Sonnige Frontalansicht des Landtags Brandenburg im Stadtschloss Potsdam
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Hochschulgesetz
Bald mehr Schutz für Betroffene von Gewalt an Hochschulen in Brandenburg

Nach einer mutmaßlichen Vergewaltigung erfuhr die Uni Potsdam für ihre Passivität Kritik. Grund dafür sei die Rechtslage, die nun nachgebessert wird.

05.01.2024

Mehr Schutz für Betroffene von Gewalt an Hochschulen, das fordern nicht nur zahlreiche Mitglieder der Universität Potsdam, sondern auch mehrere Fraktionen im Brandenburger Landtag. Dafür müsste das brandenburgische Hochschulgesetz so angepasst werden, wie es in anderen Bundesländern schon der Fall ist: Die Rechtslage ermächtigt Universitäten nach einer Verurteilung von Studierenden Ordnungsmaßnahmen wie Hausverbot oder Exmatrikulation gegen sie zu verhängen. Damit können Hochschulen Studierende, die straftätig geworden sind, von der Uni ausschließen und alle anderen Personen an der Hochschule vor ihnen schützen.

"Studierende, die vorsätzlich im Rahmen des Hochschulbetriebs oder auf dem Hochschulgelände gegenüber einem anderen Hochschulmitglied Gewalt anwenden, begehen einen Ordnungsverstoß."
Aus dem aktuellen Referentenentwurf des Hochschulgesetzes Brandenburg

Aktueller Anlass ist der Fall einer Studentin der Universität Potsdam, die im Dezember 2022 mutmaßlich von einem Kommilitonen in Berlin vergewaltigt worden sein soll, über den auch "Forschung & Lehre" berichtete. Dabei wird der Universität Potsdam fehlendes Handeln vorgeworfen. Sie habe laut eigenen Angaben keinen Handlungsspielraum. Grund dafür sei die Rechtslage in Brandenburg, weswegen auch die Uni-Leitung eine Gesetzesänderung fordert. Diese könnte schon im Frühjahr umgesetzt werden, da die Politik in Potsdam in den aktuellen Referentenentwurf des Hochschulgesetzes schon einen entsprechenden Passus formuliert hatte: "Studierende, die vorsätzlich im Rahmen des Hochschulbetriebs oder auf dem Hochschulgelände gegenüber einem anderen Hochschulmitglied Gewalt anwenden, begehen einen Ordnungsverstoß".

In den kommenden Monaten soll der Gesetzesentwurf im Ausschuss der Wissenschaft des Brandenburger Landtages diskutiert werden. "Es ist gut und richtig, dass die Hochschulgesetzänderung der Landesregierung den verpflichtenden Schutz vor sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt beinhaltet", sagte Isabelle Vandre, hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, gegenüber den Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN). Auch Grüne und AfD sprachen sich dafür aus. "Wir wollen eine rechtliche Lösung für dieses Problem und darüber beraten wir gerade", sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Erik Stohn gegenüber den PNN.

Gesetzesentwurf lässt noch einige Fragen ungeklärt

Der Entwurf lässt noch einzelne Fragen offen: Die Formulierung beinhaltet beispielsweise keine Straftaten, die außerhalb des Universitätsbetriebes passieren, auch wenn Mitglieder der Hochschule daran beteiligt sind. Der Gesetzesentwurf regelt bislang auch noch nicht, ob die Maßnahmen, die im Falle eines Ordnungsverstoßes verhängt werden, erst nach einer Verurteilung möglich sind. Der Präsident der Universität Potsdam, Professor Oliver Günther, hatte vorgeschlagen, die Regelung aus dem Hochschulgesetz von Nordrhein-Westfalen zu übernehmen. Diese sieht vor, ausschließlich rechtskräftig Verurteilte exmatrikulieren zu können, welche einer Vergewaltigung oder einer ähnlichen Straftat überführt worden sind.

Sahra Damus, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, ist das zu wenig: "Bis es zu einer Verurteilung kommt, vergehen manchmal Jahre, und bis dahin ist das Studium der Betroffenen im Zweifel schon vorbei. Es ist wichtig, schon vorher zu handeln." Exmatrikulationen werden ohne Verurteilung eines mutmaßlichen, meist männlichen Täters wohl kaum möglich sein. Dennoch plädiert Damus dafür, Maßnahmen wie den Ausschluss von Lehrveranstaltungen schon vorher zu erlauben, um Betroffenen von Vergewaltigung das Weiterstudieren ohne seelisches Leid zu ermöglichen.

"Bis es zu einer Verurteilung kommt, vergehen manchmal Jahre, und bis dahin ist das Studium der Betroffenen im Zweifel schon vorbei."
Sahra Damus, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag

Die Relevanz zeigt auch der aktuelle Fall der Studentin an der Universität Potsdam, die ihrem mutmaßlichen Vergewaltiger jederzeit auf dem Campus begegnen kann. Sie gab an, dass dass die psychische Belastung für sie so stark sei, dass sie ihr Studium eventuell nicht fortführen könne und eine solche Situation auch grundsätzlich entwürdigend und gefährlich sei. In den kommenden Monaten wird es mehrere Anhörungen des neuen Gesetzentwurfes geben. Die erste findet am 17. Januar statt.

kfi/cva