Ein futuristisch anmutendes Gebäude mit vielen Glasfronten und Pyramidenformen.
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Architektur
Welche Bedeutung hat Universitäts-Architektur?

Martina Löw forscht an der TU Berlin zu Raumtheorie. Sie wünscht sich mehr Reflexion der Hochschulen über die eigene Architektur und deren Wirkung.

Von Katharina Finke 28.02.2024

Mit Forschung & Lehre spricht die Professorin für Planungs- und Architektur-Soziologie an der Technischen Universität Berlin über die Bedeutung von Hochschularchitektur, woran sich ihre Gestaltung orientiert, was sie aussagt und wohin sie sich in Zukunft entwickeln sollte. 

Forschung & Lehre: Sie sagen, dass Unternehmen mit ihren Räumen nach innen und nach außen kommunizieren. Ist das auch für Hochschulen der Fall? 

Martina Löw: Ja, sobald man ein Volumen in den Raum stellt, ist es ein kommunikativer Akt. Die Frage ist, wie bewusst sich die Hochschulen darüber sind, was und wie sie kommunizieren – manche mehr, manche weniger. Viele Hochschulen investieren in Architektur und bemühen sich, eine Nachricht nach außen zu senden. Aber es kommt sehr auf die Hochschulen an. Früher haben wir viel davon gesprochen, dass Hochschulen im schlechten baulichen Zustand sind. Das gilt für einige heute immer noch und kommuniziert, dass Bildung nicht viel wert ist.

Martina Löw, Professorin für Planungs- und Architektur-Soziologie an der Technischen Universität Berlin. Oliver Helbig

F&L: Welche Bedeutung haben Architektur und Orte als Arbeitsplatz an Hochschulen? 

Martina Löw: Ich habe einmal in Halle an der Saale gearbeitet, wo wir von einem alten in einen frisch sanierten Bau umgezogen sind. Das Interessante war, dass es nach dem Umzug keine Zerstörung mehr gab. Es ist ein gutes Beispiel dafür, dass eine anregende, als schön wahrgenommene Umgebung, auch als Wertschätzung gelesen wird. Die Bereitschaft, sich an der Hochschule mit den Inhalten zu engagieren, steigt, wenn die Gestaltung der Räume hochwertig ist. 

F&L: Was sind die Unterschiede zwischen den Räumen an Hochschulen? Martina Löw: Zunächst ist diesbezüglich wichtig festzuhalten, dass sich Raumgestaltungen an Fachkulturen und deren Erwartungen orientieren. Großraumbüros sind zum Beispiel in Fächern wie Architektur selbstverständlich, in der Soziologie schwer durchzusetzen. Die Textwissenschaften platzieren sich gedanklich eher in Zellen, in denen man kontemplativ arbeiten kann.

Andere Disziplinen denken über ihre eigene Arbeit eher, dass man permanent im Gespräch bleiben und gemeinsam am Objekt arbeiten muss. Darüber hinaus akzeptieren wir in bestimmten Bereichen mehr Funktionalität als in anderen. Beispielsweise in Labors und Werkstätten scheint es kontraproduktiv zu sein, sie stark zu ästhetisieren, weil der Anspruch der Funktionalität hoch ist. Der Hörsaal wiederum ist stark geprägt von der Struktur der Präsentation. Sprich wenig Licht, damit das Bild auch wirken kann. Das schafft eine fast altmodische Struktur der Fokussierung auf einen Ort in Abgeschiedenheit. Es gibt dabei derzeit wenig Kreativität, sich für Vorlesungen neue räumliche Konzepte zu überlegen. Anders ist es bei Seminarräumen. 

F&L: Inwiefern? Was ist das gestalterisch Spannende bei Seminarräumen? 

Martina Löw: Die Seminarraumsituation ist meines Erachtens die Unsicherste, weil es so schwer ist einzuschätzen, wie man eine optimale Lehrumgebung schafft. Er ist die Hülle für den wissenschaftlichen Austausch, aber dabei ist unklar, wie sie gestaltet werden soll. In den neuen Hochschulkonzepten soll es keine Wände im eigentlichen Sinne mehr geben, sondern Glaskonstruktionen, die das Geschehen nach außen transportieren, um Offenheit zu vermitteln. Alles was innen passiert, kann außen auch gesehen werden. In den klassischen Konzepten der letzten Jahrzehnte ist es eher so, dass sehr einfache und wenig gestaltete Wände eine Abgrenzung nach außen darstellen sollen und dabei kaum Gestaltungselemente herangezogen werden. 

