Illustration eines Karriereweges mit verschiedenfarbigen Treppenabschnitten und Pfeilen
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Tenure-Track-Professur
Das wiederholte Versprechen des Tenure Tracks

Auf einem planbaren Karrierepfad früher selbstständig werden – das ist erklärtes Ziel der Tenure-Track-Professur. Ein kritischer Blick auf diesen Weg.

Als "außerordentlich gewagt" qualifizierte Max Weber schon vor über einhundert Jahren, wenn sich junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler "den Bedingungen der akademischen Laufbahn aussetzen." Sie müssten "mindestens eine Anzahl von Jahren aushalten können," ohne zu wissen, ob sie Chancen haben, "in eine Stellung (einzurücken), die für den Unterhalt ausreicht." Diese Unsicherheit wird bis heute beklagt, seit einigen Jahrzehnten rubriziert sie unter dem Begriff "mangelnde Planbarkeit". Eng mit dieser ist verknüpft, dass Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wis­senschaftler oftmals, viel zu oft, in Abhängigkeit forschen: abhängig vom Forschungsprofil der Professur, an der sie beschäftigt sind, abhängig vom Labor oder der Arbeitsgruppe, in dem oder der sie tätig sind, abhängig davon, für welche Themen sich erfolgsversprechend Drittmittel zur Finanzierung der eigenen Stelle einwerben lassen. Ein eigenes Forschungs- und Lehrprofil – die zentrale Anforderung für Berufungen – lässt sich unter diesen Bedingungen nur schwerlich entwickeln.

Versuche und Reformen der Karrierewege

Es gab und gibt viele Versuche, diese Probleme und Widersprüche auf dem Weg zur Professur wenigstens zu reduzieren oder sichere Nebenwege zu schaffen. Zu letzteren gehören insbesondere die vielen Initiativen der Forschungsförderorganisationen wie Emmy Noether, ERC Starting oder Freigeist, um besonders prominente Programme aufzuzählen. Sie sind außerordentlich hilfreich, Schwierigkeiten bis zur Berufung zu überbrücken. Aber die wissenschaftspolitische Verantwortung, früher wissenschaftliche Selbstständigkeit und eine besser planbare akademische Laufbahn zu ermöglichen, kann nur durch die Schaffung dazu geeigneter wissenschaftlicher Stellen eingelöst werden. Die Wissenschaftspolitik stellt sich seit Jahrzehnten wiederholt dieser Aufgabe, indem vorhandene Personalkategorien durch neue ersetzt werden – bislang jedoch mit mäßigem Erfolg. So wurde mit dem Hochschulrahmengesetz von 1976 die Hochschulassistenz eingeführt, die keinem Lehrstuhl zugeordnet war, um selbstständige Forschung, wie für die Habilitation erforderlich, zu garantieren – was allerdings seltener glückte als erhofft. Knapp zehn Jahre später, im Jahr 1985, wurde die wissenschaftliche Assistenz (C1) geschaffen, die weisungsgebunden zu einer Professur gehörte, wovon man sich ein besseres Betreuungsverhältnis beim Habilitieren versprach. Diese beiden Personalkategorien setzten die Habilitation für eine Berufung voraus und richteten diesem Gebot gemäße Stellen ein.

Die nächste Reformnovelle im Jahr 2002 brach mit dieser Traditionslinie, als sie die Juniorprofessur (W1) einrichtete. Diese Personalkategorie war nicht mehr auf den Erwerb der Habilitation ausgerichtet. Stattdessen sollten die wissenschaftlichen Leistungen der Juniorprofessorinnen und -professoren zwei Mal innerhalb der sechsjährigen Laufzeit evaluiert werden und nach positiver Endevaluation sollten diese eine entfristete Professur erhalten. Hier setzte man nicht mehr darauf, die Berufungsfähigkeit auf eine Professur zu unterstützen, sondern versuchte, die neue Personalkategorie an die Hierarchie der Lebenszeitprofessuren anzugliedern. Die Bilanz zur Juniorprofessur fällt zwiespältig aus: Sie wurde im Allgemeinen nicht wie wissenschaftspolitisch intendiert eingerichtet, denn nur selten wurde der Übergang auf eine entfristete Anschlussprofessur vorgesehen und ein Drittel der Juniorprofessorinnen und -professoren habilitierten sich trotzdem, um ihre Berufungschancen zu erhöhen. Als neue Personalkategorie ist die Juniorprofessur gescheitert. Aber: Ein Großteil der Juniorprofessorinnen und -professoren hat die Strecke auf eine Lebenszeitprofessur nach einem traditionellen Berufungsverfahren erfolgreich beschritten.

