Mitarbeiter sitzen bei einer Besprechung um einen Tisch
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Hochschulbarometer für die Wissenschaft
Wie Wissenschaftler ihre berufliche Situation bewerten

Eine umfangreiche Studie zeigt die aktuelle Stimmung in der Wissenschaft. Gedämpft ist die vor allem bei Postdocs.

25.11.2020

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind mit ihrer beruflichen Situation mittelmäßig bis überwiegend zufrieden. Am besten ist die Stimmung unter den Professorinnen und Professoren mit einer gesicherten Beschäftigung an der Hochschule. Sie vergaben 3,7 Punkte für ihre allgemeine Zufriedenheit, bei Postdocs sind es 3,1 Punkte und bei Prädocs 3,2 Punkte. Das ergab eine Studie des Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) auf Grundlage einer Befragungsskala von 1 bis 5. Zum dritten Mal nach 2010 und 2016 hat das Institut die groß angelegte Umfrage unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland durchgeführt.

Ihre Karriereperspektiven bewerteten Podstdocs demnach mit 2,5 Punkten am negativsten, während Prädocs mit 3 Punkten noch etwas optimistischer sind. Professorinnen und Professoren vergaben 3,5 Punkte. 14 Prozent der befragten Postdocs haben laut eigenen Angaben Arbeitsverträge von bis zu 12 Monaten, weitere 23 Prozent haben eine berufliche Sicherheit unter zwei Jahren. Vergleicht man die Zahlen mit der Befragung von 2016 und der Situation vor Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ist insbesondere der Anteil der Ein-Jahres-Verträge gesunken. Knapp 13 Prozent weniger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sitzen auf entsprechend kurzen Verträgen. Bei den Zwei-Jahres-Verträgen ist der Anteil nur um rund drei Prozent gesunken.

Unter den Prädocs haben mittlerweile mehr als die Hälfte (57 Prozent) einen Vertrag über mindestens 25 Monate. 2016 waren es knapp 32 Prozent. Länger als drei Jahre ist dagegen kaum jemand im akademischen Mittelbau beschäftigt (17 Prozent). Bei den zu 99 Prozent befristet beschäftigten Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren haben 30 Prozent eine Tenure-Track-Position.

Forschungsfreiheit gut, Leistungsgerechtigkeit schlecht

62 Prozent der Befragten gaben der Leistungsgerechtigkeit in der Wissenschaft "eher" oder "sehr" schlechte Noten. Auch Professorinnen und Professoren sagten mehrheitlich, dass die Karriereperspektiven für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler zu unsicher seien und ihre Einkommensmöglichkeiten nicht wettbewerbsfähig seien.

Verhältnismäßig schlecht bewerteten die Befragten auch das Verhältnis von Forschung und Lehre (54 Prozent) sowie die Wertschätzung der Wissenschaft in der Gesellschaft (50 Prozent). Am besten werden die Autonomie und Forschungsfreiheit (79 Prozent) bewertet sowie, etwas schwächer ausgeprägt, die gesellschaftliche Relevanz der Forschung (69 Prozent), die Innovationsfähigkeit in der Wissenschaft (64 Prozent) und der Zusammenhalt in der wissenschaftlichen Gemeinschaft (56 Prozent).

Ihre Forschungsergebnisse bewerten die meisten als belastbar. Dabei zeigten sich jedoch deutliche Unterschiede zwischen den Fächern. Während Mathematikerinnen und Mathematiker sich mit 78 Prozent am optimistischsten zeigen, sind Psychologinnen und Psychologen mit 53 Prozent deutlich kritischer. Zu erklären ist die Diskrepanz auch mit Herausforderungen in der Replizierbarkeit von Forschungsergebnissen, die sich zwischen den Fächern teils deutlich unterscheidet.

Den Druck, Drittmittel einzuwerben, bewerten die Befragten dabei insgesamt als zu hoch. Ihre Bewertung liegt auf der Umfrageskala bei rund 3,9 Punkten von 5 Punkten, 2016 waren es 3,8 Punkte. Den Antragsaufwand beurteilten sie mit ähnlich hohem Abstimmungsergebnis außerdem als zu groß im Verhältnis zum Ertrag.

Nachwuchs: Forschungszeit entfällt auf Co-Autorenschaften

Im wissenschaftlichen Alltag sinkt mit der Karrierestufe die Zeit für die Forschung. Anteilig am Umfang aller Aufgaben bemessen ist die Forschungszeit bei Postdcos (rund 37 Prozent) und Prädocs (knapp 51 Prozent) wesentlich höher als bei Professorinnen und Professoren. Diese gaben in der Studie an, 22 Prozent ihrer Zeit in die Forschung stecken zu können. Der Großteil entfalle auf Drittmittelakquise, Gremienarbeit, Begutachtungen oder das Lehrstuhl-Management (40 Prozent). Gut 25 Prozent ihrer Zeit gehe in die Lehre.

Bei den Publikationen ist die Verteilung nicht erkennbar, weil viele Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler darin nur als Co-Autoren auftauchen. Zwar kann die Veröffentlichung mit einem renommierten Wissenschaftler oder einer renommierten Wissenschaftlerin auch von Vorteil sein, die Zahl an wissenschaftlichen Publikationen sinkt damit jedoch auf 0,7 bei Promovierenden und auf 2,5 bei Postdocs, während sie bei Professorinnen und Professoren bei mehr als sechs Publikationen im Jahr liegt.

Das DZHW hat insgesamt mehr als 8.800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von November 2019 bis Februar 2020 befragt. Die Umfrageergebnisse zeigen das Stimmungsbild in der Wissenschaft vor der Corona-Pandemie. Die ausführliche Studie blickt über die Beschäftigung hinaus auf die Meinung der Befragten zu Drittmitteln und dem Publikationswesen.

kas