Ein großer Forschungsreaktor mit roten Lichtringen ist zu sehen.
UKAEA

Fusionsforschung
Neuer Weltrekord in der Kernfusion in Großbritannien

Ein Europäisches Gemeinschaftsexperiment erzielt Energierekord bei der Verschmelzung von Atomkernen. Deutschland auch beteiligt.

09.02.2024

Einem europäischen Forschungsteam ist bei einem Fusionsexperiment am Forschungsreaktor Jount European Torus (JET) in Großbritannien ein neuer Weltrekord bei der Energieerzeugung gelungen: Bei der Verschmelzung von Atomkernen wurden aus 0,2 Milligramm Brennstoff 69 Megajoule (MJ) Fusionsenergie erzeugt. Das ist die größte Energiemenge, die in einem Fusionsexperiment je erreicht wurde. Für die gleiche Energiemenge hätte es etwa zwei Kilogramm Braunkohle gebraucht – also rund zehn Millionen Mal so viel, heißt es in einer Mitteilung des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Garching. "Dieser Weltrekord ist eigentlich ein Nebenprodukt. Er war nicht aktiv geplant, aber wir haben darauf gehofft", erklärt IPP-Forscherin Dr. Athina Kappatou, die bei JET, an dem mit Deutschland und Großbritannien weitere europäische Länder beteiligt sind, arbeitete. 

"Dieser Weltrekord ist eigentlich ein Nebenprodukt. Er war nicht aktiv geplant, aber wir haben darauf gehofft."
IPP-Forscherin Dr. Athina Kappatou, Jount European Torus

"In dieser experimentellen Kampagne ging es hauptsächlich darum, die verschiedenen Bedingungen zu erreichen, die für ein späteres Kraftwerk notwendig sind, und so realistische Szenarien zu testen", so die Wissenschaftlerin Kappatou, "ein positiver Aspekt war aber, dass auch die Experimente von vor zwei Jahren erfolgreich reproduziert und sogar übertroffen werden konnten." Der lag bei 59 MJ – Forschung & Lehre berichtete. Fusionskraftwerke sollen nach dem Vorbild der Sonne leichte Atomkerne verschmelzen, um damit aus sehr geringen Brennstoffmengen gewaltige Energiemengen für die Menschheit nutzbar zu machen. Also wetterunabhängig und klimafreundlich Strom erzeugen. Die Kernfusion hat also ein enormes Potenzial, doch der Weg ist noch weit. Denn die bei JET freigesetzte Energie ist nur rund ein Drittel dessen, was zuvor aufgewendet werden musste, um die Fusion in Gang zu bringen. 

Fusionstechnologie noch nicht da, wo sie hinwill 

Tatsächlich ist laut dem IPP ein "Energiegewinn" physikalisch mit JET und allen anderen derzeitigen Magnetfusionsexperimenten weltweit nicht möglich. Sie wird gemessen anhand der Neutronen, die als Fusionsprodukte aus dem Plasma kommen. In einem Kraftwerk lässt man die Neutronen auf die Reaktorwand prasseln, um diese aufzuheizen – und nutzt deren Wärme für die bekannte Technik aus Dampfturbine und Generator. Es gibt also allerhand Verluste, bis Strom in die Leitungen kommt. Die Fusionstechnologie muss noch besser werden, um einen echten Energiegewinn zu erzielen und die Fusionsanlagen müssen eine bestimmte Größe überschreiten. Das soll bei der internationalen Fusionsanlage ITER, die derzeit in Südfrankreich gebaut wird, so sein sowie beim geplanten europäische Demonstrationskraftwerk DEMO. 

Damit hat JET seinen Dienst getan, denn an der Anlage soll nicht weiter an der Kernfusion geforscht werden. Die Forschungsmittel gehen verstärkt in andere auch deutsche Großexperimente, wie das SDEX Upgrade in Garching und Wendelstein 7-X in Greifswald, beides betrieben vom IPP. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) hatte bereits im Herbst angekündigt, bis 2028 mehr als eine Milliarde Euro in die Fusion zu investieren. Das Ministerium hält daran fest, seine langjährige Förderung der Fusionsforschung auszubauen und mit seinem neuen Förderprogramm ein Fusionsökosystem mit der Industrie zu schaffen, damit ein Fusionskraftwerk in Deutschland schnellstmöglich Wirklichkeit werden kann. So gratulierte auch Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger den Forschenden und sagte: "Der Rekord zeigt: Die Fusion wird kommen. Sie ist eine riesige Chance und Zukunftsenergie."

kfi