Ein Portemonnaie ist zu sehen aus dem eine Hand einen Fünf- und einen Zehn-Euro-Schein rausholt.
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Studienfinanzierung
BAföG-Novelle meist wegen Regelsätzen kritisiert

Heute wurde der Entwurf zur BAföG-Reform im Kabinett beschlossen. Die Regelsätze stehen nicht nur bei Studierendenvertretungen in der Kritik.

06.03.2024

Studienanfängerinnen und Studienanfänger aus ärmeren Familien sollen ab Herbst vom Staat 1.000 Euro Startgeld für die Anschaffung eines Laptops, für Lehrbücher oder zur Finanzierung des Umzugs zum Studienort bekommen. Die sogenannte Studienstarthilfe ist Teil einer BAföG-Reform, die heute vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht wurde. „Aufstieg durch Bildung ist eines unserer zentralen Anliegen. Ein Studium darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Daher machen wir das BAföG mit dem nächsten Reformschritt noch besser. Wir schaffen erstmals eine Studienstarthilfe, um junge Menschen aus Haushalten mit Sozialleistungsbezug mit einem einmaligen Zuschuss von 1.000 Euro zu unterstützen. Wir bringen zudem grundlegende strukturelle Verbesserungen auf den Weg“, lobt die zuständige Bildungsministerin den Gesetzesentwurf in der Pressemitteilung des BMBF. 

„Aufstieg durch Bildung ist eines unserer zentralen Anliegen. Ein Studium darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen."
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, FDP

Die eigentlichen BAföG-Sätze werden dem Gesetzentwurf zufolge nicht erhöht. Bei der BAföG-Rückzahlung steigt aber der Druck. Der Bundestag kann bei den Gesetzesberatungen nach dem Kabinettsbeschluss noch nachsteuern. Das wird von vielen Parteien und Interessenvertretungen erwartet. 

Finanzielle Hilfe zu Beginn des Studiums 

Die 1.000 Euro Studienstarthilfe sollen Studienanfängerinnen und Studienanfänger bekommen, die unter 25 Jahre alt sind und beispielsweise Bürgergeld beziehen oder in Familien leben, die durch andere staatliche Leistungen wie den Kinderzuschlag oder Wohngeld ihr Einkommen aufbessern müssen. Das Bundesbildungsministerium schätzt in seinem Gesetzentwurf grob, dass jährlich etwa 15.000 Studienanfängerinnen und Studienanfänger profitieren könnten. Im vergangenen Jahr wurden an deutschen Hochschulen knapp 480.000 Erstsemester gezählt. 

Die Antragsstellung soll zum nächsten Wintersemester möglich sein. Anlaufstelle wird voraussichtlich das Portal "BAföG Digital" sein, wo auch BAföG online beantragt werden kann. Nach derzeitiger Planung soll das Hochladen eines Nachweises über den Bezug der genannten Sozialleistungen und einer Kopie der Immatrikulationsbescheinigung ausreichen. Die 1.000 Euro müssen nicht zurückgezahlt werden und werden bei anderen Leistungen nicht als Einkommen angerechnet, auch nicht beim BAföG. 

"Großer Verwaltungsaufwand und kaum Hilfe für Studentinnen und Studenten."
Ina Brandes (CDU), Wissenschaftsministerin NRW

Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU) sieht hier einen handwerklichen Fehler beim Referentenentwurf: "Großer Verwaltungsaufwand und kaum Hilfe für Studentinnen und Studenten", bilanzierte die CDU-Politikerin. Bei der geplanten Reform würden so wieder die Länder eingespannt, «um mit riesigem Verwaltungsaufwand einen einmaligen Zuschuss auszuzahlen, der den Betroffenen strukturell keine Entlastung verschafft». 

Regelsätze in der Kritik 

Der BAföG-Regelsatz selbst steigt nicht, wenn es nach dem Gesetzentwurf aus dem FDP-geführten Bildungsministerium unter der Leitung von Ministerin Bettina Stark-Watzinger geht. Möglicherweise drücken die Koalitionspartner SPD und Grüne im Bundestag bei den Beratungen über das Vorhaben aber noch Änderungen durch. Auch Gewerkschaften und Studierendenvertreter fordern eine Anhebung und verweisen auf die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten. 

Matthias Anbuhl, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks, zeigt sich in einer Pressemitteilung enttäuscht: "Trotz stark gestiegener Preise für Lebensmittel und Mieten sollen die Studierenden beim BAföG mit einer Nullrunde bei den Bedarfssätzen abgespeist werden. Während zurecht das Bürgergeld, die Renten und die Abgeordnetendiäten an die Inflation angepasst und angehoben werden, bleibt das ausgerechnet bei einem zentralen Instrument der Bildungsgerechtigkeit aus. Das sendet ein fatales Zeichen an die junge Generation." 