"In den neuen Hochschulkonzepten soll es keine Wände im eigentlichen Sinne mehr geben, sondern Glaskonstruktionen, die das Geschehen nach außen transportieren."
Martina Löw, Professorin für Planungs- und Architektur-Soziologie, Technische Universität Berlin

F&L: Wie wichtig sind Licht und Akustik bei der Gestaltung von Hochschulräumen? 

Martina Löw: Bis auf die Ausnahme der gewollten Abdunklung, ist Licht hilfreich. Es spielt in die Lernsituation hinein, weil es ein Anregungspotential ist. Licht ist förderlich, denn die Laune steigt, wenn es viel davon gibt und die Sonne scheint. Gute Akustik ist auch wichtig, damit die Redebeiträge aus den hinteren Reihen im Raum gehört werden. Gleichzeitig ist es sinnvoll, dass Kleingruppen in dem Seminarraum arbeiten können ohne, dass jeder Ton intensiv übertragen wird. Akustik ist also eine wichtige Frage, aber bisher wurde darin bei der Gestaltung von Lernräumen nicht viel investiert. 

F&L: Was sagen uns die Materialen bei der Gestaltung von Hochschulen? 

Martina Löw: Glas ist dabei besonders interessant. Ich war gerade in einer neugebauten Hochschule in London, wo es einen kollektiven Arbeitsbereich im Zentrum des Flurs gab sowie kleine Glasbüros für Professorinnen und Professoren und durch Glas abgetrennte Seminarräume, wo man jederzeit sieht, was die anderen machen. Diese vollkommene Transparenz ist irritierend, wenn man die klassischen Hochschulbauten gewohnt ist, weil es keine Privatsphäre mehr gibt. Ansonsten ist neben den Altbauten, die für Hochschulen genutzt werden, Beton ein Material, das für Sachlichkeit und Modernität steht. Es irritiert wenig und bietet einen Rahmen, der die Inhalte glänzen lässt, weil es selbst nicht glänzt. Es gibt auch Versuche, mehr Behaglichkeit zu schaffen, dafür kommt meist Holz zum Einsatz. Damit wird versucht, eine Arbeits-und Lernsituation zu schaffen, die sehr beruhigend ist. 

"Ansonsten ist neben den Altbauten, die für Hochschulen genutzt werden, Beton ein Material, das für Sachlichkeit und Modernität steht."
Martina Löw

F&L: Was ist die Herausforderung bei der Wahl der Materialen? 

Martina Löw: Dass wir eine grundsätzliche Entscheidung treffen, Räume etwas Langlebiges haben und in der Regel nicht in jeder Situation umgestaltet werden können. Wir entscheiden uns für eine Struktur, die erstmal bleibt. Das ist nicht so leicht. Für eine Klausur könnte ein holzvertäfelter Raum die entsprechende Ruhe erzeugen. Für eine Übung sollte das gewählte Raummaterial eher anregend sein, also vielleicht besser buntbemalter Beton. Das sollten sich Hochschulen bewusst machen und sich die Frage stellen: mit welchen Materialen will ich welche Atmosphäre erzeugen? 

F&L: Könnte dabei Künstliche Intelligenz (KI) den Hochschulen behilflich sein? 

Martina Löw: Ich glaube nicht, denn dafür ist die Aufgabe zu komplex. KI neigt dazu, homogene Lösungen zu finden, aber das würde der Kultur der jeweiligen Hochschulen nicht gerecht werden. Denn wir brauchen nicht überall die gleichen Lehrräume. Stattdessen sollten wir individuell an die Hochschule angepasste Angebote schaffen. 

"KI neigt dazu, homogene Lösungen zu finden, aber das würde der Kultur der jeweiligen Hochschulen nicht gerecht werden."

F&L: Inwiefern sind die Gebäude der Hochschule ein Aushängeschild? 

Martina Löw: Hier sollten wir uns die Hauptgebäude der Hochschulen ansehen, weil sie den deutlichsten Repräsentationscharakter haben. Dabei wird häufig versucht, durch alte Bausubstanz zu signalisieren, dass die Produktion von Wissen etwas ist, was in einer langen Traditionslinie steht. An der TU Berlin, wo ich arbeite, wurde beispielsweise das Stück Altbau, was vor Ort noch da ist, in das Hauptgebäude integriert. Wenn keine alten Bauten mehr vorhanden sind, versuchen Hochschulen mit ihrer Architektur Zukunftsoffenheit zu signalisieren und meist namenhafte Architekten zu involvieren. Ich lese das als gewissen Stolz der Hochschulen, wenn sie Bauten, von denen sie denken, dass sie außergewöhnlich sind, realisieren können, damit stark in den öffentlichen Raum wirken und die Hochschule als Ganzes strahlen lassen. Das ist eine Strategie, die Hochschulen, wenn sie es sich leisten können, gerne nutzen. 

