Ein aufgeschlagenes Buch
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Rezension
Die Kunst der Ingenieure

Dass eine Brücke hält, wenn wir sie betreten, ist nicht selbstverständlich. Der Ingenieurleistung, die dahintersteckt, ist nun ein Buch gewidmet.

Von Ina Lohaus 09.09.2018

Wie oft hat man schon staunend vor einem eindrucksvollen Gebäude gestanden oder eine imposante Brücke bewundert. Zuweilen kennt man die Namen der Architekten, die die Planungen vorgenommen haben, selten jedoch die der Ingenieure, die die Pläne der Architekten umgesetzt haben. Um die Leistungen der Ingenieure aus ihrem Schattendasein zu holen, hat Roma Agrawal ein Buch über die Ingenieurskunst geschrieben.

Sie ist selber Bauingenieurin und gehörte unter anderem zum Planungsteam des Londoner Wolkenkratzers "The Shard", einem der höchsten Gebäude Westeuropas. Ihre eigene Begeisterung für das Bauen ist auf jeder Seite zu spüren. Für den Laien verständlich erläutert sie die Auswirkungen der Schwerkraft, des Windes oder der Schwingungen, die die Ingenieure bei ihrer Planung berücksichtigen müssen, oder die Vor- und Nachteile der Materialien, die beim Bauen zum Einsatz kommen sollen. Spannend sind die Geschichten, die sie von Hochhäusern, Brücken oder historischen Bauwerken und den jeweiligen Baumeistern und Ingenieuren erzählt, an vielen Stellen angereichert mit ihren eigenen Erfahrungen und Erlebnissen.

Gebäude in London
Die Autorin Roma Agrawal war im Planungsteam des Londoner Wolkenkratzers "The Shard", einem der höchsten Gebäude Westeuropas. picture alliance/imageBROKER
Brooklyn Bridge
In ihrem Buch schreibt sie unter anderem über Emily Warren Roeblings, die ihren schwer erkrankten Ehemann mit selbsterarbeitetem Wissen beim Bau der Brooklyn Bridge vertrat. picture alliance/nordphoto

Erfindergeist

Bei ihrem Streifzug durch die Geschichte des Bauens geht die Autorin immer wieder auf die Menschen ein, die durch ihren Erfindergeist die Baukunst vorangebracht haben, wie zum Beispiel der französische Gärtner Joseph Monier, der für eine bessere Haltbarkeit seiner Blumentöpfe den Beton mit einem Eisengitter verstärkte und damit den Beton zu einem universellen Baustoff für alle möglichen Bauwerke machte. Oder Elisha Otis, ein Pionier des Aufzugbaus, der den ersten dampfbetriebenen Aufzug 1857 in ein fünfstöckiges New Yorker Kaufhaus einbaute. Heute finden sich Aufzüge der Firma Otis in Gebäuden überall auf der Welt, unter anderem im derzeit höchsten Wolkenkratzer, dem Burj Khalifa in Dubai.

In der von Männern geprägten Welt der Ingenieure, in der sich Roma Agrawal bei ihrer Arbeit bewegt, sind für sie weibliche Vorbilder wichtig. Daher berichtet sie von der Ingenieurleistung Emily Warren Roeblings, die ihren schwer erkrankten Ehemann ohne entsprechende Ausbildung, aber mit selbsterarbeitetem Wissen beim Bau der Brooklyn Bridge vertrat.

Mit ihrem Wissen und Können trügen die Ingenieure eine besondere Verantwortung für die Sicherheit und Stabilität von Gebäuden, betont die Autorin. Fehlerhafte Planung, mangelhafte Überwachung und auch unvorhersehbare Ereignisse könnten zu Katastrophen führen. Der Terroranschlag auf das World Trade Center vom 11. September 2001 sei ein trauriges Beispiel.

Buchcover
Carl Hanser Verlag

Agrawal erläutert die Konstruktion der beiden Türme und die Faktoren, die letztlich zum Einsturz geführt haben. Sie verweist auf das ingenieurwissenschaftliche Nachspiel, das diesem Unglück folgte. Ein wichtiger Teil des Ingenieurwesens bestehe darin, aus Katastrophen Lehren zu ziehen.

Wichtige Innovationen im Bauwesen entstünden jedoch vor allem durch die Fortentwicklung des Bewährten und durch menschlichen Erfindergeist. Und so beschließt Roma Agrawal ihr kurzweiliges und lehrreiches Buch mit einem Ausblick auf neue Trends in den Ingenieurwissenschaften.

Roma Agrawal: Die geheime Welt der Bauwerke. Hanser Verlag 2018, 352 Seiten, 24,00 Euro.