Hand einer jungen Frau, die auf die Schrift in einer antiken, griechischen Ruine zeigt und versucht die Schrift zu entziffern.
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Standpunkt
Altgriechisch macht glücklich

Von der Freude an einer alten Sprache und warum Bildung nicht nur anwendbare Alltagsfähigkeiten vermitteln sollte. Wir können lernen zu lernen.

Von Claudia Cornelsen 15.01.2023

Altgriechisch sei eine tote Sprache, sagen manche Leute. Und deswegen nicht der Rede wert. Dieselben Leute reisen jedoch nach Ägypten, um Mumien zu bestaunen, und präsentieren ihren Kindern aufgeregt Dinosaurierknochen im Naturkundemuseum.

Natürlich ist Altgriechisch als Sprache nicht unmittelbar nützlich. Aber mit Schulenglisch oder Schulfranzösisch stößt man auch verdammt schnell an die Grenzen ihrer Praxistauglichkeit, jedenfalls wenn es über die Kaffeebestellung im Urlaub hinausgeht.

Gleichzeitig erinnere ich mich an wenig Schulwissen, das ich später im Leben wirklich gebraucht hätte. Für die mathematischen Anforderungen meines Alltags genügt das Niveau der achten Klasse. Alles Weitere hätte ich mir demnach sparen können. Andererseits: Wollten wir in der Schule wirklich ausschließlich alltagstaugliche Fähigkeiten vermitteln, müssten wir Online-Shopping, digitales Surfen und die Reinigung von Kaffeevollautomaten in Großraumbüros unterrichten. Aber nein, solche Zweckfixierung entspringt einer menschenfeindlichen Verwertungslogik und widerspricht schlichtweg jedem Bildungsideal. Mag sein, dass solche Ideale so tot sind wie Humboldt und Altgriechisch. Aber verdienten sie nicht eine gewisse Unsterblichkeit?

Altgriechisch trainiert das Denken

Zum Glück aber lernen wir in der Schule nicht einfach irgendetwas, sondern wir lernen zu lernen. Und diese Fähigkeit trainieren wir mit jedem weiteren Jahr im Bildungsbetrieb. Die Breite an Schulfächern ist eine Art Schnupperkurs der Wissenschaften. Die Welt entpuppt sich als Aneinanderreihung von Rätseln, die sich lösen lassen. Die Komplexität des Universums in kleinen Häppchen serviert. Ein Fitnesszentrum fürs Gehirn. Ein Erlebnispark der Neugierde. Was es nicht alles zu entdecken gibt!

Altgriechisch ist eine der schönsten Entdeckungen. In keinem Schulfach kann man so viel Wissenswertes aufsaugen wie hier: Von Sokrates kann man fragen lernen, von Homer, dass Sprache Musik ist, und von Platon, dass Streitgespräche ein Fest sein können. Man lernt, warum Sirenen heulen, was Amor und Psyche miteinander zu tun haben und dass man ein Trojanisches Pferd nicht satteln, sondern fürchten sollte – egal, ob aus Holz oder digital. Man erfährt die Grundgedanken der Demokratie, den Geist der Olympischen Spiele und auch die Essenz des Theaters von der Komödie bis zur Tragödie. Wer über das A und O, das Alpha und Omega, unseres Lebens nachdenkt, kommt am Altgriechischen nicht vorbei. Schon das Wort "Alphabet" kommt aus dem antiken Griechenland, genau wie Rhetorik und Orthographie, wie Telefon und Utopie.

Deswegen: Wenn man schon so viel Unsinn in der Schule lernt, dann doch bitte gern den "Quatsch" aus der Wiege des europäischen Abendlandes. Den größten Nutzen hat die Sprache ohnehin für Herz und Seele. Denn Altgriechisch macht glücklich. Mega glücklich.