Ausgabe 3/2024 von "Forschung & Lehre"

Die Märzausgabe unseres Hochschulmagazins beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Thema "Zukunft der Arbeit". Freuen Sie sich drauf! 

F&L: Inwieweit hat sich Raum durch Digitalisierung und Globalisierung verändert? 

Martina Löw: In Berlin leite ich den Sonderforschungsbereich 1265 zum Thema Re-Figuration von Räumen: Da geht es darum, dass sich das Verhältnis von Menschen zu ihren Räumen in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert hat. Die zwei wichtigsten Stichworte dabei sind Digitalisierung und Globalisierung. Das Ferne ist uns näher gekommen und wirkt stärker in unseren Alltag hinein. Dadurch verändert sich die Art und Weise, wie wir Raum wahrnehmen und ihn uns vorstellen. Die Ansicht: "Ich bin von einem Raum umgeben und er ist wie ein Behälter, in dem ich aufgehoben bin" – war im 20. Jahrhundert leitend. Heute ist das eine unter anderen. Daneben gibt es sehr vernetze Raumerfahrungen, gerade über digitale Technologien. Es gibt wieder stärker eine Ortsbezogenheit, die dem Gefühl von Uferlosigkeit entgegenwirken soll. Und zunehmend im internationalen Maßstab auch eine Mobilisierung, ein Denken in Bahnen, die als räumliche Gefüge wahrgenommen werden. Das Resultat: Im Alltag kommt es häufig zu Konflikten zwischen unterschiedlichen Raumerwartungen. 

F&L: Wie äußern sich die Konflikte zu unterschiedlichen Raumerwartungen im Alltag? 

Martina Löw: Einerseits setzen wir Grenzen, beispielsweise machen wir die Tür hinter uns zu. Andererseits erfahren wir grenzenlosere Räumlichkeit, in digitalen Räumen beispielsweise. Das erzeugt eine Spannung, weil wir nicht wissen, welcher Modus wann angenehm ist, wann überfordernd und ob wir alles gleichzeitig aushalten können. Raumoffenheit ist im Globalen beispielsweise hilfreich, weil wir dadurch die Relativierung der eigenen Position erfahren. Aber in Alltags- und auch in Hochschulkontexten kann es sein, dass sie unserer Produktivität im Weg steht. Deswegen müssen wir uns immer neu überlegen, welches Raumkonzept für welche Situation, also auch Lern- und Hochschulsituation, am geeignetsten für uns ist. 

"Raumoffenheit ist im Globalen beispielsweise hilfreich, weil wir dadurch die Relativierung der eigenen Position erfahren."
Martina Löw

F&L: Ist ein fester Arbeitsort bei Home-Office und Desk-Sharing noch wichtig? 

Martina Löw: Untersuchungen haben gezeigt, dass die Identifikation und Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz steigen, wenn man sich an einem Schreibtisch einrichten kann. Wenn das nicht geht und eine Situation entsteht, in der man in Stress gerät, führt das zu Konkurrenz und schlechterer Kommunikation. Das lässt sich auch auf Hochschulen übertragen. Beispielsweise auf die Sorge, morgens einen guten Platz zu ergattern, wie es in Bibliotheken häufig der Fall ist. Es gibt jedoch wenige Überlegungen dazu, wahrscheinlich aufgrund der Raumkapazitäten, ob alle Studierende eigene Arbeitsplätze bekommen könnten. Aber es ist eine spannende Frage, wie sich das Studium verändern würde, wenn dem so wäre. 

F&L: Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Hochschularchitektur? 

Martina Löw: Es wäre ein großer Fortschritt, wenn wir anfangen würden, darüber zu sprechen, welchen Raum Hochschulen mit ihrer Architektur schaffen wollen. Denn derzeit ist es leider mehrheitlich der Fall, dass Architektur vor allem nach Zahlen gedacht wird: Rechnet sich der Bau oder ist er zu teuer? Damit muten wir den Menschen häufig eine Umgebung zu, die sehr anregungsarm ist. Das hat Effekte auf das Wohlbefinden, das soziale Miteinander und das Zugehörigkeitsgefühl. Wir unterschätzen oft, dass es nicht nur darum geht, eine Schutzhütte zu gestalten, sondern Raum uns etwas wert sein sollte, auch um die Wirkungen zu kontrollieren. Deswegen sollten sich Hochschulen Kriterien für ihre architektonische Gestaltung überlegen. Eine spannende Frage in diesem Kontext wäre zum Beispiel: Wie wohl sollen sich Studierende und Mitarbeitende an den Hochschulen fühlen?

Ausgabe 3/2024 von "Forschung & Lehre"

Die Märzausgabe unseres Hochschulmagazins beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Thema "Zukunft der Arbeit". Freuen Sie sich drauf!