Symbolbild Dialog: Grüne und pinke Sprechblase vor rosa Hintergrund
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Standpunkt
Wissenschaft mit den Menschen für die Welt gestalten

Wie kann die Wissenschaft mit der Gesellschaft in kreativen Austausch treten? Das erprobt das Museum für Naturkunde in Berlin.

Von Johannes Vogel 04.09.2022

Eine Wissenschaft, die nur Wissen schafft, hat keine Zukunft. Die Gesellschaft, die Wissenschaft finanziert, hat klare Wünsche an die, die Wissen schaffen. Ein Blick ins aktuelle Wissenschaftsbarometer zeigt: Mehr als zwei Drittel der Befragten, nämlich 69 Prozent, wünschen sich, dass politische Entscheidungen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen sollten. 75 Prozent fordern, dass die Wissenschaft öffentlich Stellung beziehen sollte, wenn politische Entscheidungen wissenschaftliche Erkenntnisse nicht berücksichtigen. Sie fordern eine Wissenschaft, in der sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einmischen und Zielkonflikte lösen helfen.

Genau in diese Diskussion bringt sich das Museum für Naturkunde mit seinem gesellschaftlichen Auftrag und seiner Wissenschaft ein. Wir werden mit unserer multidisziplinären Forschung und unserer Sammlung Impulse für eine präventive, translative, personalisierte Wissenschaft setzen. Zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung Berlins besucht unsere Dialogveranstaltungen. Das ist eine ganz andere Qualität der Interaktion als sie die traditionelle Wissenschaftskommunikation leistet. Dadurch entsteht Resonanz und Beziehung, das verändert – auch uns.

Wir wollen eine kreative, offene Beziehung zu Menschen unterschiedlichster Herkünfte aufbauen. Wir wollen gemeinsame Anknüpfungspunkte finden. Diese kann man nie vorgeben – wie fundiert das eigene Wissen auch sein mag! Man muss sich gemeinsam eine Grundlage in ehrlichen, offenen Gesprächen erarbeiten – eben mit Neugier. Die­ses Ziel verfolgen alle Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft, wie sie in ihrer aktuellen Strategie betonen. Ge­ra­de im Gespräch mit Menschen unterschiedlicher oder abweichender Meinung gilt es, ernsthaft zu ergründen: Haben wir nicht gemeinsame Werte, Ziele, für die wir streiten können? Für dieses Zuhören, für diese Gespräche brauchen Wissenschaftler Zeit, Arbeitszeit! Diese Leistung müssen Geldgeber als zentrale Leistung anerkennen, sie muss in wissenschaftlichen Karrieren – wie auch die Lehre – geschätzt werden.

Wir müssen den Mut haben, zu experimentieren und dabei gegebenenfalls auch mit dem einen oder anderen Projekt zu scheitern. Wir müssen in unserem Wissenschaftssystem Infrastrukturen schaffen, die einen barriere- und vorurteilsfreien Dialog ermöglichen. Wir müssen die Expertise von Menschen wertschätzen, als bereichernd anerkennen und symmetrisch berücksichtigen. Die Publikation von exzellenten Studien ist wichtig, doch das allein macht die Wissenschaft eben nicht relevant.

Dabei müssen wir bei uns beginnen. Wir müs­sen der Wandel sein, den die Welt sich wünscht. Beginnen wir heute damit!