Petrischale
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Ethikrat-Vorsitzender Prof. Dr. Peter Dabrock
Weltbehörde soll Forschung mit Gen-Schere überwachen

Die Gen-Schere Crispr-Cas9 erleichtert Eingriffe in die DNA deutlich. Dies dürfe nicht alleine Wissenschaftlern überlassen bleiben, so die Forderung.

24.05.2018

Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Professor Dr. Peter Dabrock, hat sich für eine internationale Institution zur Kontrolle des Einsatzes der Gen-Schere Crispr-Cas9 und ähnlicher Methoden ausgesprochen. Dabrock warnte davor, das neue Werkzeug der Gentechnik unkontrolliert für Veränderungen in der menschlichen Keimbahn einzusetzen. "Das ist ein Menschheitsthema, das man nicht alleine den Wissenschaftlern überlassen darf." Es sollte vielmehr "ein internationales Beobachtungsverfahren, eine Institution, geben, die diesen Prozess begleitet. Also etwas wie die Atomenergiebehörde in Wien", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview.

Mit der Crispr-Cas9-Methode lassen sich zielgenau und einfach Änderungen an den Erbinformationen vornehmen. Die Methode wird zwar erst seit einigen Jahren angewandt. Doch bei Pflanzen und Tieren sind die Forscher schon recht weit. Einige Länder schreiten auch in Richtung Anwendung am Menschen voran.

"Wir sehen, dass in der Forschung, gerade im Bereich der Medizin, intensiv mit der Gen-Schere gearbeitet wird. Das kommt einer Goldgräberstimmung gleich", erläuterte der Theologe, der als Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg tätig ist. Milliarden an Forschungs- sowie Investitionsgeldern würden in die Forschung mit Crispr-Cas fließen. "Wenn man hört, was in den wissenschaftlichen Communities debattiert wird, würde ich mich nicht wundern, wenn auf chinesischer Seite in den nächsten Jahren bereits das erste genmanipulierte Baby geboren wird."

Bereits 2017 hatte der Ethikrat eine Empfehlung an die Bundesregierung und den Bundestag veröffentlicht, in der eine internationale Konferenz vorgeschlagen wird – ähnlich wie die Klimakonferenzen. Außerdem bereitet das Expertengremium eine Stellungnahme zu möglichen Eingriffen mit der Gen-Schere in die menschliche Keimbahn vor. "Wir hoffen, dass wir allerspätestens Ende des Jahres damit fertig sind", sagte Dabrock.

Crispr/Cas: Langfristige Folgen nicht abzuschätzen

Der Ethikrat-Vorsitzende geht davon aus, dass es schwierig sein werde, eine einheitliche Position über Crispr-Cas9 in der Welt zu finden, doch sei eine Reflektion über die Methode essenziell. "Bei der neuen Technik geht es um unsere biologische Grundlage als Mensch", betonte er im dpa-Interview. Man müsse sich die Frage stellen, welches Risiko man bereit sei einzugehen für sich, die eigenen Kinder, die Kindeskinder.

"Wenn Sie der Auffassung sind, in der zweiten oder dritten Generation könnten noch gravierende gesundheitliche Schäden auftreten, die wir in der ersten Generation, an der die Manipulation durchgeführt wurde, nicht sehen, dann müssten Sie eigentlich sagen: Das Risiko ist zu groß, denn das wäre ein unverantwortlicher Menschenversuch. Oder Sie sagen: Nein, das ist ein relativ unwahrscheinliches Risiko, das können wir eingehen." Darüber müsse man miteinander ringen und versuchen, gemeinsam Standards zu entwickeln.

Der Aufstieg der Gen-Schere Crispr-Cas9 begann 2012. Damit können auch gezielt und schneller als bisher Pflanzen mit gewünschten Eigenschaften gezüchtet werden. Ob so entwickelte Organismen und Lebensmittel daraus von den Behörden wie klassische Gentechnik eingestuft werden sollen, dazu wird derzeit ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erwartet. In den USA dürfen Züchtungen mit Crispr/Cas derzeit ohne spezielle Kennzeichnung in den Handel. "Ich sehe im Bereich Landwirtschaft kurz- bis mittelfristig sehr interessante Entwicklungen", sagte Dabrock über das Potenzial der Technik. Auch im Feld der Medizin gebe es viele Möglichkeiten.

dpa/kas