Ein Schüler und eine Schülerin am Szent-Istvan-Gymnasium in Budapest schreiben ein Examen.
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Bildungsgerechtigkeit
Ungarischer Rechnungshof findet Unis "zu weiblich"

In Ungarn sorgt ein Bildungsbericht des Rechnungshofes für Kritik. Er warnt unter anderem vor sinkenden Geburtenraten unter Akademikerinnen.

29.08.2022

Ungarns Rechnungshof hält den hohen Studentinnenanteil an den Universitäten im Land für problematisch. Hochschulbildung erschwere es den Frauen, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Im Gegensatz zu studierten Männern seien sie bei der Partnerwahl wählerischer und suchten einen ähnlich gebildeten Partner. Dadurch sinke die Geburtenrate, was den Wohlstand der Nation gefährde. So steht es in einem Anfang Juli veröffentlichten Bildungsbericht der Behörde, wie mehrere Medien unter Berufung auf die ungarische Zeitung "Nepszava" meldeten. Der Bericht stieß demnach in Ungarn auf harsche Kritik, unter anderem in der Opposition, bei Menschenrechtlern und beim Demokratischen Lehrerverband.

Der Rechnungshof stützte sich auf eine Analyse, nach der Frauen an Schulen und Universitäten aufgrund stetiger Zuwächse in den vergangenen Jahren inzwischen überrepräsentiert seien. Nach Ansicht der für die Studie befragten Personen kämen dadurch "männliche Sichtweisen und Eigenschaften" zu kurz. Darunter versteht die Studie etwa "Kreativität, Innovationsfähigkeit und Unternehmergeist". "Weibliche Eigenschaften" wie zum Beispiel "emotionale und soziale Reife und Fleiß" würden in der "pink education" hingegen begünstigt.

Das Bildungssystem des Landes schwäche so die Geschlechtergleichheit. Jungen könnten wegen des übermäßig weiblichen Einflusses in der Schule "psychische Probleme" bekommen, warnt die Behörde. Es bestehe zudem die Gefahr, dass Jungen bei Abitur- und Hochschulabschlüssen benachteiligt würden, was einen wirtschaftlichen Schaden verursache.

Unter Gymnasiasten und Studierenden beträgt der Frauenanteil in Ungarn laut Bericht aktuell 55 Prozent, unter Promovierten rund 44 Prozent und unter Lehrkräften 82 Prozent. Für die Studie seien 700 Eltern und Lehrende befragt worden.

Das Kabinett von Ungarns rechtspopulistischem Ministerpräsidenten Viktor Orbán hat seit seinem Amtsantritt 2010 seinen Einfluss im Bildungsbereich stetig ausgeweitet. Immer wieder gibt es seither Kritik an Rückschritten in den Bereichen Wissenschaftsfreiheit und Genderfragen in Ungarn. 2019 bemängelte etwa der Menschenrechtskommissar des Europarats "Rückschritte bei den Frauenrechten und der Gleichstellung der Geschlechter in Ungarn". Der aktuelle Bericht reiht sich laut "Nepszava" in die Philosophie von Orbáns Regierung ein. Unterzeichnet hat den Bericht der Präsident des Rechnungshofes, László Domokos, der zuvor als Mitglied der Partei Fidesz im Parlament saß, der rechtkonservativen Partei von Orbán.

ckr