Core Facilities
Geteilte Forschungsinfrastruktur – ein Zukunftsmodell?
Die finanziellen Ressourcen an Hochschulen sind knapp. Daher geht der Trend zum Teilen – zumindest, was die Anschaffung, Wartung und Nutzung kostspieliger Forschungsgeräte angeht. Core Facilities heißen jene Einrichtungen an Hochschulen, in denen Geräte, Expertise und Methoden vorgehalten werden. Teure und nur mit Spezialwissen zu bedienende Geräte werden hier zentral gebündelt und Forschenden und Externen zugänglich gemacht. Mit Core Facilities können Hochschulen nicht nur Geld sparen, sondern auch gezielt Lücken in ihrem Gerätepark schließen. Neben effizienter Auslastung der Geräte werden Kosten für Wartungen und Reparaturen geteilt.
Das erklärte Ziel der Befürworter von Core Facilities ist ein Kulturwandel weg vom professurbezogenen "Gerätebesitz". Die Geräteparks sollen möglichst vielen Forschenden zugänglich gemacht werden, gerade auch jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Mittelfristig soll es auch über Hochschulen hinaus zu mehr Austausch kommen. Bereits heute verfügen zahlreiche deutsche Hochschulen über Core Facilities auf der Ebene einzelner Fachbereiche, darunter auch die Johannes Gutenberg-Universität in Mainz (JGU).
Beispiel "core4u"
In einem langfristig angelegten Projekt namens "core4u" werden an der JGU Geräte wie Hochleistungsmikroskope für mehr Forschende der JGU und der Rhein-Main-Universitäten (RMU), sowie für Externe im Rahmen von Forschungskooperationen zugänglich gemacht. Im RMU-Rahmen werden zum Beispiel Core Facilities koordiniert an allen drei Standorten eingeführt. Dieser Zusammenschluss auf Ebene der Core Facilities soll ein Expertennetzwerk etablieren und die Professionalisierung vorantreiben, um attraktive neue Möglichkeiten für wissenschaftliche Karrierewege zu schaffen.
Der Biochemiker Dr. Bastian Hülsmann ist Leiter der Core Facility im Bereich Lichtmikroskopie und arbeitet eng mit seiner Kollegin Dr. Jana Hedrich aus der "core4u"-Projektkoordination zusammen. Laut Hülsmann und Hedrich haben Projekte wie "core4u" neben Effizienzsteigerung und finanziellen Vorteilen noch viele weitere positive Effekte: "Man kriegt Spitzenforschung und Nachhaltigkeit zusammen, wenn man Ressourcen effizient nutzt. Das ist auch mein Idealbild von Forschungseinrichtungen", so Hülsmann gegenüber "Forschung & Lehre".
Die von ihm geleitete Mikroskopie-Einheit bietet ein großes Spektrum an Geräten, von Konfokalmikroskopen bis hin zum 1,5 Millionen Euro teuren hochauflösenden Mikroskop. Diese Infrastruktur unterstütze die universitäre Grundlagenforschung und fördere Forschungskooperationen im Verbund der Rhein-Main-Universitäten (RMU) sowie mit lokalen Unternehmen wie "BioNTech" und Startups, was den Standort weiter stärke. "Zusätzlich zur lokalen Vernetzung gibt es gerade in der Lichtmikroskopie einen intensiven Austausch mit Einrichtungen anderer Standorte. Als Mitglied von 'German BioImaging', der Gesellschaft für Mikroskopie und Bildanalyse, sind wir Teil einer extrem kooperativen, sehr aktiven und engagierten Community", berichtet Hülsmann.
Austausch auf mehreren Ebenen
Dank der gemeinsam genutzten Infrastruktur tauschen sich die Forschenden an der JGU nun deutlich mehr untereinander aus: "Einmal sind da die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in den Core Facilities arbeiten. Dann gibt es noch die Vernetzung durch die Forschenden, die mit ihren projektspezifischen Fragen in die Core Facility kommen und die gleichen Technologien nutzen, aber ganz verschiedene Projekte haben. Vor Ort stellen sie dann fest, dass sie sich gegenseitig unterstützen können", sagt Hülsmanns Kollegin Jana Hedrich.
Auch der Austausch am Gerät selbst sei von enormer Bedeutung: "Wenn zum Beispiel in der Mikroskopie eine Biochemikerin auf einen Biologen trifft und sie feststellen, dass sie von ihren Projekten her einen Überlapp haben, sich aber bisher nicht getroffen hatten, weil sie in völlig unterschiedlichen Fachbereichen und Arbeitskreisen arbeiten, dann kommt es zu einem Austausch, den ich sehr wertvoll finde", so Hedrich. Hier findet die Vernetzung auch hierarchieübergreifend statt: "Plötzlich tauscht man sich aus, auf Doktoranden- oder Master-Ebene, auf welcher Ebene auch immer", ergänzt Hülsmann.
