Symbolbild: Geschäftsfrau meditiert in einer Wolke, die mit verschiedenen mobilen Geräten verbunden ist
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Entspannungsmethoden
Wie sich der akademische Stress lindern lässt

Die Anforderungen in der Wissenschaft gehen mit hohen Belastungen einher. Wie können sich Mitarbeiter in Forschung und Lehre Entspannung verschaffen?

Viele Freiheiten, viel Abwechslung und kreatives Arbeiten – all das macht akademisches Leben in Lehre und Forschung attraktiv. Wissenschaftliches Arbeiten geht aber auch mit besonderen Anforderungen und typischen Belastungssituationen einher. In der Phase der akademischen Weiterqualifikation sind die Beschäftigungsperspektiven unsicher und der Druck häufig stark, aber auch nach dem ersehnten Ruf auf eine Professur bleiben die Anforderungen in Lehre und Forschung hoch: Nur beispielhaft seien hier Projektanträge, die Entwicklung und Betreuung von Forschungsprojekten und die Lehre und Betreuung von Studierenden genannt.

Auf die eigenen ­Ressourcen achten

Um mit diesen vielfältigen Anforderungen dauerhaft umgehen zu können, ist es für wissenschaftlich tätige Menschen besonders wichtig, auf die eigenen Ressourcen zu achten. Eine zentrale Ressource ist die Fähigkeit, sich bewusst in einen Zustand der Entspannung versetzen zu können.  "Entspannung" beschreibt dabei ein spezifisches Reaktionsmuster, das eine Reihe typischer physiologischer Veränderungen umfasst. Die Fähigkeit, sich zu entspannen, ist in jedem Menschen angelegt und somit für jeden durch kontinuierliches Üben erlernbar (Vaitl, 2020). Neben im Alltag häufigen (aber in stressigen Lebensphasen häufig vernachlässigten) entspannenden Aktivitäten wie Spaziergängen, Lesen und Musik hören kann es deshalb sehr hilfreich sein, zusätzlich systematische Entspannungsmethoden zu erlernen, um gezielt Entspannung herbeizuführen.

 

Regelmäßiges Üben fördert die Entspannung

Allen unter dem Begriff "Entspannungsmethoden" zusammengefassten Ansätzen ist gemein, dass regelmäßiges Üben (insbesondere zu Beginn) sowie eine Verankerung im Alltag notwendig ist. Eine häufig eingesetzte Entspannungsmethode ist die bereits vor fast 100 Jahren entwickelte Progressive Muskelrelaxation (PMR) nach Jacobson (1929). Die PMR ist eine körperorientierte Methode: Einzelne Muskelgruppen werden in einer festgelegten Reihenfolge kurzzeitig leicht – aber spürbar – angespannt und wieder entspannt. Dabei konzentriert man sich auf den Kontrast zwischen Anspannung und Entspannung, wodurch der Körper besser wahrgenommen werden kann. Das nahezu gleichzeitig mit der PMR entwickelte Autogene Training nach Schultz (1932) arbeitet zur Erreichung eines Entspannungszustands mit sogenannten "Formelvorsätzen". Dabei handelt es sich um Autosuggestionen, welche man sich innerlich vorsagt und mehrmals wiederholt. Sie zielen darauf ab, unterschiedliche Facetten körperlicher Entspannung zu induzieren; so soll beispielsweise der Formelvorsatz "Der rechte (linke) Arm ist schwer" ein Empfinden von Schwere auslösen. Die weiteren Formelvorsätze fokussieren sich auf Ruhe, Wärme, den Atem, das Herz, die Körpermitte und die Stirn. Es gibt eine Vielzahl weiterer systematischer Methoden, die Entspannung induzieren können, bei denen Entspannung aber nicht das primäre Ziel ist. Dazu zählen zum Beispiel Meditation, achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR) nach Kabat-Zinn (2013), einzelne Yoga-Formen, Hypnose, Imagination oder Biofeedback.

Weltyogatag

Die Vereinten Nationen begehen seit 2015 jährlich am 21. Juni den Internationalen Tag des Yogas beziehungsweise den Weltyogatag. Der Tag soll daran erinnern, wie wichtig eine gesunde Lebensführung ist. Die Vereinten Nationen betonen in ihrem Beschluss für diesen Tag die Vorteile der Ausführung von Yoga, das einen ganzheitlichen Ansatz für Gesundheit und Wohlbefinden biete.

