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Frauenförderung
Wie gut die Maßnahmen für Gleichstellung wirken

Die politischen Maßnahmen zur Gleichstellung von Wissenschaft­lerinnen sind vielfältig. Was lässt sich über ihre Wirksamkeit sagen?

Von Andrea Löther, Nina Steinwe, Anke Lipinsky, Hannah Meyer 15.03.2021

Die Autorinnen – Dr. Andrea Löther, Dr. Nina Steinweg,  Dr. Anke Lipinsky und Hannah Meyer – sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Team CEWS (Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung) bei GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften.


Die Wirksamkeit von gleichstellungspolitischen Maßnahmen ist zunehmend in den Fokus einer breiten Wissenschaftsöffentlichkeit gerückt. Dies liegt zum einen in einer zunehmenden Diversifizierung und Professionalisierung von Gleichstellungsakteurinnen und -akteuren sowie der Gleichstellungsarbeit begründet. Zum anderen hat die unternehmerisch orientierte Governance der Wissenschaft neue Anforderungen an die Gleichstellungspraxis zur Folge.

Die gleichstellungspolitischen Ziele und -Maßnahmen haben sich weiterentwickelt und ausdifferenziert. Während Maßnahmen zunächst auf die Unterstützung von Frauen fokussierten ("fixing the women"), sind die zentralen Ziele mittlerweile "fixing the organisation" und "fixing the knowl­edge", wie Londa Schiebinger formuliert. Eine nachhaltige Veränderung der Wissenschaftskultur erfordert einerseits einen strategischen Ansatz zur strukturellen Transformation von wissenschaftlichen Einrichtungen und zum anderen den Zuwachs neuer Wissensbestände und Kompetenzen bei ihren Mitgliedern, insbesondere auf Leitungsebene. Die (Weiter-)Entwicklung personeller und struktureller Maßnahmen soll den spezifischen Herausforderungen jeder einzelnen Institution Rechnung tragen. Der Fokus liegt hierbei zum Beispiel auf aktiver Rekrutierung, der Stärkung von Genderkompetenz oder der Entwicklung eines wissenschaftsadäquaten Gender Budgetings, das heißt einer geschlechtsspezifischen Haushaltsplanung (oder Finanzplanung).

Kennzeichen für Wirksamkeit

Als Kennzeichen für die Wirkung von gleichstellungspolitischen Maßnahmen wird häufig der Professorinnenanteil angesetzt. Eine angemessene Repräsentation von Wissenschaftlerinnen lässt jedoch nicht notwendigerweise Rückschlüsse auf die Veränderung der Organisationskultur zu. Darüber hinaus kann auch die reflektierte Entscheidung gegen eine wissenschaftliche Karriere eine positive Wirkung von gleichstellungspolitischen Maßnahmen sein. Dieses Beispiel verdeutlicht die Vielschichtigkeit von Wirkungen.

Von Wirkungen wird gesprochen, wenn eine Maßnahme zu Veränderungen bei der Zielgruppe, im unmittelbaren Lebensumfeld und/oder in der Gesellschaft führt. Es kann zwischen verschiedenen Wirkungsebenen unterschieden werden: Output sind die unmittelbaren Leistungen, beispielsweise die Teilnahmezahlen. Outcomes sind Veränderungen bei den Zielgruppen, zum Beispiel von Einstellungen. Der Impact schließlich bezieht sich auf das weitere Umfeld und längerfristige Wirkungen. Die Effekte können positiv und negativ, direkt und indirekt, intendiert und nicht intendiert sein.

Um von Wirkungen im engeren Sinne zu sprechen, müssen die beobachteten Veränderungen in Verbindung zu den Maßnahmen stehen. Gleichstellungspolitische Maßnahmen intervenieren gegen eine Vielzahl von Ursachen und Mechanismen, die zu Geschlechterungerechtigkeiten führen; sie entziehen sich einfachen kausalen Zuschreibungen. Die Wirkungen des Professorinnenprogramms lassen sich beispielsweise nicht von den (zeitgleich eingeführten) forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der DFG trennen. Daher wird stärker nach dem Beitrag (contribution) als nach der Zuschreibung (attribution) einer Maßnahme zu einer Veränderung gefragt. Um Wirkungen zu erfassen sind komplexe Analysen notwendig, die vor Beginn der Intervention mitgedacht werden müssen. Solche Analysen erfordern neben einer frühzeitigen Planung auch angemessene Ressourcen.

