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Internationalisierung
Karrierewege und Bürokratie erschweren Integration

Deutschland ist eines der beliebtesten Länder für internationale Forschende. Das Einfinden in das Hochschulsystem ist für sie aber nicht immer leicht.

29.11.2023

Deutschland zieht nach Großbritannien die meisten internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an. Damit bleibt es einer der beliebtesten Forschungsstandorte weltweit. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Die beiden Organisationen haben die Herausforderungen untersucht, mit denen internationale Forschende auf dem Weg zur Professur an deutschen Hochschulen konfrontiert sind und Handlungsempfehlungen daraus abgeleitet. "Damit wollen wir einen Beitrag dazu leisten, internationale Talente besser auf ihrem Weg zur Professur zu begleiten und Wege und Möglichkeiten zu mehr Diversität bei den Professuren aufzeigen", sagte DAAD-Präsident Professor Joybrato Mukherjee.

Für die qualitative Studie "Internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an deutschen Hochschulen: Von der Postdoc-Phase zur Professur" befragten DAAD und DZHW internationale Nachwuchswissenschaftler, neuberufene internationale Professoren, sowie Hochschulleitungen und Hochschulbeschäftigte aus internationalen Bereichen. Rund 60.000 internationale wissenschaftliche Mitarbeitende waren 2021 an deutschen Hochschulen tätig, darunter etwa 3.700 Professorinnen und Professoren. Die Zahl der internationalen Beschäftigten unterscheidet sich deutlich zwischen Hochschularten: An Kunst- und Musikhochschulen liegt er bei rund 22 Prozent, an Universitäten bei etwa 11 Prozent und an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften bei etwa drei Prozent.

Hindernisse: Karrierewege, Fremdenfeindlichkeit und Bürokratie

"Deutschland ist ein hochattraktives Gastland für internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Ihr Anteil am gesamten Wissenschaftspersonal an deutschen Hochschulen steigt deshalb seit Jahren kontinuierlich an", sagt DAAD-Präsident Professor Mukherjee. Aber es gibt auch einige Herausforderungen. Hauptbarriere für eine schnelle Karriere sei, so die Befragten, die nicht ausreichenden Deutschkenntnisse. Hinzukomme, dass deutsche Hochschulen abseits der Forschung an einigen Stellen nicht genug auf die Bedürfnisse internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingestellt seien. Problematisch seien auch die als kompliziert wahrgenommenen Karrierewege, Bürokratie und Fremdenfeindlichkeit. All das erschwere, so die Befragten, einen Dauerforschungsaufenthalt in Deutschland.

Die Handlungsempfehlungen von DAAD und DZHW: Bessere Sprachkurse für internationale Forschende und die stärkere Etablierung von Mehrsprachigkeit an den Hochschulen. Zudem sollten die Wege zur Professur und die damit verbundenen Anforderungen transparenter dargestellt und Berufungsverfahren stärker international ausgerichtet werden. Dazu gehöre auch eine Unterstützung beim "Hineinwachsen" in die akademische Selbstverwaltung, die in vielen Ländern außerhalb Deutschlands wenig bekannt sei. Und da die Beratungen zu "Dual Career" für internationale Forschende sehr wichtig seien, sollten auch diese ausgebaut werden.

Frauen haben es besonders schwer bei der deutschen Wissenschaftskarriere

Die internationale Wissenschaftlerin Amalia Canes-Nápoles aus Kuba, die an der Universität Köln arbeitet und forscht steht gerade vor der Entscheidung, ob sie ihren wissenschaftlichen Weg zur Professorin an einer deutschen Hochschule weitergehen möchte oder nicht. Abhalten könnten sie die Herausforderungen. Dazu gehören laut ihr auch die deutsche Sprache und die unsicheren Arbeitsverträge für junge Forscher. "Letzteres ist für internationale noch kritischer, weil ihr Aufenthaltsrecht daran gebunden ist", erklärt Canes-Nápoles. Ein weiteres Hindernis, das vor allem Frauen betreffe seien die Alterserwartungen für den Promotionsabschluss. "Internationale Forscher benötigen meist mehr Zeit ihre Karriere in Deutschland zu absolvieren", sagt die Forscherin, "Forscherinnen müssen besonders auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie achten, wodurch sich ihre Eignung als Professorin verzögern kann." 

Als letzte Herausforderung, die aber sehr entscheidend ist, nennt sie die Tatsache, "dass die Gremien, die Kandidaten für Professorenstellen evaluieren, oft nur aus deutschen Professoren bestehen." Das führe laut Canes-Nápoles zu einer eingeschränkten Sichtweise und habe negative Auswirkungen auf die Inklusivität des akademischen Auswahlverfahrens. "Vor allem beeinträchtig es die deutsche Wissenschaft, sich an wegweisenden Innovationen zu beteiligen", erläutert die Kubanerin weiter. Sie würde sich deswegen wünschen, dass "internationale Forschende bei ihren Integrationsbemühungen proaktiver unterstützt und ihre Perspektive mehr geschätzt werden." Zudem würde Canes-Nápoles mehr mehrsprachige und interkulturelle Praktiken begrüßen, nicht nur in der Forschung, sondern auch in Verwaltung und Lehre. "All das würde nicht nur die Hindernisse entschärfen, sondern auch die deutsche Wissenschaft als Ganze stärken", sagt sie.

kfi