Teambesprechung
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Wissenschaftliches Arbeiten
Mit der richtigen Einstellung besser vorankommen

Komplexe und andauernde Projekte können ganz schön schlauchen. Eine Arbeitspsychologin erklärt, wie man optimistisch dabeibleibt.

Von Katrin Schmermund 11.09.2019

Forschung & Lehre: Frau Binnewies, Studien belegen immer wieder die positiven Effekte einer positiven Lebenseinstellung. Auch den Arbeitsalltag kann sie erleichtern. Welche Tipps haben Sie, um Projekte optimistischer anzugehen?

Carmen Binnewies: Ganz wichtig ist die Überzeugung, eine Aufgabe gut meistern zu können. Man muss sich bewusst machen, auch schon andere Sachen geschafft zu haben. Jeder hat dabei seine eigenen Techniken: Das kann das positive Zureden sein oder ein netter Post-it auf dem Badezimmerspiegel. Vielen hilft es auch, Erfolgsgeschichten aufzuschreiben. Auch wenn es uns vielleicht komisch vorkommt: Selbstlob tut gut.

F&L: Woran liegt es, dass uns immer wieder auch negative Gedanken einholen?

Carmen Binnewies: Der "Selbstkritiker" ist bei vielen unterschwellig immer mit dabei. Gerade in Stresssituation denken wir dann oft negativ. Rückt eine Deadline für einen wissenschaftlichen Artikel näher oder schreitet die Projektzeit voran, ohne dass wir vermeintlich große Fortschritte gemacht haben, steigt der Druck und die Wahrscheinlichkeit, in negative Denkmuster zurückzufallen. Teils geschieht das bewusst, teils unbewusst. Dann ist es natürlich besonders schwer, etwas daran zu ändern.

Professorin Carmen Binnewies
Professorin Carmen Binnewies ist Leiterin der Arbeitseinheit Arbeitspsychologie an der WWU Münster. WWU Münster

F&L: Wozu raten Sie?

Carmen Binnewies: Oft hilft der Austausch mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Wir tendieren dazu, uns in unseren Überlegungen festzufahren. Ein anderer Blick kann uns auf neue Lösungsideen bringen. Unabhängig von einer akuten Stresssituation hilft Mentoring. Rollenvorbilder helfen, fordernde Aufgaben besser bewältigen zu können. Nicht ohne Grund lesen so viele Menschen Biografien von Personen, die sie begeistern. Dabei geht es nicht um reine Erfolgsgeschichten: Mentoren erzählen auch, was in ihrem Lebenslauf mal nicht so gut gelaufen ist und wie sie damit umgegangen sind.

F&L: Oftmals ziehen sich Forschungsarbeiten über Monate oder Jahre – wie bleibe ich optimistisch dabei?

Carmen Binnewies: Kleine Zwischenziele setzen, Feedback einholen und Zwischenerfolge "feiern" hilft, auch über längere Zeiten die Motivation hochzuhalten, beziehungsweise immer wieder neu aufzubauen. Gerade wenn mal etwas nicht wie geplant läuft, ist es wichtig, im Team früh darüber zu sprechen und Lösungen zu entwickeln. Ansonsten werden Probleme über die Zeit meist eher größer.

F&L: Welche Art von Zwischenzielen halten Sie für sinnvoll?

Carmen Binnewies: Ich finde es zum Beispiel hilfreich, sich zu überlegen, was man an einem bestimmten Tag erreichen möchte. Was das ist, kommt natürlich immer auf die aktuellen Aufgaben an. Es kann eine Liste von Interview-Partnern sein, die man anrufen will. Oder man nimmt sich einen inhaltlichen Absatz oder eine bestimmte Anzahl an Wörtern oder Seiten vor, die man schreiben will. Das geht nicht immer gleich gut von der Hand, aber selbst, wenn man Teile später wieder umstrukturiert oder löscht, tut es gut, schon mal etwas auf dem Papier stehen zu haben. Auch die Tageszeit spielt bei der Planung eine Rolle. Ich lege mir etwa Denkaufgaben eher auf den Morgen und Meetings hinter die Mittagspause. Der Austausch hilft, nach einem möglichen Mittagstief am Ball zu bleiben.

F&L: Ist eine so genaue Planung denn überhaupt für jeden etwas?

Carmen Binnewies: Viele haben Sorge, dass sie durch die Planung ihrer Arbeit zu viel Zeit verlieren. Aber das ist oft ein Trugschluss. Wenn wir etwas strukturiert angehen, sparen wir bei der eigentlichen Bearbeitung viel Zeit. Ich empfehle jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sich Feedback einzuholen, um ihre Zwischenziele realistisch einschätzen zu können und später nicht frustriert zu sein, weil diese viel zu hoch gesteckt waren.

F&L: Worauf kommt es bei der Zusammenarbeit im Team an?

Carmen Binnewies: Auch in Projektteams sollten Aufgaben und Ziele am Anfang klar definiert und Aufgaben entsprechend verteilt werden. Dabei sollte jeder darauf achten, was sie oder er sich zutraut. Im Anschluss ist wichtig, sich regelmäßig über den Projektfortschritt auszutauschen. Eventuell kommt man dabei zu dem Schluss, dass man Aufgaben anders angehen und aufteilen muss. Auch wenn die eine oder andere kurzfristige Zusammenarbeit in der Wissenschaft oft mehr Zweckbündnis als gewollte Zusammenarbeit ist: Dieser Austausch und die gegenseitige Motivation ist wichtig, um gut voranzukommen.

F&L: Wie sollten Führungskräfte damit umgehen, wenn einige Teammitglieder vielleicht zur Selbstunterschätzung neigen, während andere sich eher einmal überschätzen?

Carmen Binnewies: Es ist nicht immer möglich, die optimale Passung bei der Verteilung von Aufgaben herzustellen. Wichtig ist aber, dass Führungskräfte das mit ihren Mitarbeitern besprechen und zum Beispiel unsicheren Mitarbeitern Unterstützung anbieten oder Mitarbeitern, die unterfordert sind, andere anspruchsvolle Aufgaben geben, bei denen sie sich entwickeln können. Bei Erfolgen ist positives Feedback ganz wichtig. Das klingt simpel, wird aber in der Praxis viel zu selten ausgesprochen. Hört man nichts vom Vorgesetzten, heißt das von Führungsseite häufig: Alles läuft gut. Dabei ist nachgewiesen, dass wir bei der Arbeit Bestätigung und Lob von unseren Chefs brauchen, um auf Dauer zufrieden und ambitioniert arbeiten zu können.