Karrieretipps
Verhandeln gegen den Gender-Pay-Gap

Ist der Gender-Pay-Gap eine Sache des Verhandlungsgeschicks? Ein Vergleich unterschiedlicher Lohnsysteme in Deutschland und der Schweiz.

Ist der Gender-Pay-Gap an Universitäten eine Folge von Lohndiskriminierung, von unterschiedlichem Verhandlungsgeschick von Professorinnen und Professoren oder der unterschiedlichen Verteilung der Geschlechter auf die Fächer? Ein Vergleich von zwei großen und forschungsstarken Universitäten in Deutschland und der Schweiz zeigt, dass die unterschiedliche geschlechtsspezifische Verhandlungsbereitschaft und -stärke eine wichtige Rolle spielt. Dafür ausschlaggebend sind unterschiedliche Lohnsysteme, welche in verschiedenem Ausmaß auf verhandlungsrelevante Bedingungen abstellen: Die Universität D in Deutschland wendet das W-Besoldungs-System an, die Universität S in der Schweiz ein Fixlohnsystem mit Beförderungsklassen und -stufen. An der Universität D fällt die geschlechtsspezifische Lohnlücke deutlich höher aus als an der Universität S. Was sind die Gründe?

Im W-Besoldungssystem sind die Grundgehälter altersunabhängig und können in den Besoldungsgruppen W2 und W3 (unbefristete, planmäßige Professuren) durch individuell vereinbarte Leistungsbezüge erhöht werden. Die Leistungsbezüge sind das Ergebnis von Berufungs- und Bleibeverhandlungen, von Verhandlungen über besondere Leistungen in Forschung, Lehre, Weiterbildung und Nachwuchsförderung sowie über Funktionszulagen (welche hier außer Betracht bleiben). Dadurch sind im Einzelfall deutlich höhere Gehälter möglich als in der früheren Bundesbesoldungsordnung C. Damit enthält die W-Leistungsbesoldung zahlreiche Elemente eines Pay-for-Performance-Systems, bei welchem verhandlungsrelevante, mess- und vergleichbare Kriterien ausschlaggebend sind. 

Im Fixlohnsystem mit Beförderungsklassen und -stufen sind die Grundgehälter altersabhängig und vergleichsweise hoch. Die Eingliederung in Klassen und Stufen orientiert sich hauptsächlich am akademischen Alter und der vorangegangenen Position. Berücksichtigt wird auch das vorangegangene Gehalt. Das System sieht eine regelmäßige interne Beförderung innerhalb der Lohnklassen und Lohnstufen vor. Zeitabstände und Höhe des Klassen- und Stufenanstiegs sind jedoch stark standardisiert. Bei externen Rufen und Bleibeverhandlungen können Beförderungen erfolgen. Es handelt sich im Wesentlichen um ein Fixlohnsystem mit Altersanstieg. 
Zunächst einmal ist festzustellen, dass es in beiden Systemen einen Gender-Pay-Gap gibt, nämlich 6,62 Prozent bei der W-Leistungsbesoldung und 4,45 Prozent im Fixlohnsystem. Handelt es sich dabei um Lohndiskriminierung?

Selbst-Selektion oder Lohndiskriminierung? 

Von Lohndiskriminierung spricht man üblicherweise, wenn gleiche oder gleichwertige Arbeit ungleich bezahlt wird. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Professorinnen und Professoren mehrheitlich in unterschiedlichen Fachgebieten mit unterschiedlichen Gehaltsniveaus tätig sind. Frauen wählen bei uns überdurchschnittlich Fächer, die in erster Linie ihren Neigungen und Interessen und erst in der zweiten Linie den Verdienstchancen folgen. Bei Männern ist es umgekehrt. Dies führt zu einer Selbst-Selektion bei der Fächerwahl an den Universitäten. In der Folge sind Professoren häufiger als Professorinnen in Fächern tätig, welche höhere Outside-Options auf dem außeruniversitären Arbeitsmarkt haben, die auch innerhalb der Wissenschaft zu höheren Löhnen führen. 

