Multitasking-Illustration eines Mannes im Anzug mit Superman-Umhang und sechs Armen, der viele Dinge gleichzeitig erledigt
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Zeitmanagement
Multitasking im Alltag und in der ­Forschung

Im Stress neigen Menschen dazu, mehrere Dinge gleichzeitig zu erledi­gen. Inwieweit sind wir zum Multitasking fähig? Neue Forschungs­ergebnisse.

Multitasking (MT) ist ein Phänomen, das im Alltag und insbesondere auch im Beruf zunehmend auftritt. Wir erhoffen uns dabei Zeitersparnis, wenn wir mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen. Offen ist jedoch, was hierbei mit "gleichzeitig" gemeint ist.

Paralleles und sequenzielles Multitasking

Wie Simulationsstudien zeigen, befassen sich Autofahrerinnen und Autofahrer während des Autofahrens typischerweise dann mit der Bedienung der Menüfunktion des Fahrassistenzsystems, wenn die Fahraufgabe in den nächsten Sekunden voraussichtlich kein Eingreifen erfordert. Menübedienung und Fahrzeugkontrolle erfolgen somit genau genommen nicht wirklich parallel, sondern lediglich in enger zeitlicher Verzahnung. Man unterscheidet daher zwischen parallelem und sequenziellem MT. Bei der experimentellen Untersuchung der dabei zu beobachtenden Phänomene und der zugrundeliegenden Verarbeitungsprozesse sind die Probandinnen und Probanden instruiert, mindestens zwei Aufgaben auszuführen. Werden die Stimuli für beide Aufgaben zeitgleich oder nur mit einem zeitlichen Versatz von wenigen hundert Millisekunden dargeboten, so sprechen wir von parallelem MT. Entscheidend ist, dass die Reaktion für eine Aufgabe noch nicht erfolgt ist, bevor der Stimulus der zweiten Aufgabe erscheint.

Aber auch wenn die Stimuli für beide Aufgaben mit so starkem zeitlichen Versatz dargeboten werden, dass die Reaktion auf die eine Aufgabe vor dem Stimulus der zweiten Aufgabe erfolgt, kann es trotzdem zu gegenseitiger Beeinflussung der Informationsverarbeitung beider Aufgaben kommen. In diesem Fall sprechen wir von sequenziellem MT. Das bedeutet, auch wenn sich die Zeitintervalle zwischen Stimulus und Response beider Aufgaben nicht überschneiden, kann es dennoch zur Überlappung der vor- und nachgelagerten Informationsverarbeitungsprozesse kommen. Und bevor aufgabenbezogene Stimuli verarbeitet werden können, muss zunächst die Aufgabeneinstellung, das heißt die Zuordnungsregeln zwischen eingehenden Informationen und den dazu passenden Reaktionen, implementiert werden.

Allen Varianten des MTs ist gemein, dass Aufgabeneinstellungen für mehrere Aufgaben parallel im Arbeitsgedächtnis repräsentiert sein müssen, woraus besondere Anforderungen an die Gedächtniskapazität sowie an das möglichst interferenzfreie Management dieser Gedächtnisinhalte bestehen. Es gibt eine lange Forschungstradition in der Psychologie, die sich intensiv mit der Frage beschäftigt hat, mit welchen Modellen man beschreiben und erklären kann, ob beziehungsweise unter welchen Bedingungen Leistungseinbußen bei der Bearbeitung von Mehrfachaufgaben im Vergleich zu Einzelaufgabenbedingungen auftreten. Dabei spielen Charakteristika der Aufgaben, aber auch individuelle Leistungsvoraussetzungen der "multitaskenden" Personen eine Rolle.

Diese Fragestellungen wurden in den letzten Jahren im Rahmen des von uns koordinierten DFG-Schwerpunktprogramms (SPP) bearbeitet. Dabei konnten bestehende Modelle zur Struktur des Informationsverarbeitungsgeschehens weiter spezifiziert und detailliert ausgearbeitet werden. Es konnte weiterhin gezeigt werden, dass Personen Freiheiten bei der Gestaltung von Aufgabenwechseln kostenoptimiert nutzen können. Personen hatten dabei die Anweisung, zwei Aufgaben im Wechsel zu bearbeiten. Für einen Wechsel der Aufgabe wird typischerweise mehr Zeit benötigt, als wenn dieselbe Aufgabe wiederholt wird. Wenn sich gleichzeitig aber auch zunehmende Schwierigkeiten mit der Anzahl sukzessiver Aufgabenwiederholungen ergeben (zum Beispiel längere Wartezeiten oder mehr Kraftaufwand als umweltbedingte Kostenfaktoren in gemeinsamen Arbeitssettings oder in Folge von Muskelermüdung), wählen die Personen eine für die jeweilige Kostenkonstellation optimale Wechselrate.