Core Facilities: Basis für Exzellenz
Auch für die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sind Core Facilities heute ein wichtiger Baustein für wissenschaftliche Exzellenz: "Die Etablierung von Gerätezentren beziehungsweise Core Facilities an Hochschulen wird immer mehr zu einer wichtigen Voraussetzung für den wissenschaftlichen Erfolg. Eine 'state-of-the-art'-Ausstattung einzelner Arbeitsgruppen ist in der Regel nicht leistbar; sie entspricht auch nicht einem effizienten Ressourcen-Einsatz. Core Facilities helfen auch dabei, für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den freien Zugang zu Geräten sicherzustellen. Zudem sind sie eine wichtige Basis für nationale und internationale Kooperationen."
Die große Herausforderung für Core Facilities bestehe laut HRK darin, nutzerfreundliche Lösungen für Fragen der Trägerschaft, Priorisierung und der Kostenübernahme zu finden.
Zusammenarbeit statt Herrschaftswissen
Für einen solchen Change-Prozess braucht man einen langen Atem, gerade an Hochschulen. Karen De Bruyne hat während dieses langen Veränderungsprozesses eine Menge Erfahrungen gesammelt. Sie ist Geschäftsführerin des "Interdisziplinären Zentrums für Klinische Forschung (IZKF)" an der medizinischen Fakultät der RWTH Aachen. Seit knapp 20 Jahren befasst sie sich mit dem Thema Core Facilities. Sie kennt die Zeiten noch gut, in denen die Autonomie der Lehrstühle hochgehalten wurde und jeder in Sachen Geräteanschaffung individuelle Wege ging. "Aber es macht keinen Sinn, in Großgeräte und methodische Expertise zu investieren, ohne die direkt damit zusammenhängenden Faktoren, sowie Nutzung, Ressourcen, Strategie, Impact, Finanzmanagement und Führungsstruktur gesamtorganisatorisch und strukturiert mit zu bedenken", so De Bruyne gegenüber "Forschung & Lehre".
"Die Kultur der Autonomie in deutschen Hochschulen kann zu einer Fragmentierung von Entscheidungsprozessen führen, da einzelne Abteilungen ihre eigenen Prioritäten setzen und Ressourcen allozieren. Dies kann zu Redundanzen und Parallelstrukturen führen und die Effizienz, die Nachhaltigkeit von methodischem Fachwissen und von Ressourcen beeinträchtigen", sagt De Bruyne. Entscheidend sei eine ausgewogene Herangehensweise, die die Vorteile der Autonomie nutze, aber auch Mechanismen zur Koordination und Zusammenarbeit fördere. So könne die Qualität der Forschung erhalten und sogar verbessert werden.
Karen De Bruyne befasst sich unter anderem mit Fragen wie: Wie sieht der Bedarf genau aus? Sind die gebotenen Methoden und Expertise noch state-of-the-art? "Alle Stakeholder müssen eingebunden werden, in einem kontinuierlichen Organisationsentwicklungsprozess, orientiert an den Bedürfnissen der Forscher und an den ständigen Veränderungen in dem Umfeld."
Wissenschaftsstandort Deutschland attraktiver machen
Karen De Bruyne unterstreicht, dass es neben Wirtschaftlichkeit auch um Nachhaltigkeit des Wissens und der Ressourcen geht. Mit Core Facility werde eine "Optimierung der Forschungsprozesse erreicht, die Forschungsmöglichkeiten durch die Förderung der Zusammenarbeit und des methodischen Informationsaustausches verbessert und die wissenschaftliche und methodische Qualität durch interne und externe Evaluation gesichert."
Die Attraktivität eines Forschungsstandorts werde durch die Bereitstellung von High-End-Forschungsgeräten, methodischem Fachwissen und Forschungsserviceleistungen deutlich vergrößert. "Insgesamt tragen Core Facilities erheblich dazu bei, den Forschungsstandort Deutschland sowohl national als auch international attraktiver zu machen, indem sie die Voraussetzungen für Spitzenforschung schaffen, die Zusammenarbeit fördern, Ressourcen optimieren und die Entwicklung von Wissenschaftlern unterstützen", so Karen De Bruyne. Core Facilities sind innerhalb weniger Jahre zu einem wichtigen Bestandteil der Hochschulorganisation geworden – sowohl in Deutschland als auch international.