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Social Media
Wie umgehen mit Kritik im Netz?

Eine Äußerung fliegt einem im Netz schnell um die Ohren. Eine genaue Vorbereitung erleichtert den souveränen Umgang mit Kritik und Shitstorms.

Von Katrin Schmermund 07.08.2020

Stößt eine Äußerung in den sozialen Netzwerken auf Kritik, füllen sich in kürzester Zeit die Kommentarspalten. Der Beitrag wird kommentiert, im Netzwerk einer Person geteilt, wieder kommentiert und weiter geteilt. Die Empörung verbreitet sich so schnell wie der Druck auf Urheberin oder Urheber von Posting oder Tweet wächst. Das hat in den vergangenen Tagen auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft erlebt.

André Kroll rät in solchen Situationen zu Besonnenheit: "Nichts vorschnell löschen, keine vorschnellen Aussagen tätigen: das Netz vergisst nichts", so der Social-Media-Experte. "Erst die Kritik intern prüfen, dann in Absprache mit allen Beteiligten eine Entscheidung treffen und diese transparent kommunizieren." Der studierte Medienwissenschaftler beschäftigt sich seit vielen Jahren beim Norddeutschen Rundfunk mit Empörung und Hass im Netz.

Die genaue Vorbereitung auf mögliche Empörungswellen im Netz hält Kroll für die halbe Miete. Das gelte für reine Kritik genauso wie für einen "Shitstorm", in dem Organisationen oder einzelne Personen gezielt diffamiert würden. "Habe ich mir im Vorfeld überlegt, welche Reaktion ein Posting oder Tweet bei welchen Interessengruppen hervorrufen könnte, kann ich mich darauf einstellen und meine Reaktion bereits vorbereiten", sagt Kroll. Entscheidend sei, die Diskussion nicht weiter anzuheizen, sondern neutral einzuordnen und seine Haltung zu begründen. Auch sollten die eigenen Kommentarspalten moderiert werden: "Im Netz darf gerne hart in der Sache diskutiert und kritisiert werden, aber Kommentare mit Beleidigungen, Verleumdung und Desinformation gehören gelöscht. Was erlaubt ist und was nicht, also welches Diskussionsklima gewünscht ist, das definieren Unternehmen oder Organisationen in ihrer Netiquette – auf die kann verwiesen werden."

Andre Kroll
André Kroll ist Experte für den Umgang mit Kritik im Netz. Christian Spielmann

Besonders heikel sei die Situation, wenn Angriffe auf einzelne Personen zielten. "Wenn jemand im Job in einen Shitstorm gerät, sollten vorläufig Kolleginnen oder Kollegen den Account betreuen. Ansonsten kann das Ganze zu einer extremen psychischen Belastung werden", sagt Kroll. Strafrechtliche Inhalte sollten gespeichert und über Portale wie 'hassmelden.de' und 'hateaid.de' ein Strafverfahren angestrengt werden. Außerdem rät der Social-Media-Kenner, Hetzaccounts in den sozialen Netzwerken zu melden. "Mit der von einer Hasswelle betroffenen Person sollte gesprochen und ihr bewusst gemacht werden, dass der Hass im Netz nicht das echte Leben widerspiegelt, nicht repräsentativ ist."

Shitstorm möglichst früh erkennen

Wollen Organisationen mit Markenbotschaftern zusammenarbeiten, empfiehlt Kroll professionelle Analyse-Tools. "Diese Tools scannen alle möglichen Plattformen und ermöglichen eine erste Einschätzung, für welche Positionen eine Person bekannt ist und welche Gruppen sich in der Vergangenheit womöglich gegen sie mobilisiert haben."

Die nachträgliche Löschung eines Kommentars sollte immer die letzte Option sein und begründet werden. "Es muss transparent gemacht werden, warum etwas gelöscht wurde, und das möglichst schnell", so Kroll. "Damit zeigen sich Organisationen selbstkritisch und vermeiden Vorwürfe der Zensur."

Um früh auf Kritik oder Hass im Netz reagieren zu können, empfiehlt Kroll, die Kommentarspalten genau im Blick zu halten. "Merke ich zum Beispiel, dass ein Posting oder Tweet in kurzer Zeit deutlich mehr Kommentare provoziert, als es sonst der Fall ist, sollte ich direkt schauen, woher diese kommen. Manchmal stecken dahinter koordinierte Empörungswellen. Über diese wird eine öffentliche Meinung suggeriert, die es so nicht gibt." Es könne auch sein, dass ein einzelner, sehr reichweitenstarker Account seine Fans mobilisiere. "Und natürlich gibt es auch echte Kritikwellen, bei denen es Kommentare aus allen Richtungen gibt, weil das Thema polarisiert."

Vorwürfe sollte eine Organisation analysieren und für sich beantworten, ob etwas an der Kritik dran ist und Fehler gemacht wurden. Dann muss reagiert werden, sagt Kroll:

  • Fehler wurden gemacht: "Die Fehler transparent korrigieren, sich ehrlich entschuldigen. Die falschen Postings oder Tweets löschen, neue Postings oder Tweets zum Thema absetzen."
  • Es wurde kein Fehler gemacht: "Zu den Aussagen stehen und die eigene Haltung erläutern."
  • Unklar: "Wenn mehr Zeit für die Einschätzung gebraucht wird, dies transparent mitteilen."

Dass es zu fast allen Beiträgen Kritik gebe, gehöre dazu: "Die Interessenlagen in der Gesellschaft sind zu unterschiedlich für einheitliche Zustimmung", sagt er. "Solange die Kritik nicht in Hass übergehe, sei das auch gut so. Das ist Meinungsfreiheit."