Frau legt Füße hoch und streckt sich an ihrem Schreibtisch, der voller Papierarbeit liegt
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Urlaub
Entspannt zurück in den Alltag

Kaum ist der Urlaub vorbei, stapeln sich die Aufgaben. Wie gelingt die Rückkehr in den beruflichen Alltag? Fragen an eine Arbeitspsychologin.

Von Claudia Krapp 23.08.2019

Forschung & Lehre: Wie lange dauert es nach dem Urlaub bis Arbeitsroutinen wieder greifen und wir wieder "up-to-date" sind?

Anja Gerlmaier: In der Regel braucht man ein bis zwei Tage, um sich wieder in die Arbeit einzufinden. Das hängt jedoch stark davon ab, wie tief man in Aufgaben drinsteckt, wie man sich die ersten Arbeitstage nach dem Urlaub organisiert und wie die Kolleginnen und Kollegen mit meiner Rückkehr aus dem Urlaub umgehen. Auch wenn ich mich während des Urlaubs nicht richtig erholen konnte, habe ich anschließend extrem schlechte Zugänge zu meiner Arbeit. Wenn man das Gefühl hat, müde und erschöpft aus dem Urlaub zu kommen, kann das auch ein Anzeichen einer chronischen Erschöpfungssituation sein. Man spricht dann auch von chronischer Erholungsunfähigkeit.

F&L: Was sollte man vermeiden, damit die Erholung nicht so schnell verpufft?

Anja Gerlmaier: Der schlimmste Fall wäre, unmittelbar nach dem Urlaub zu versuchen, seine 300 E-Mails abzuarbeiten, alle Kollegen, Kunden und Projektpartner anzurufen und direkt am ersten Tag mehrere Team-Meetings zu besuchen. Das wäre der Super-GAU. Besser wäre, sich die ersten ein oder zwei Tage durch die Sekretärin oder Kollegen verleugnen zu lassen und erst dann wieder Telefongespräche und Aufgaben anzunehmen. So kann man sich zumindest einige Störquellen erstmal vom Leib halten. Zu einem langsamen Einstieg in den Alltag gehört auch, falls möglich, in den ersten beiden Tagen nicht acht Stunden oder länger zu arbeiten, sondern maximal sechs. Mit Gleitzeit oder Vertrauensarbeitszeit ist das kein Problem. Das sollte man den Kolleginnen und Kollegen nur mitteilen. Eine kollektive Regelung für die Urlaubsrückkehr wäre natürlich noch besser.

"Zu einem langsamen Einstieg gehört auch, in den ersten beiden Tagen nicht acht Stunden zu arbeiten, sondern maximal sechs."

Viele Menschen wollen möglichst viel in den ersten Tagen nach dem Urlaub abarbeiten. Das funktioniert nicht besonders gut, da der Körper noch im Urlaubsmodus ist und man kognitiv gar nicht richtig in den Sachverhalten drin ist. Das ist ja aber genau das Kriterium für Erholung.

F&L: Was sollte die erste Handlung nach dem Urlaub sein?

Anja Gerlmaier: Man kann nicht sagen "erst die E-Mails" oder "erst alle Telefonate" abarbeiten, das ist individuell. Es hilft, Aufgaben nach Dringlichkeit und Bedeutsamkeit zu priorisieren. Dafür empfiehlt sich, Kollegen, Kunden oder Projektpartnern mittzuteilen, dass man frisch aus dem Urlaub kommt und die Dringlichkeit der Aufgaben zu hinterfragen.

F&L: Was kann ich während des Urlaubs tun, um mich richtig zu erholen?

Anja Gerlmaier: Ich rate davon ab, während des Urlaubs seine E-Mails zu checken. Das schränkt nachweislich die Erholungsqualität ein, weil man nicht von der Arbeit abschalten kann. Viele meinen dadurch eine gewisse Sicherheit zu haben, dass in der eigenen Abwesenheit nichts schief geht, aber tatsächlich ist man viel zu schnell wieder im Thema drin. Auch sollte man grundsätzlich nicht anbieten, im Urlaub erreichbar zu sein, weder telefonisch noch per E-Mail. Personen, die beruflich viel Stress haben, würde ich empfehlen, sich im Urlaub sportlich zu betätigen oder andere aktive Dinge zu tun, die den Adrenalinspiegel senken. Die Erholung vom reinen Hinlegen ist relativ gering. Eine Abwechslung aus Ruhe und Sport ist dabei viel sinnvoller für eine möglichst tiefe Erholung.