Dieses Beispiel zeigt, dass wir als Menschen nicht nur in der Lage sind, in gewissen Situationen Mehrfachaufgaben zu bewältigen, sondern illustriert auch, wie flexibel wir die konkret zur Anwendung gebrachte Bewältigungsstrategie an die jeweiligen Bedingungen anpassen können. Neben weiteren Einsichten im Hinblick auf die Struktur und die Flexibilität der Bearbeitung von Mehrfachaufgaben ist im Rahmen der Forschungsarbeiten ein weiterer Aspekt in den Mittelpunkt gerückt.

Gibt es "Supertasker"?

Vielfach diskutiert wurde in der Vergangenheit bereits die Frage, ob es Menschen gibt, die in besonderer Weise befähigt sind, Mehrfachaufgaben ohne oder nur mit geringen Leistungseinbußen zu bewältigen, sogenannte "Supertasker". Dabei schwang immer auch die Vermutung mit, dass es hierbei auch geschlechtsbezogene Tendenzen geben könnte.

Im Rahmen des SPP konnte zwar bestätigt werden, dass Menschen sich in gewisser Weise in Strategie und Leistung beim MT unterscheiden können. Es wurde aber klar, dass dahinter keine unveränderbare Eigenschaft stehen muss. Durch Erfahrung und Übung, aber auch durch Veränderungen der Leistungsfähigkeit beim Älterwerden des Menschen können sich die Herangehensweise und die Leistungsfähigkeit bei der Bewältigung von Mehrfachaufgaben in großem Umfang verändern. Die Befähigung zum MT ist also auch in erheblichem Umfang "plastisch". Dies wurde im Rahmen des SPP vor allem daher sichtbar, dass verstärkt kognitiv-motorische Mehrfachaufgaben untersucht wurden. Das sind Aufgabenkombinationen, bei denen eine kognitive Aufgabe, zum Beispiel Kopfrechnen, und eine motorische Aufgabe, zum Beispiel Gehen, zeitgleich bewältigt werden müssen. Training mithilfe kognitiv-motorischer Mehrfachaufgaben führt dazu, dass die Aufgabenausführung eher "automatisch" erfolgen kann, wobei nicht in allen Aspekten klar ist, was in diesem Kontext genau unter einem "Automatismus" verstanden werden soll und vor allem, wie dieser durch extensive Übung entsteht. Bemerkenswert ist allerdings, dass der Zugriff auf zuvor vorhandene Automatismen unter gewissen Bedingungen wieder verloren gehen kann. Während jüngere Erwachsene offenbar in der Lage sind, während des Gehens eine Unterhaltung zu führen, lässt sich bei älteren Menschen eine Reduktion der Ganggeschwindigkeit bis hin zum Stehenbleiben beobachten, wenn sie in ein Gespräch verwickelt werden.

Die experimentellen Arbeiten im SPP haben einen Beitrag dazu geleistet, die Dynamik bei der Bewältigung von Mehrfachaufgaben besser zu verstehen. Möglich wurde dies durch eine intensive Kooperation zwischen Experimenteller (Kognitiver) Psychologie und Bewegungswissenschaften. Der dadurch initiierte interdisziplinäre Diskurs war für uns selbst in gewisser Weise immer wieder eine Mehrfachaufgabe, wenn es galt, die eigene Disziplin zu denken und gleichzeitig die jeweils andere mit zu repräsentieren. Die Forschungsarbeiten zur Plastizität des kognitiven Systems im Zusammenhang mit gleichzeitig anfallenden motorischen Koordinationsprozessen hatten damit plastische Modifikationen der Denkweisen der beteiligten Forscherinnen und Forscher zur Folge. In diesem Sinne ist MT also auf vielen Ebenen ein interessantes Forschungsthema, bei dem sich eine interdisziplinäre Perspektive als willkommen und hilfreich erwiesen hat.

Zum Weiterlesen

Kiesel, A., Johannsen, L., Koch, I., & Müller, H. (Eds.) (2022). Handbook of human multitasking. Springer.

Koch, I., Poljac, E., Müller, H., & Kiesel, A. (2018). Cognitive structure, flexibility, and plasticity in human multitasking – An integrative review of dual-task and task-switching research. Psychological Bulle­tin, 144, 557-583.