

Deshalb appellierte er an die versammelten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: "Wenn Vergangenheiten erfunden werden, dann ist Ihre Aufgabe, dann ist die Arbeit von Historikerinnen und Historikern umso wichtiger", sagte der Bundespräsident in der Leipziger Nikolaikirche. Der Historikertag steht in diesem Jahr unter dem Motto "Fragile Fakten".

"Die Methodik der Geschichtswissenschaft bietet ein scharfes Schwert, um Mythen und Manipulationen zu entlarven", so Professor Dr. Lutz Raphael, Vorsitzender des Vereins deutscher Historikerinnen und Historiker, in einer Stellungnahme anlässlich des Historikertags. Gegenüber Forschung & Lehre führt er am Telefon aus, dass dies eine Aufgabe sei, der sich die Geschichtswissenschaften schon immer gestellt haben und weiterhin stellen werden.

"Wir erleben zurzeit den manipulativen Umgang mit der Vergangenheit, wenn sie genutzt wird, um damit Kriege oder andere politische Ziele in der Gegenwart zu rechtfertigen", so Raphael. "Diese historischen Behauptungen harren natürlich der Überprüfung durch die Geschichtswissenschaften. Diese Überprüfung sehen wir als unsere Verantwortung."

cle/dpa