Forschende in Schutzanzügen führen Wartungsarbeiten an der National Ignition Facility (NIF) durch.
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Fusionsforschung
US-Forschende berichten von Durchbruch bei Kernfusion

Eine Kernfusion, bei der mehr Energie freigesetzt als verbraucht wurde: Von diesem wissenschaftlichen Meilenstein berichten Forschende aus den USA.

13.12.2022

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) haben einen historischen Durchbruch auf dem Feld der Kernfusion erzielt. Forscherinnen und Forschern ist im Auftrag der US-Regierung erstmals eine Kernfusion gelungen, bei der mehr Energie gewonnen als verbraucht wurde. Dieses auf vorläufigen Daten basierende Resultat ist ein Meilenstein auf dem Weg zur Erschließung einer neuen Energiequelle, die möglicherweise eines Tages klimaneutral und sicher Strom in riesigen Mengen erzeugen könnte. Allerdings dürfte es bis zur kommerziellen Nutzung des Verfahrens wegen weiterhin großer technischer Hürden noch ein weiter Weg sein.

Die US-Energieministerin Jennifer Granholm stellte die in der National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in Kalifornien erzielten Ergebnisse am Dienstagnachmittag offiziell vor. Sie nannte es "eine der beeindruckendsten wissenschaftlichen Leistungen des 21. Jahrhunderts" und einen "Meilenstein" in der Kernfusion, der in die Geschichtsbücher eingehen werde. Das Experiment war der US-Regierung zufolge am 5. Dezember gelungen.

Schon vor knapp einem Jahr waren Fortschritte bei der Kernfusion an dem Institut verkündet worden. Dabei sei die Zündung des Plasmas erreicht worden, berichtete ein Forschungsteam Anfang des Jahres in der Fachzeitschrift "Nature". Dies führt letztlich dazu, dass die Fusionsreaktion sich selbst erhält. Im Kernfusionsreaktor liegt der Brennstoff in Form von Plasma vor – dieser Aggregatzustand entsteht, wenn man ein Gas extrem erhitzt.

Ist die Kernfusion als neue Energiequelle geeignet?

Sowohl Kernkraft als auch Kernfusion gewinnen Energie aus den Bindungskräften von Atomkernen. Bei der Kernkraft werden jedoch große Atome gespalten, es entsteht unter anderem radioaktiver Abfall und es drohen schwere Unfälle. Bei der Kernfusion hingegen werden kleine Atomkerne zu größeren verschmolzen, also fusioniert. Diese Technologie gilt als sauber und sicher. Diese Energiegewinnung ähnelt den Vorgängen in Sternen wie der Sonne.

Was passiert bei einer Kernfusion?

Bei der Kernfusion werden kleine Atomkerne miteinander verschmolzen – fusioniert –, dabei wird Energie frei. In irdischen Fusionsreaktoren werden die Kerne der Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium zu Heliumkernen verschmolzen. Deuterium und Tritium werden auch schwerer und überschwerer Wasserstoff genannt. Während gewöhnliche Kerne von Wasserstoff-Atomen nur ein Proton enthalten, hat Deuterium zusätzlich noch ein Neutron, Tritium sogar zwei Neutronen. Heliumkerne haben zwei Protonen und zwei Neutronen.

Normalerweise verhindert die Abstoßung gleichnamiger Ladungen – hier der positiv geladenen Protonen – die Vereinigung zu einem gemeinsamen Atomkern. Erst extrem hohe Temperaturen geben den Kernteilchen so viel Energie, dass sie beim Zusammenprall die Abstoßungsbarriere überwinden und fusionieren. Bei dieser Fusion entstehen freie hochenergetische Neutronen. Deren Energie in Form von Wärme würde bei einem Fusionskraftwerk Wasser erhitzen, der Wasserdampf eine Turbine antreiben – wie bei anderen Kraftwerken auch.

Allerdings müssen bei der Kernfusion Temperaturen von etlichen Millionen Grad erreicht werden. Das macht die technische Nutzung sehr schwierig – und deshalb gibt es bislang auch keinen Reaktor, mit dem mehr Energie gewonnen wurde als zur Aufheizung des Plasmas hineingesteckt worden war.

Die Forschenden in Kalifornien nutzten für ihre Experimente die weltstärkste Laseranlage, um winzige Mengen von schwerem und überschwerem Wasserstoff (Deuterium und Tritium) in ein Millionen Grad heißes Plasma zu wandeln und zu Heliumkernen zu verschmelzen. Dabei erhitzen knapp 200 Laserstrahlen das Innere eines wenige Millimeter großen Behälters.

Gesamtbilanz der Fusion bleibt negativ

Bei dem Experiment wurde allerdings – wie in der physikalischen Forschung üblich – nur die Energiebilanz des Plasmas selbst angegeben, nicht aber die Gesamtbilanz. Dabei wird zum Beispiel nicht berücksichtigt, wie viel Strom in die Laser geflossen ist. Für eine künftige Stromerzeugung durch Kernfusion ist entscheidend, dass die Gesamtbilanz der Fusion positiv ist – was sie weiterhin bisher noch längst nicht ist. Derzeit benötige die Anlage etwa 300 Megajoule Energie, um zwei Megajoule Laserenergie zu liefern, die drei Megajoule Fusionsausbeute erzeugten, sagte die LLNL-Direktorin Kimberly Budil.

Professorin Sybille Günter vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching kommentierte gegenüber dem Science Media Center (SMC) die Effizienz der Kernfusion als Energiequelle: Es sei schwierig, den Wasserstofftropfen homogen zu bestrahlen. Die Forschenden am NIF hätten deshalb einen sogenannten Hohlraum verwendet, in dem die Laser erst auf eine Wand schießen und dort Röntgenstrahlung erzeugen, die dann sehr homogen sei. "Für ein Kraftwerk ist das vermutlich zu ineffizient, dort muss man direkt bestrahlen", so Günter. Diese und viele andere technologische Fragestellungen müssten noch geklärt werden, bevor man an den Bau eines Kraftwerks denken könne.

Zweifel hinsichtlich der künftigen Verwendung der Fusionsenergie in einem Kraftwerk äußerte auch Dr. Klaus Hesch, Sprecher des Fusions-Programms des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Es bliebe die Frage, wie reproduzierbar dieser erste Erfolg tatsächlich sei und wie kontrolliert die Reaktion ablaufe, sagte er gegenüber dem SMC. "Hinzu kommt, dass die Fusionsenergie thermisch anfällt, also erst mit einem entsprechenden Faktor in elektrische Energie umgewandelt werden muss", bevor sie als Energiequelle genutzt werden kann.

zuletzt aktualisiert am 13.12.2022 um 18.06 Uhr, zuerst veröffentlicht um 10.20 Uhr

dpa/cpy/ckr