"Trotz stark gestiegener Preise für Lebensmittel und Mieten sollen die Studierenden beim BAföG mit einer Nullrunde bei den Bedarfssätzen abgespeist werden."
Matthias Anbuhl, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks

Anbuhl führt weiter aus, dass der BAföG-Grundbedarf mit 452 Euro im Monat deutlich unter dem liege, was die Düsseldorfer Tabelle als Richtwert für den Elternunterhalt vorgebe, nämlich 520 Euro im Monat. Er liege weit unter dem Grundbedarf beim Bürgergeld von 563 Euro im Monat, was die Bundesregierung als soziokulturelles Existenzminimum definiert habe. Studierende seien keine Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse. 

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat seine Kritik an den Ampel-Plänen zur Reform des BAföGsnoch bekräftigt und erneut gefordert, gleichzeitig auch die BAföG-Sätze anzuheben. "Es ist vollkommen inakzeptabel, dass nach wie vor keine Anhebung der Bedarfssätze vorgesehen ist", sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Diese müssten auf das Existenzminimum angehoben und um anfallende Ausbildungskosten sowie höhere Wohnkostenzuschüsse ergänzt werden. "Für eine echte Strukturreform wäre außerdem ein automatischer Inflationsausgleich im BAföG nötig, um so die Verlässlichkeit der staatlichen Studienfinanzierung abzusichern", fügte Hannack hinzu. 

Der bildungspolitische Sprecher der Union, Thomas Jarzombek (CDU), sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Ich habe kein Verständnis dafür, dass das Bürgergeld um 12 Prozent steigt und zeitgleich die BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger leer ausgehen." Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU) hat den Entwurf des Bundesbildungsministeriums für eine BAföG-Reform als verfehlt kritisiert. "Die geplante Reform geht an der Lebenswirklichkeit der Studentinnen und Studenten völlig vorbei." 

"Ich habe kein Verständnis dafür, dass das Bürgergeld um 12 Prozent steigt und zeitgleich die BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger leer ausgehen."
Thomas Jarzombek, bildungspolitische Sprecher der Union

Erhöhte Freibeträge sollen mehr Berechtigte erzeugen 

Die Ampel hatte zuletzt zum Wintersemester 2022/23 das BAföG um 5,75 Prozent erhöht. Wer studiert und noch bei den Eltern wohnt, kann damit 511 Euro pro Monat bekommen – darin enthalten sind ein sogenannter Grundbedarf von 452 Euro plus 59 Euro fürs Wohnen. Auswärts sind es 452 plus 360 Euro für die Unterkunft. 

Da Vermögen, eigenes Einkommen, Einkommen der Eltern und Ehepartner angerechnet werden, ist die eigentliche BAföG-Höhe aber immer individuell. Hier setzt der nächste Punkt der Reform an: Eine Anhebung der Freibeträge, die bei der Anrechnung gelten. Sie sollen um fünf Prozent erhöht werden, um den Kreis der BAföG-Berechtigten zu vergrößern. 

Hintergrund: In den vergangenen Jahren ist deren Zahl deutlich gesunken. 2022 bezogen laut Statistischem Bundesamt 630.000 Personen BAföG-Leistungen, zehn Jahre zuvor waren es noch 979.000 Studierende. Höhere Freibeträge bedeuten, Eltern und BAföG-Empfänger dürfen künftig mehr verdienen und fallen trotzdem nicht gleich aus der BAföG-Förderung heraus. Seit November 2023 steht ein vereinfachtes Formular zur Vermögenserklärung zur Verfügung, bei dem unterhalb einer gewissen Schwelle auf die Einreichung von Belegen und eine Prüfung im Einzelfall verzichtet wird. 

Monatlicher Rückzahlungs-Mindestbetrag erhöht 

Das BAföG wurde seit seiner Einführung 1971 immer wieder reformiert. Aus dem anfangs reinen Zuschuss ohne Rückzahlung wurde später zunächst ein Volldarlehen. Seit 1990 gilt aber die Regel: Eine Hälfte gibt's geschenkt, die andere muss zurückgezahlt werden. Bei der Rückzahlung, die etwa fünf Jahre nach dem Studium fällig wird und maximal 20 Jahre dauern darf, wird jetzt etwas mehr Druck gemacht. Die Reform sieht vor, dass künftig mindestens 150 statt wie bisher 130 Euro monatlich getilgt werden müssen. Die Raten würden an die "aktuelle Einkommens- und Preisentwicklung angepasst", heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf. 

Außerdem sieht die vorliegende BAföG-Reform die Einführung eines sogenannten Flexibilitätssemesters vor. Wenn zum Ende des Studiums die Zeit knapp wird und die Abschlussarbeit drückt, soll Betroffenen die BAföG-Förderung ein halbes Jahr länger gewährt werden dürfen, auch wenn das Ende der Regelstudienzeit schon erreicht ist. Einfacher soll es zudem werden, das Studienfach zu wechseln, ohne den BAföG-Anspruch zu gefährden.

dpa/cva