Die Tenure-Track-Professur – eingeführt im Jahr 2017 – versucht, Mängel der Juniorprofessur zu beseitigen. Am wichtigsten ist dabei, dass positiv evaluierte Tenure-Track-Professorinnen und -Professoren eine entfristete W2- oder W3-Professur an derselben Universität erhalten. Die Evaluationsziele werden vor der Berufung festgelegt, sodass die Berufungskommissionen zu Beginn der Verfahren wissen, welche Kriterien die Kan­di­datin­nen und Kandidaten zu erfüllen haben, damit die Professur entfristet wird. Auch die berufenen Tenure-Track-Professorinnen und -Professoren wissen mit Antritt der Stelle, welche Leistungen ihnen eine Lebenszeitprofessur garantieren. Insgesamt rückt die Tenure-Track-Professur noch ein Stück näher an die Lebenszeitprofessur heran.

Tenure-Track-Professur im Gesamtgefüge ­verankern

Wir haben diese lange Erzählung vorausgeschickt, weil sich daraus lernen lässt, welche Hemmnisse und Barrieren zu überwinden sind, um die Einführung der Tenure-Track-Professur mit größeren Erfolgschancen auszustatten. Eine weitere Quelle für unsere nachfolgenden Überlegungen ist eine Begleitforschung, die wir an der Leibniz Universität Hannover zur Einführung des Tenure-Track-Verfahrens durchführen.

"All diese Novellierungen haben immer nur die Personalkategorie neu ausgestaltet."

Die kurze Revue von den 1970er Jahren bis zur Schaffung der Tenure-Track-Professur zeigt, dass all diese Novellierungen immer nur die Personalkategorie reformiert beziehungsweise neu ausgestaltet haben, die für den wissenschaftlichen Nachwuchs vorgesehen war, um auf eine Professur zu gelangen. Es handelt sich jedoch keineswegs bloß um ein Problem des Nachwuchses oder um Widersprüche, mit denen sich dieser allein auseinanderzusetzen hat. Vielmehr ist die gesamte Personalstruktur der Universitäten zu adressieren, immerhin geht es um die Rekrutierung der wichtigsten Personalgruppe. Für die Tenure-Track-Professur als neue Personalkategorie heißt dies, dass sie im Gesamtgefüge der Personalstruktur institutionell zu verankern ist, insbesondere ist sie in die Professorenschaft einzugliedern. Formal gehört sie dieser an, aber erfahrungsgemäß folgt die Praxis im Allgemeinen nicht sogleich und vorbehaltlos formalen Anordnungen. Für die erfolgreiche Etablierung der Tenure-Track-Professur wird deshalb wesentlich sein, dass sich die Gruppe der (Lebenszeit-)Professorinnen und -Professoren mit den Rechten und Pflichten der Neuberufenen befasst, speziell mit deren Evaluation, und wie sie sich dazu verhält. Denn: Eingliederung setzt die Bewegung aller voraus.

Wer ist berufungsfähig?

Eine weitere Lehre aus den bislang wenig geglückten Reformerfahrungen besteht darin anzuerkennen, dass die verschiedenen Fächer unterschiedliche Vorstellungen von Berufungsfähigkeit haben: Manche erwarten eine Habilitation mit einem "zweiten Buch", andere dagegen einen Kumulus bestehend aus Aufsätzen, weitere sehen Praxiserfahrungen in der Industrie für essenziell an, wieder andere verlangen von den Kandidatinnen und Kandidaten internationale Publikationen und Kooperationen und betrachten eine Habilitation für überflüssig.

