Wissenschaftlicher Austausch nach Corona
Historikerverband plädiert für nachhaltiges Reisen
Der Historikerverband hat sich für mehr Umweltbewusstsein in der wissenschaftlichen Mobilität ausgesprochen. Die Reiseeinschränkungen wegen der Corona-Pandemie zeigten, in welchen Fällen künftig auf das Reisen verzichtet und dieses durch digitale Formate ersetzt werden könnte. "Diese Erfahrungen sollten wir nutzen, um die Weichen für umweltfreundliche und nachhaltige Formen des Wissenschaftsbetriebs und der Internationalisierung zu stellen", formuliert der Verband in einem aktuellen Diskussionspapier. Reformen im Wissenschaftssystem sollten dafür sorgen, dass die Zahl an Reisen insgesamt reduziert und unverzichtbare Reisen kompensiert würden.
Die Fülle an Reisen, wie sie vor Ausbruch des Coronavirus typisch gewesen sei, habe nicht nur der Umwelt geschadet. Sie sei auch kontraproduktiv gewesen, schreibt der Historikerverband. Vielfach seien Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur für ihren Vortrag angereist und hätten Veranstaltungen nicht komplett besucht. Auch habe die Zahl an Veranstaltungen zu einer Inflation von Publikationen geführt "mit bisweilen zweifelhaftem Mehrwert für die Forschung", so die Historiker. Damit verbunden hätte auch die Zahl der beratenden Tätigkeiten von Wissenschaftlern in internationalen Beiräten oder für Evaluierungen drastisch zugenommen – Zeit, die für Aufgaben in Forschung und Lehre fehle.
Mehr Flexibilität für Planung von Konferenzen gefordert
Der Verband fordert andere Anreize in der Wissenschaft. Dazu müsse auch gehören, dass Reisen in Drittmittelanträgen genauer begründet würden und das inhaltlich. Auf grundsätzliche Formulierungen zur Stärkung von Austausch und Vernetzung solle verzichtet werden. Stattdessen sollten Drittmittelgeber verstärkt Videokonferenzen und andere Formen des digitalen Austauschs fördern und für die technische Ausrüstung Geld zur Verfügung stellen.
Entscheidend sei laut Historikerverband weiter, stärker darauf zu achten, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Veranstaltung daraus tatsächlich einen Mehrwert zögen. Hier sei Flexibilität gefragt: Projektbeteiligte sollten Veranstaltungen auch noch während der Projektlaufzeit konzipieren können, sodass sie deren Notwendigkeit und inhaltlichen Zuschnitt besser einschätzen könnten.
Weiter sollte die Erstattung von Reisekosten laut dem Historikerverband daran geknüpft werden, dass Teilnehmende bis auf gut begründete Ausnahmen auch während der gesamten Veranstaltung präsent seien und die Reise im besten Fall mit anderen Terminen verknüpften. Bahnreisen sollten auch bei höheren Kosten erstattet werden und Flugreisen, sofern sie notwendig seien, kompensiert werden.
Mit seinem Papier will der Historikerverband zur Diskussion über eine "nachhaltige Internationalisierung" beitragen. Dafür will er laut eigenen Angaben auch mit wichtigen Geldgebern wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMBF) sprechen. Der Beschluss des Verbands geht auf ein Papier zurück, das Dr. Reinhild Kreis zusammen mit Professor Frank Bösch, Professorin Martina Winkler und Dr. Benjamin Beuerle initiiert hatte.
aktualisiert am 8.6.2020, zuerst veröffentlicht am 3.6.2020
kas
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