Portraitfoto von Dr. Anja Gerlmaier
Dr. Anja Gerlmaier ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Arbeitszeit und Arbeitsorganisation am "Institut Arbeit und Qualifikation" an der Universität Duisburg-Essen Florian Gerlmaier

F&L: Wie kann ich schon vor dem Urlaub die Grundlage für eine möglichst gute Erholung legen?

Anja Gerlmaier: Wenn Menschen ihre Tätigkeiten alleinverantwortlich ausüben, schränkt das die Erholungsmöglichkeiten häufig ein. Ich empfehle daher, Projekte von Anfang an auf mehrere Mitarbeiter zu verteilen, mit überlappenden Arbeitsaufgaben. Dann hat man im Urlaub auch einen echten Vertreter und keinen obligatorischen, der im Krisenfall gar nicht auskunftsfähig ist. Echte Teamarbeit wird oft sträflich ignoriert und das rächt sich dann, wenn es um Urlaub geht.

Ich rate auch, die Tage vor dem Urlaub vernünftig zu organisieren, sprich Aufgaben realistisch abzuarbeiten und nicht zu versuchen, alles wegzuschaffen. Häufig steigt der Stresspegel vor dem Urlaub durch zusätzliche kurz-vor-knapp-Meetings so an, dass viele in den ersten Urlaubstagen erstmal krank werden. Wenn man von einem hohen Adrenalinspiegel runterkommt, fährt nämlich auch das Immunsystem runter, was Krankheiten begünstigt. Besser ist es also frühzeitig zu planen, anfallende Arbeiten rechtzeitig und präventiv zu delegieren und das Arbeitsende ruhig anzugehen.

F&L: Welche Rolle spielen die Kolleginnen und Kollegen beim Thema Urlaub?

Anja Gerlmaier: Urlaub zu machen, setzt immer auch Planung voraus. Dabei spielt das Team und die Führungskultur eine entscheidende Rolle. Kollegen sollten die Rückkehrer nach dem Urlaub nicht direkt mit neuen Arbeitsaufgaben konfrontieren. Das ist eine Frage von gegenseitiger Rücksichtnahme und Selbstachtsamkeit. Viele sagen "der erste Tag ist der schlimmste Tag" – aufgrund ihrer Kollegen.

"Kollegen sollten die Rückkehrer nach dem Urlaub nicht direkt mit neuen Arbeitsaufgaben konfrontieren."

Es braucht klare Regeln, wie ein Team mit der Abwesenheit seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgeht. Darauf kann man Einfluss nehmen, aber am besten nicht nur beim Mittagessen klagen, sondern in Team-Meetings konkrete Vorschläge machen, sonst hat die Kritik keinen Effekt. Das Thema anzusprechen ist in der Regel auch gar nicht problematisch, da alle von Urlaubsregelungen betroffen sind und ein gemeinsames Interesse an Erholung haben.

F&L: Was ist die perfekte Urlaubslänge, um ausreichend abzuschalten?

Anja Gerlmaier: Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass es einen „Break-Even“-Punkt bei elf Tagen reiner Erholungszeit gibt, wonach jeder weitere Tag Urlaub die Erholung nicht weiter vertieft. Bei Fernreisen muss der Urlaub natürlich länger sein, schon allein wegen der körperlichen Strapazen. Der Körper benötigt etwa vier Tage für physiologische Umstellungsprozesse. Daher sind auch Kurzurlaube, etwa von Freitag bis Montag, weniger erholsam. Die Erholungszeit bemisst sich aber auch daran, wie beansprucht ich vor dem Urlaub war. Umso höher der Stress und die Erschöpfung vor dem Urlaub, desto länger braucht der Mensch, um sich zu erholen. Arbeit ist aber gar nicht immer Stress und Urlaub nicht immer Erholung. Das hängt auch sehr davon ab, mit wem und wie ich den Urlaub gestalte. Eine frühzeitige, ehrliche Planung verhindert Konflikte im Urlaub.