"Es ist anzuerkennen, dass die verschiedenen Fachgemeinschaften am besten wissen, welche Qualifikationen und Anforderungen wichtig sind."

Hierbei ist zweierlei wichtig: Erstens sollten die unterschiedlichen Vorstellungen nicht entlang von althergebracht oder up-to-date bewertet werden. Vielmehr ist anzuerkennen, dass die verschiedenen Fachgemeinschaften am besten wissen, welche Qualifikationen und Anforderungen wichtig sind. Zweitens ergibt sich daraus, dass je nachdem, wie stark die ­Tenure-Track-Professur dem in den Fächern anerkannten Rekrutierungsweg ähnelt beziehungsweise sich davon unterscheidet, eine kleine beziehungsweise eine große Bewegung der Gruppe der Professorinnen und Professoren erforderlich ist, um die neue Personalkategorie dauerhaft erfolgreich einzurichten.

Professuren institutionell eingliedern

Dies gilt auch für einen dritten Punkt: die institutionelle Eingliederung. Dort, wo Professuren eine zentrale Organisationseinheit bilden, stellt sich die Frage einer angemessenen und förderlichen Einpassung ganz anders als dort, wo Institute oder Departments diese Aufgaben organisieren. Besonders virulent ist dieser Punkt, wenn für die Forschung technische und räumliche Ausstattung benötigt wird, die vermutlich selten mit der Berufung auf einen Tenure Track zugesagt wird, da vor der positiven Evaluation nicht sicher ist, ob die Professuren entfristet werden.

Die Tenure-Track-Professur soll neben besserer Planbarkeit auch die Gelegenheit zu früher wissenschaftlicher Selbstständigkeit geben. Hierfür ist entscheidend, sich selbst Forschungs- und Lehrziele setzen zu können, zum Beispiel hinsichtlich der Forschungsfragen, die man zu bearbeiten plant, neuer Lehrinhalte, die in die Studiengänge integriert werden sollen, der vertiefenden und neu aufzubauenden wissenschaftlichen Kooperationen, der Publikationsorte und der Anzahl der Veröffentlichungen, die man sich vornimmt, und nicht zuletzt hinsichtlich dessen, welche Drittmittel von welchen Forschungsförderorganisationen einzuwerben man sich bemühen wird, um all diese Ziele zu erreichen. Die Tenure-Track-Professorinnen und -Professoren sind jedoch damit konfrontiert, dass die Evaluationsziele, die sie für eine positive Begutachtung und damit für die Erlangung einer Lebenszeitprofessur zu erfüllen haben, schon mit der Stellenausschreibung – also ohne sie – festgelegt wurden. Wenn sie Glück haben, stimmen diese weitgehend mit ihren eigenen überein oder lassen sich mit diesen vereinbaren. Wenn nicht, geraten sie in einen Zwiespalt, den sie nach unserer Erfahrung so zu lösen versuchen, dass sie beide Zielsetzungen verfolgen. Unabhängig davon, welche Zielkonstellation jeweils für sie zutrifft, ob auf diese Weise wissenschaftliche Selbstständigkeit gegeben ist, könnte man hinterfragen.

In ein paar Jahren wissen wir, wie erfolgreich die Implementierung der Tenure-Track-Professur war, ob sie dauerhaft etabliert und wie sie in die Professorenschaft aufgenommen wurde. Kurz: ob und was sie bewegt hat. Falls dann eine weitere Reform in Angriff genommen wird, wäre unser Vorschlag, bei dieser von der alleinigen Ausrichtung auf die Professur abzurücken und stattdessen zusätzlich auf entfristete Stellen neben dieser Personalkategorie zu setzen, die genauso erstrebenswert und prestigereich sind.