An beiden Universitäten ist dieser Effekt ausgeprägt: Zwei Drittel aller weiblichen Professorinnen konzentrieren sich auf die Fakultäten mit dem höchsten Frauenanteil, vorwiegend in den Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften. Eine Ursache des Gender-Pay-Gap liegt demnach auch in der Selbstselektion von Frauen in Fächern mit geringeren Einkommenschancen auf dem außeruniversitären Arbeitsmarkt. 

Vergleicht man den Gender-Pay-Gap an den beiden Universtäten unter Berücksichtigung des Lohneffekts, der auf der unterschiedlichen Fächerwahl von Frauen und Männern beruht, dann zeigt sich: An der Universität mit W-Besoldung in Deutschland (Universität D) gibt es an beinahe allen Fakultäten einen Gender-Pay-Gap, der jedoch mit dem Frauenanteil deutlich zunimmt. Hingegen gibt es an der Universität in der Schweiz mit einem Fixlohnsystem (Universität S) im Durchschnitt aller Fakultäten keinerlei Gender-Pay-Gap. Dort, wo der Frauenanteil gering ist, verdienen die Professorinnen sogar leicht mehr als die Professoren. 

Strukturelle Diskriminierung? 

Die verschiedenen Besoldungssysteme sind demnach in der Lage, geschlechtsspezifische Unterschiede auszugleichen: Zum ersten zeigen zahlreiche empirische Befunde, dass Frauen weniger hart als Männer um ihren Lohn verhandeln. Zweitens verrichten Frauen in Organisationen mehr Hilfsarbeiten, die wenig sicht- und messbar sind und in Verhandlungen deshalb als weniger relevant gelten, obwohl sie für das Funktionieren des Systems von ausschlaggebender Bedeutung sind („nonpromotable tasks“). Beides ist Folge von Geschlechternormen, deren Verletzung Identitätskosten verursacht. Frauen, die solche Normen verletzen, gelten als unsympathisch. Hinzu kommt drittens, dass in vielen Kommissionen und bei vielen Begutachtungen erwartet wird, dass mindestens ein bis zwei Frauen vertreten sind. Das führt zu einer höheren Arbeitsbelastung der Professorinnen, ist aber selten verhandlungsrelevant. Der höhere Gender-Pay-Gap an der Universität mit W-Besoldung ist demnach eine Folge davon, dass hier Verhandlungen um messbare Kriterien eine deutlich größere Rolle spielen als an der Universität mit weitgehendem Fixlohn-System.

Ist dies eine Diskriminierung? Ja, wenn man hierzu auch institutionelle Bedingungen zählt, welche Frauen deshalb benachteiligen, weil diese Bedingungen vorwiegend männlichen Präferenzen entsprechen und Frauen sich diesen Bedingungen anpassen müssen. Zu diesen gehören die größere Wettbewerbsneigung und Verhandlungsbereitschaft von Männern im Vergleich zu leistungsfähigen Frauen. Begründet ist dies in sozialen Geschlechternormen, deren Verletzung insbesondere bei den Frauen Identitätskosten verursacht. Aus diesem Grund benachteiligt die W-Leistungsbesoldung in Deutschland die Professorinnen. Dieses Lohnsystem – so darf man vermuten – benachteiligt auch diejenigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, deren Stärke nicht in Verhandlungen, sondern in der Forschung besteht. Dagegen zeigt das Beispiel der Universität S in der Schweiz, wie ein wettbewerbsfähiges und diskriminierungsfreies Lohnsystem aussehen kann, welches denjenigen entgegenkommt, die in erster Linie an wissenschaftlichen Inhalten interessiert sind. 

Eine ausführliche Fassung inklusive Literaturangaben kann bei der Redaktion angefordert werden.