Das Bild zeigt eine Frau am Laptop, die ein Baby betreut.
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Eltern in der Wissenschaft
"Das 'Etikett Mutter' ist ein Nachteil"

Lassen sich Care-Arbeit und Hochschulkarriere vereinbaren? Zum Weltelterntag spricht "F&L" mit dem Netzwerk "Mutterschaft und Wissenschaft".

Von Henrike Schwab 31.05.2024

Alles begann mit einem Buch: Ende 2021 gründeten Dr. Lena Eckert und Dr. Sarah Czerney das Netzwerk "Mutterschaft und Wissenschaft" als Reaktion auf das starke Echo, das ihr 2020 erschienenes Buch mit Erfahrungsberichten von Müttern im Wissenschaftsbetrieb hervorgerufen hatte. Seitdem erfährt das Netzwerk große mediale Aufmerksamkeit – und steten Zulauf von neuen Mitgliedern. Weil Care-Arbeit die Grundlage der Gesellschaft darstelle, betreffe die Problematik jedoch nicht nur Mütter. Das Netzwerk wendet sich ausdrücklich auch an Väter und andere Elternteile sowie an alle weiteren Unterstützenden, betonen die Gründerinnen: "Die lebensfeindlichen, ungesunden und wettbewerbsorientierten Strukturen des derzeitigen Wissenschaftsbetriebs müssen sichtbar gemacht und verändert werden!"

Zu diesem Zweck betreibt das Netzwerk Forschung, etwa durch die Durchführung einer Umfrage zu diskriminierenden Strukturen bei Drittmitteleinwerbungen, macht die Erfahrungen von Müttern in der Wissenschaft auf Social-Media-Plattformen sichtbar und bietet Vernetzungstreffen, Workshops und Beratungen an. Das Grundproblem liege in dem ideologisch aufgeladenen und idealisierten Bild der Mutter: "Das 'Etikett Mutter' ist ein Nachteil in einem Betrieb, der von seinen ebenfalls idealisierten Wissenschaftler*innen eine hundertprozentige Hingabe verlangt", so Lena Eckert. "Zudem hält sich der Mythos der Bestenauslese hartnäckig, obwohl es eigentlich eine 'Privilegiertenauslese' ist, die aktuell in Deutschland betrieben wird." Eckert verweist beispielsweise auf Australien, wo bei der Leistungsbewertung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern das "Achievement relative to opportunity" berücksichtigt werde.

Kita und Corona

Problematisch sei insbesondere der Mangel an Kitaplätzen. Gremienarbeit würde oft zu wenig familienfreundlichen Zeiten stattfinden. "Professuren werden kaum in Teilzeit besetzt und Sorgearbeit wird generell nicht als Arbeit anerkannt", bemängeln die Netzwerk-Gründerinnen. Außerdem machen sie darauf aufmerksam, dass die längst in Vergessenheit geratene Corona-Pandemie einen langen Schatten wirft: "In der Pandemie war es insbesondere Müttern nicht möglich so zu arbeiten, wie sie wollten." Darum sei davon auszugehen, "dass weniger Menschen mit Sorgeverpflichtung (während der Pandemie) in den kommenden Jahren berufen werden".

Das Netzwerk fordert deswegen insbesondere eine Anerkennung von Care-Arbeit – und Nachteilsausgleiche für pandemiebedingte Karriereverzögerungen bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit Kindern. Es sei "dringend notwendig, das Thema unbezahlte Sorgearbeit als Leitungs- und Querschnittsthema in alle Stellenbesetzungen und Berufungsverfahren aufzunehmen und die Sorgefeindlichkeit des Wissenschaftsbetriebs abzuschaffen!" Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) und seine geplante Novellierung sieht Eckert kritisch: "Befristungen verhindern eine entspannte Familienplanung. Außerdem wird hier der Fehler im System überhaupt nicht betrachtet: Statt Lebenszeit müsste Arbeitszeit berechnet werden, das heißt es müssten Teilzeit-Zeiten berücksichtigt werden."

 

"Mutterschaft und Wissenschaft in der Pandemie"

2022 erschien ein weiteres Buch von Sarah Czerney, Lena Eckert und Silke Martin zum Thema, das sich mit der "(Un-)Vereinbarkeit zwischen Kindern, Care und Krise" beschäftigt. Erfahrungsberichte aus dem Wissenschaftsbetrieb verdeutlichen, dass sich die prekären Bedingungen während der Pandemie noch zugespitzt haben.