Dual Career
Als Forscher-Paar in einer Stadt – selten, aber nicht unmöglich
Im Pendeln kennen sich Stefanie Meininger (35) und Philipp Haveller (39) aus. Sie ist Nachwuchsgruppenleiterin, er W3-Professor im selben Fachbereich rund 550 Kilometer von ihr entfernt. Seit zehn Jahren führen die beiden eine Fernbeziehung. Meist macht sich einer der beiden am Wochenende auf zur Wohnung des jeweils anderen. In derselben Stadt haben sie noch nie gelebt.
"Wir brennen beide für die Wissenschaft", sagt er. "Dass einer von uns Abstriche machen muss, nur damit wir an einem Ort sind, war für uns keine Option." Bald könnten sie beides haben: Karriere und gemeinsamen Wohnort. Das "Dual-Career-Couple" steht in Verhandlungen um eine Professur für Meininger an der Universität ihres Mannes. Daher wollen die beiden anonym bleiben. Ihre Namen wurden von der Redaktion geändert. Berichtet haben sie von ihren Erfahrungen per Videocall – an diesem Tag aus ihrem Wohnzimmer.
"Dual Career" war Meininger und Haveller schon länger ein Begriff. Bisher schien ihnen dieser Weg aber nicht zielführend. "Es ist ja nicht so, dass meine berufliche Situation schlecht ist", sagt Meininger. "Ich leite eine tolle Nachwuchsgruppe. Wir sind ein eingespieltes Team. Wechsele ich die Hochschule, müssten alle mitkommen, damit ich so weiterarbeiten kann wie bisher – es ist ein großer Schritt, der vieles verändern kann." Gehen will sie den allenfalls nach oben auf der Karriereleiter, und da kommt für sie als nächstes: die Professur.
Strategie für Verhandlungen entwickeln
"Unsere beruflichen Ansprüche haben die Latte hoch gelegt", sagt ihr Mann. "Man muss in der richtigen Position sein, um solche Forderungen zu stellen." Das ist er jetzt. Nach Emmy-Noether-Programm, dem Wechsel auf eine W3-Professur und mehreren eingeworbenen Research Grants bekam er Angebote von verschiedenen Standorten. "Als meine Universität fragte, wie sie mich halten könne, war das eine Möglichkeit, die sich vielleicht nur einmal ergibt."
Meininger und Haveller haben sich an den Deutschen Hochschulverband (DHV) gewandt, um ihre "Strategie" zu entwickeln, so sagen sie. In mehreren Telefonaten haben sie Schritte und mögliche Verhandlungsoptionen durchgesprochen. Den Dual-Career-Service an der Hochschule hätten sie nicht kontaktiert. "Die Teams dort haben einen guten Überblick über Angebote in der Stadt – auch über eine bestimmte Universität hinaus. Das halte ich für sehr hilfreich, wenn man neu an einem Ort ist", sagt sie. "Da mein Mann aber bereits länger an der Universität ist, hätten wir von interessanten Stellen gehört."
Die Gespräche mit einer Beraterin des DHV habe sie geführt, sagt Meininger. Er habe sich so weit wie möglich raushalten wollen, sagt Haveller. Schließlich gehe es um die Karriere seiner Frau. "Ich war froh, dass durch die Beratung eine dritte Person involviert war", sagt er. "In den anschließenden Gesprächen mit der Hochschulleitung habe ich mich dann bemüht, möglichst viel von dem durchzubekommen, was die beiden sich überlegt hatten." Er schmunzelt und schaut zu seiner Frau. Die legt den Kopf schief, zieht die Schultern hoch.
"Es ist eine schwierige Situation", sagt sie. "Ich will für mich das Beste raushandeln und gleichzeitig nicht das Angebot meines Manns gefährden." Damit sie an seiner Universität anfangen kann, muss eine auf sie zugeschnittene Professur geschaffen werden. Die Ausschreibung steht noch aus. Darauf würde das "Vorsingen" folgen.
"Sollte alles klappen, wird es immer Personen geben, die sagen, dass ich nur wegen meines Mannes hier bin – das ist mir bewusst", sagt Meininger. "Es ist ja auch nicht falsch. Aber vor allem bin ich eine eigenständige Wissenschaftlerin und kann an der Universität meines Mannes Themen einbringen, die es dort noch nicht gibt. Darauf werde ich mich konzentrieren."
Ziel vor Augen halten
"Dual Career" gingen sie an, wie jede andere berufliche Verhandlung auch. "Du musst für dich ein optimales Ergebnis und die minimale Voraussetzung dafür festlegen, das Angebot anzunehmen. Wenn man am Ende irgendwo in der Mitte auskommt, ist es für alle Beteiligten ein gutes Ergebnis", beschreibt Meininger. Die Beratung habe ihnen geholfen, besser einschätzen zu können, was sie fordern könnten, ohne zu weit zu gehen.