Die Chancen und Limitationen der Wirkungsmessung werden im Folgenden anhand von drei Beispielen illustriert.

Wirkung des Professorinnenprogramms

Das Professorinnenprogramm ist eines der zentralen bundesweiten Gleichstellungs-Programme für Hochschulen. Das Programm verknüpft strukturelle Maßnahmen – die Erstellung eines Gleichstellungskonzeptes – mit finanziellen Anreizen für die Besetzung einer Professur mit einer Wissenschaftlerin.

Die Evaluationen der ersten und der zweiten Programmphase zeigen eine systematische und konzeptionelle Weiterentwicklung der Gleichstellungspolitik und eine Verankerung von Gleichstellung als Leitungsaufgabe. Darüber hinaus konnte mit einem quasi-experimentellen Forschungsdesign eine kausale Wirkung des Professorinnenprogramms auf die Steigerung des Professorinnenanteils nachgewiesen werden. An teilnehmenden Hochschulen stieg der Professorinnenanteil um 1,8 Prozentpunkte mehr als an nicht-teilnehmenden Hochschulen. Der Einfluss von förderlichen Kontextfaktoren wie die forschungsorientierten Gleichstellungsstandards oder die genaue Wirkungsweise des Programms in den Hochschulen sind offene Forschungsfragen.

Evaluationen an einzelnen Wissenschafts­einrichtungen

Auf der Ebene einzelner Wissenschaftseinrichtungen können Evaluationen verschiedene Wirkungen, beispielsweise von Gleichstellungsplänen, aufzeigen, wobei diese Evaluationen grundsätzlich als Fallstudien und in Abhängigkeit der verwendeten Indikatoren zu betrachten sind. Feststellbar sind einerseits häufig Wirkungen auf die Organisation der Gleichstellungsarbeit, andererseits Veränderungen in der Wahrnehmung von Problemfeldern oder Unterschiede bei der Umsetzung auf Fakultätsebene.

Zu den intendierten Wirkungen zählt beispielsweise eine höhere Sensibilisierung für Verzerrungseffekte (zum Beispiel durch eine Überarbeitung von Rekrutierungsverfahren). Die Aufnahme von Geschlechterwissen in Lehrinhalte kann dazu führen, dass methodische Standards angepasst werden. Ungeachtet spezifischer Wirkungsnachweise von intendierten Gleichstellungseffekten verbessern Evaluationen und Monitoring die Steuerungsmöglichkeiten von Gleichstellungsplänen – auch durch den Nachweis nicht-intendierter oder ausbleibender Wirkungen.

Wirksamkeit von Mentoringprogrammen

Auch Mentoringprogramme stehen unter dem Druck, ihre Wirksamkeit nachzuweisen. Dabei kann ein Spannungsfeld zwischen den Erwartungen an die Effekte und der Realisierbarkeit von Wirkungsmessung entstehen. Welche Wirkungen gemessen werden können, hängt stark von den Zielen des Mentorings ab. Effekte auf die Erhöhung des Professorinnenanteils oder die Karriereentwicklung der Mentees, wie der Verbleib in der Wissenschaft, können nur schwer der Teilnahme am Mentoring kausal zugeschrieben werden. Realistischer sind Aussagen zu Wirkungen bei den Mentees selbst, etwa eine höhere Motivation oder ein Zuwachs an
(in-)formellem Wissen über die Anforderungen und Spielregeln des Wissenschaftssystems.

Die Frage "Was wirkt gut oder unzureichend?" ist nicht pauschal zu beantworten. Gleichstellungsmaßnahmen wirken in der Regel nicht monokausal auf Strukturen, Verhalten oder Einstellungen ein. Aufgrund ihrer häufig projektmäßigen Organisation sieht sich Gleichstellungspolitik jedoch mit dieser Erwartungshaltung konfrontiert. Die Frage nach der Wirkung von gleichstellungspolitischen Maßnahmen wird mit der Legitimation und Rechtfertigung gegenüber Mittelgebenden verbunden. Um gleichstellungspolitische Maßnahmen weiterzuentwickeln, sollte das Erkenntnisinteresse über die komplexen Wirkungsweisen von Interventionen im Vordergrund stehen. Dafür ist ein Dialog zwischen Hochschulsteuerung, Gleichstellungspraxis und Evaluationsforschung notwendig.