Selbstbewusste Karrierefrau steht mit verschränkten Armen in einem leeren Besprechungsraum
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Diskriminierung
Kritik von Chefinnen kommt schlechter an

Arbeitnehmer reagieren ablehnender auf negatives Feedback, wenn die Kritik von einer Frau kommt. Grund sei die Rollenerwartung an Chefinnen.

11.10.2019

In Führungspositionen sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert, sowohl in der Wirtschaft als auch an den Hochschulen. Als Erklärungen dafür werden oft die weiblichen Job- und Karrierepräferenzen, das Wettbewerbsverhalten von Frauen oder deren Benachteiligung bei Beförderungen genannt. Eine Ursache kann aber auch Geschlechterdiskriminierung durch Untergebene sein. Das geht aus einer aktuellen Studie des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) hervor.

Wenn negative Kritik an der Arbeitsleistung von einer weiblichen Vorgesetzten kam, ging in der Studie die Arbeitszufriedenheit der Betroffenen um 70 Prozent stärker zurück als bei gleichlautender Kritik durch männliche Vorgesetzte. Außerdem verdoppelte sich der Anteil der Beschäftigten, die keine weitere Zusammenarbeit mit dem Unternehmen mehr wünschten. Diese diskriminierende Haltung gegenüber Chefinnen war bei männlichen und weiblichen Arbeitskräften gleichermaßen ausgeprägt. Auf die Leistung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hatten weder Lob noch Kritik von Vorgesetzten eine Auswirkung, jedoch auf deren Zufriedenheit und Arbeitseinstellung.

Der Studienautor, der Ökonom Dr. Martin Abel am Middlebury College, bot für die Studie über eine Online-Plattform reale Arbeitsaufträge eines fiktiven Unternehmens an. Den so in den USA gewonnenen 2.700 Arbeitskräften teilte er per Zufallsprinzip fiktive männliche oder weibliche Vorgesetzte zu. Im Verlauf ihrer Tätigkeit gaben die Vorgesetzten den Beschäftigten schriftliches Feedback zur Qualität der geleisteten Arbeit.

Von Chefinnen wird mehr Lob erwartet als Kritik

Ausschlaggebend für die Diskriminierung seien geschlechtsspezifische Erwartungen an den Führungsstil. Lob werde demnach dreimal häufiger mit Chefinnen in Verbindung gebracht, Kritik doppelt so oft mit Chefs. Weibliche Vorgesetzte, die diesen Rollenerwartungen nicht gerecht werden, könnten die beobachteten negativen Reaktionen auslösen. Junge Arbeitskräfte reagierten dabei weniger negativ auf kritische Chefinnen. Bei Mitarbeitern in ihren 20ern gebe es gar keine Geschlechterdiskriminierung von Vorgesetzten. Sie assoziierten Kritik zudem seltener mit männlichen Vorgesetzten als ältere Arbeitskräfte.

Nach Ansicht des Forschers kann die verstärkte Reaktion von Untergebenen auf weibliche Kritik die Führungsambitionen von Frauen konterkarieren. Denn allzu ablehnende Reaktionen auf berechtigte Kritik könne weibliche Vorgesetzte dazu bewegen, einen weniger effektiven Führungsstil zu pflegen. Dies stehe ihrem weiteren Aufstieg im Wege. Möglicherweise verzichteten sie auch freiwillig auf zusätzliche Personalverantwortung.

Abel betont, seine Forschungserkenntnisse ließen sich nicht zwingend auf klassische Arbeitsumgebungen übertragen. Die modernen Möglichkeiten des flexiblen Arbeitens, von denen insbesondere Frauen profitierten, böten jedoch wenig Schutz gegen Diskriminierung.

ckr