Kuppel des Bundestags, im Vordergrund eine rote Ampel
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Bundeshaushalt
Was die Haushaltskrise für die Wissenschaft bedeutet

Ein Urteil zum Nachtragsetat 2021 schürt Unsicherheit zu Finanzzusagen im Haushalt. Eine Einordnung möglicher Auswirkungen für die Wissenschaft.

27.11.2023

Noch immer sind die Eckdaten des Haushaltes für 2024 unklar. Eigentlich hätten vergangene Woche Abschlussberatungen dazu stattfinden sollen. Diese wurden allerdings abgesagt. Grund dafür: das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts – es hatte den Nachtragsetat 2021, der eine Verschiebung von pandemiebedingten Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds vorsah, für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Die Entscheidung hat wesentliche Konsequenzen für die Finanzplanung der Bundesregierung. Davon könnten bei bestimmten Förderprogrammen auch Hochschule und Forschung betroffen sein.

“Eine Einschätzung, wie sich die angekündigten Maßnahmen konkret auf den Etat des BMBF auswirken, ist zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht möglich“, sagte eine Sprecherin des BMBF auf Anfrage von "Forschung & Lehre". Die Auswirkungen des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) würden in der Bundesregierung sorgfältig geprüft. Sicher sei aber schon jetzt: "Die Bedienung bestehender Rechtsverpflichtungen bleibt von der Sperre unberührt." Der Zukunftsvertrag “Studium stärken Lehre stärken“ sowie der "Pakt für Forschung und Innovation" und das Professorinnenprogramm würden laut dem BMBF nicht von dem neuen Gerichtsurteil tangiert.

Diese Einschätzung teilt Bruno Hönel, der für die Grünen im Haushalts- und Finanzausschuss des Deutschen Bundestags sitzt: “Ich gehe davon aus, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Haushalt des Bildungs- und Forschungsministeriums nicht unmittelbar betrifft“, sagte er gegenüber „Forschung & Lehre“. Sein Büro weist allerdings auch daraufhin, dass die Verhandlungen noch andauerten, sodass noch nicht hundertprozentig klar sei, wie die Bedarfe zur Finanzierung der Transformation der deutschen Wirtschaft erbracht werden könnten. “Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass der Kernhaushalt von Einsparungen verschont bleibt“, sagte Hönel, “es ist aus unserer Sicht nicht angemessen, in den für unsere Zukunft so wichtigen Bereichen wie Bildung und Forschung zu kürzen.“

Haushalt: Kürzungen gefährden Neubewilligungen

Anders sehe es bei Neubewilligungen aus: "Neubewilligungen mehrjähriger Vorhaben sind aufgrund der Sperre nicht möglich", sagt die Sprecherin des BMBF gegenüber "Forschung & Lehre". Das betrifft auch das künftige EU-Forschungsbudget. Eigentlich hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, den nächsten EU-Haushalt um 100 Milliarden Euro aufzustocken. Ein Zehntel davon sollte in ein neues Technologie-Programm fließen. Die Chancen für diesen Zuschlag seien, so meldete "Science Business" vergangene Woche, aufgrund der deutschen Haushaltskrise stark gesunken und Einbußen im künftigen EU-Forschungsbudget wahrscheinlich. Ob dem am Ende so ist, bleibt weiterhin unklar, ebenso wie alle Folgen für die deutsche Wissenschaft.

Das dafür ausschlaggebende Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird von Rechtsexperten begrüßt. “Ich schätze es als sehr positiv und weiterführend ein, denn es macht der Politik klare Vorgaben, dies insbesondere in zeitlicher Hinsicht, lässt ihr aber zugleich die nötigen Spielräume, um Notsituationen entschlossen entgegenzutreten, sagte Professor Dr. Markus Heintzen, Fachbereich Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin auf Anfrage. Wichtige sind ihm dabei drei Aspekte: Zum einen, dass "Notsituation" ein juristischer Begriff ist und daher keine politische Ermessensfrage. Zweitens, dass es zeitliche Schranken gibt. "Es ist unzulässig, in einem Jahr, in dem eine Notsituation gegeben ist, Kredite für die Zeit danach aufzunehmen", erklärte Heintzen. Und letzter Punkt: All das gilt für "nichtrechtsfähige Sondervermögen, also Nebenhaushalte neben dem Haushalt."

Ähnlich argumentiert auch Professor Dr. Henning Tappe von der Universität Trier: "Das Bundesverfassungsgericht hat erstmals zur neuen Schuldenbremse und hier zur Ausnahme im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen entschieden", sagte er auf Anfrage. Dabei sei festgestellt worden, dass es nicht nur ein sachliche, sondern auch eine zeitliche Komponente geben müsse. Bedeutet: Der Beschluss über die Notlage sei jährlich fortzuschreiben. "Das war zwar nicht völlig überraschend, aber schon eine gewisse Neuerung", so der Professor für Öffentliches Recht, deutsches und internationales Finanz- und Steuerrecht. Tappe erklärte weiter, dass Sondervermögen überjährig Geld bereitstellten und so ein "Parken" von Krediten ermöglichten. Der Vorteil: die daraus gewonnen Planungssicherheit. Der Nachteil: der geschwächte Ausnahmecharakter der Notlage. "Dies hat das BVerfG zu Recht angemahnt. Speziell das Parken von 'Corona-Krediten' in 'Klima-Fonds' ist natürlich besonders erklärungsbedürftig", so Tappe gegenüber "Forschung & Lehre".

kfi