Eine junge Frau sitzt in ihrem Wohnzimmer und meditiert.
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Psychologie
Negative Effekte von Mindfulness-Übungen

Sind Achtsamkeitsübungen wirklich so harmlos, wie sie scheinen? Eine neue Studie analysiert und quantifiziert auftretende negative Nebenwirkungen.

27.05.2021

Achtsamkeitsmeditationen gelten seit einigen Jahren als eine Möglichkeit, Linderung zu schaffen bei Angstzuständen, Depressionen, Stresserfahrungen und ähnlichen Beschwerden. Dabei sollen sie eine mit klassischen psychiatrischen Therapien vergleichbare Wirkung zeigen. Mögliche negative Nebenwirkungen sind bisher allerdings nicht verlässlich erforscht, wie eine an der Brown University durchgeführte neue Studie beschreibt. Dabei stellten die Forschenden fest, dass unangenehme Erfahrungen im Zusammenhang mit der Achtsamkeitsmeditation zu erwarten seien. Die Achtsamkeitsmeditation stellt insofern keine Ausnahme dar, sondern ähnelt beispielsweise der traditionellen Psychotherapie.

Die Studienautorinnen und Studienautoren berücksichtigen neue Kriterien bei der Beurteilung der Signifikanz der Nebenwirkungen von drei unterschiedlichen Programmen, die auf Achtsamkeitsmeditation beruhten. Negativ bewertete Nebenwirkungen seien von 58 Prozent der 96 Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichtet worden, negative Funktionseinschränkungen von 37 Prozent. Die negativen Erfahrungen seien bei sechs bis 14 Prozent der Befragten von längerer Dauer (mehr als ein Tag bis konstant anhaltend) gewesen.

In klinischen Tests absolvierten die Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer drei unterschiedliche achtwöchige Mindfulness-Programme. Das erste Programm habe Meditationen beinhaltet, bei denen sich die Aufmerksamkeit auf ein einzelnes Objekt fokussieren sollte, zum Beispiel auf ein Mantra. Ein weiteres Programm habe mit dem offenen Gewahrsein gearbeitet, einer Meditation, bei der sich die Teilnehmenden auf nichts Konkretes konzentrieren sollten und alle Erfahrungen zugelassen seien. Ein drittes Programm habe diese beiden Meditationsformen gemischt. In allen Programmen seien negative Nebenwirkungen aufgetreten. Allerdings hätten auch alle Programme zu Verbesserungen bei den ursprünglichen Beschwerden vieler Teilnehmerinnen und Teilnehmer geführt.

Am häufigsten als negative Nebenwirkung angegeben worden seien das traumatische Wiedererleben von Erfahrungen, ebenso wie Angstzustände oder Panik. In 62 Prozent der Fälle von negativen Erfahrungen hätten Teilnehmerinnen und Teilnehmer sie einer besonderen Übung oder Praxis zuschreiben können. Die Mindfulness-Meditationen arbeiten laut den Studienautorinnen und Studienautoren einerseits mit einer Steigerung der körperlichen Wahrnehmung und der Aktivierung der Großhirnrinde, worauf sie die vermehrten Erfahrungen von Angst, Panik und Flashbacks zurückführten. Außerdem gehöre ein inneres Abstandnehmen von der körperlichen Erfahrung zur Meditationspraxis, womit die Forschenden die während ihrer Studie ebenfalls beobachteten negativen Gefühle der Entkörperlichung, der emotionale Abstumpfung und Dissoziation in Verbindung brachten.

Bei bisherigen Studien zu Achtsamkeitsmeditation seien Nebenwirkungen nur selten berücksichtigt worden und es habe keine klaren Kriterien zu ihrer Einschätzung gegeben. So hätten Institutionen, aber auch die Anbieter von mobilen Apps Übungen verbreitet, ohne ausreichend über potentielle Gefahren informiert zu sein.

cpy