Entspannungsmethoden werden häufig im Rahmen betrieblicher Gesundheitsförderung oder im Rahmen der Präventionsangebote der Krankenkassen angeboten, stellen aber auch einen wichtigen Bestandteil von Rehabilitationsmaßnahmen dar. Darüber hinaus gibt es einen breiten Markt an Selbsthilfebüchern, Apps und CDs, deren wissenschaftliche Fundierung jedoch unterschiedlich ausgeprägt ist – hier lohnt sich vor der Investition von Zeit und Geld sicher ein kritischer Blick. So "einfach" die Entspannungsmethoden auf den ersten Blick wirken: Es handelt sich nicht um "Selbstläufer". Eine regelmäßige Übungspraxis ist essenziell für den Erfolg von Entspannungs- oder entspannungsinduzierenden Methoden. Idealerweise wird die Entspannungsmethode in einem separaten Raum mit angenehmem Raumklima in sitzender oder liegender Position durchgeführt. Dabei gibt es eine Reihe von Hürden, die typischerweise auftreten können:

Hürden auf dem Weg zur Entspannung

1. Konzentrationsschwierigkeiten: Gerade in den ersten Wochen der Übungspraxis fällt es vielen schwer, sich auf die Instruktionen zu konzentrieren – zum Beispiel schweifen die Gedanken stattdessen zur mentalen To-Do-Liste ab. Eine hilfreiche Strategie kann sein, sich die Gedanken als Wolken vorzustellen, welche am Himmel vorüberziehen, um dann wieder zur Instruktion zurückzukommen und ihr zu folgen.

2. Schwierigkeiten, eine regelmäßige Übungspraxis im Alltag zu etablieren: Eine Entspannungsmethode zu erlernen, kann auch bedeuten, den bisherigen Zeitplan zu verändern. Gerade in den ersten Wochen der Übungspraxis kann der Eindruck entstehen, nicht ausreichend Zeit zur Verfügung zu haben. Priorisierung sowie bewusste Planung der Zeitfenster, in denen die Entspannungsmethoden geübt werden sollen, können Abhilfe schaffen.

3. Störung durch das Umfeld: Für die Übungspraxis ist ein Rückzugsort erforderlich. Für den Fall, dass der Haushalt mit anderen Personen geteilt wird, hat es sich als hilfreich erwiesen, diese im Vorfeld darauf hinzuweisen, dass während des Übens keine Störungen erwünscht sind.

4. Extreme Müdigkeit oder Einschlafen: Es kann hilfreich sein, von einer liegenden in eine sitzende Position zu wechseln oder die Augen während der Übung zu öffnen, um plötzlich einsetzenden extremen Müdigkeitserscheinungen entgegenzuwirken.

Entspannungsmethoden wurden vielfach wissenschaftlich evaluiert und zeigen für eine Vielzahl von Anwendungsbereichen eine gute Wirkung. Im deutschen Sprachraum finden sich eine Reihe von Standardwerken, die einen guten Überblick sowohl über die Grundlagen als auch Anwendungsbereiche (und Grenzen) von Entspannungsverfahren geben.

Zum Weiterlesen

  • Jacobson, E. (1929). Progressive Relaxation. University of Chicago Press.
  • Kabat-Zinn, J. (2013). Gesund durch Meditation: Das vollständige Grundlagenwerk zu MBSR. O. W. Barth.
  • Krampen, G. (2013). Entspannungsverfahren in Therapie und Prävention (3. Auflage). Hogrefe.
  • Schultz, J. H. (1932). Das Autogene Training. Konzentrative Selbstentspannung. Versuch einer klinisch-praktischen Darstellung. Thieme.
  • Vaitl, D. (2020). Neurobiologische Grundlagen der Entspannungs­verfahren. In F. Petermann (Hrsg.), Entspannungsverfahren—Praxishandbuch (6. Auflage, S. 47–64). Beltz.
  • Heidenreich, T. & Chmitorz, A. (2022). Entspannung. Göttingen: Hogrefe