Meiningers Wunschergebnis: eine Tenure-Track-Professur; ihre Minimal-Forderung: eine befristete Professur plus Fallback-Option, falls es danach nicht weiter gehen sollte.
Dass es keine Tenure-Track-Option geben würde, habe die Hochschulleitung recht schnell deutlich gemacht, erinnert sich Meininger. Sollte sie hohe Drittmittelsummen einwerben, könne man sich "wieder an den Verhandlungstisch setzen". Falls das nicht klappt, habe sie die Zusage für eine alternative langfristige Beschäftigung an der Universität. Dazu will Meininger wegen der Verhandlungen nichts Genaueres sagen.
In dem ersten Jahr oder auch etwas darüber hinaus müsse sie außerdem weniger lehren und könne sich darauf konzentrieren, größerer Grants einzuwerben und ihre Arbeitsgruppe wiederaufzubauen.
Haveller habe zusätzlich ein "bundesweit konkurrenzfähiges Paket an Mitarbeiterstellen, Räumlichkeiten und Ausstattung" für sich ausgehandelt, wie er sagt. Die Dual-Career-Option habe den Ausschlag gegeben, dass dieses nicht nur konkurrenzfähig, sondern das überzeugendste Angebot gewesen sei.
Die Stelle seiner Frau wäre an seinem Institut angesiedelt. Trotzdem wollen die beiden eigenständig arbeiten, betonen sie. "Die Dual-Career-Vereinbarung ist so gestaltet, dass es sich um getrennte Professuren, Budgets und Mitarbeiterstellen handelt", sagt Haveller. Übrig bleibe lediglich eine räumliche Nähe, "die man aber angesichts des geschäftigen Arbeitsalltags auch nicht überbewerten sollte".
Sondersituation nutzen, Kontakte knüpfen
Anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern raten die beiden, eigene Ziele möglichst früh an der Hochschule anzusprechen. "Man darf angesichts knapper Kassen und einer sehr begrenzten Stellenzahl keine Wunder erwarten, aber manchmal ergeben sich kurzfristig unvorhergesehene Gelegenheiten", sagt Meininger.
In Sondersituation wie neuer Forschungsinitiativen oder bei Angeboten für Forschende von anderen Hochschueln – wie in ihrem Fall – stünden Universitätsleitungen unter Druck, zeitnah Konzepte und Lösungen vorlegen zu müssen. "Wer sich ins Gespräch gebracht und die beruflichen Prioritäten deutlich gemacht hat, erhöht seine Chancen, dass diese Prioritäten als Teil der Lösung erkannt und umgesetzt werden." Dazu gehörten "eine gute Vorbereitung, viel Geduld – und Glück".
Meininger und Haveller warten aktuell auf ihren finalen Vertragsentwurf. "Das Ganze ging natürlich noch ein paar Mal hin und her. Mal stand im Vertragsentwurf nicht drin, was wir meinten vereinbart zu haben, mal fehlten Details, die uns wichtig waren", sagt Haveller. "Da sollte man natürlich genau draufschauen, damit es später nicht zu Unstimmigkeiten kommt."
Seit dem ersten Treffen mit der Hochschulleitung und dem Zeitpunkt des Videocalls mit "Forschung & Lehre" seien sechs Wochen vergangen. Verglichen mit anderen Verfahren sei das wenig. "Trotzdem geht man jeden Tag an den Briefkasten und ist gestresst, wenn nichts drin ist", sagt Meininger.
Ihr potenzielles Team habe sie bereits kennengelernt. "Das Institut hat die laufenden Verhandlungen zu meiner Überraschung sehr früh bei einer Teambesprechung thematisiert", sagt ihr Mann. "Das kam für mich überraschend und ich hätte mich gerne darauf vorbereitet. Mein Team hat aber sehr positiv reagiert." Das habe ihm die Anspannung genommen, dass es anders kommen könne. "Inzwischen überlegen meine Kolleginnen und Kollegen schon, welche Forschungsprojekte sie mit seiner Frau angehen könnten." Teils bekomme er davon gar nichts mit. "Daran muss ich mich noch gewöhnen", sagt Haveller und lacht. "Aber eigentlich soll es ja genauso sein."
Ab Sommer 2021 wollen die beiden als Paar im selben Fachbereich derselben Universität forschen und lehren. Sie seien gespannt, wie das funktionieren werde, aber auch dafür hätten sie eine Strategie parat. Ob die aufgeht, muss sich zeigen – vielleicht im Videocall im neuen Jahr.