Portraitfoto von Bettina Stark-Watzinger
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Wissenschaftszeitvertragsgesetz
BMBF stellt neuen Reformentwurf für das WissZeitVG vor

Der letzte Vorschlag zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hat Kritik geerntet. Nun hat das BMBF einen neuen Referentenentwurf vorgestellt.

06.06.2023

Die umstrittene Höchstbefristungsdauer in der Postdoc-Phase soll vier statt wie bisher sechs Jahre betragen mit der Perspektive auf zwei weitere Jahre, die an die Zusage einer Entfristung gebunden sind. So heißt es in dem Referentenentwurf zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG), den Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger und der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Jens Brandenburg am Dienstag im Rahmen eines Pressegesprächs vorgestellt haben.

Der Reformvorschlag soll demnach die Arbeitsbedingungen in den frühen Phasen wissenschaftlicher Karrieren verbessern und schneller als bisher absehbar machen, ob junge Forschende dauerhaft eine berufliche Zukunft in der Wissenschaft haben. Das WissZeitVG könne allerdings keine neuen Dauerstellen schaffen oder die Führungskultur innerhalb der Hochschulen ersetzen, wie die Ministerin bereits eingangs klarstellte.

Streitpunkt Postdoc-Phase im Wissenschaftszeitvertragsgesetz

Die individuelle wissenschaftliche Qualifizierung stehe beim neuen Entwurf im Mittelpunkt. Dazu lege er Mindestvertragslaufzeiten von drei Jahren für Erstverträge in der Promotionsphase und von zwei Jahren nach der Promotion fest. Die Höchstbefristungsgrenze für Postdoktorandinnen und Postdoktoranden, die der erste Reformvorschlag von Mitte März noch mit drei Jahren bezifferte, hatte im Anschluss zur Kritik der deutschen Wissenschaftsorganisationen und weiterer Stakeholder geführt. Bei einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) organisierten Diskussionsrunde Ende März etwa war betont worden, welche deutlichen Unterschiede es zwischen den einzelnen Fächern gäbe, die der damalige Entwurf hinsichtlich der Dauer der Postdoc-Phase nicht berücksichtige.

Das nun vorgestellte Modell sieht eine geteilte Postdoc-Phase vor, innerhalb derer es nach maximal vier Jahren zu einer Entscheidung über die unbefristete Anstellung der Wissenschaftlerin oder des Wissenschaftlers komme. Die Möglichkeit von zwei weiteren Jahren soll der Vielfalt der Fächerkulturen gerecht werden. Außerdem spiegele sie den Gedanken des Tenure-Track-Modells, führe aber nicht automatisch in eine Tenure-Track-Professur, sondern zu einem individuellen Rechtsanspruch auf Entfristung. Dieser könne auch in anderen unbefristeten Verträgen in der Wissenschaft oder dem Wissenschaftsmanagement der beteiligten Hochschule realisiert werden, wie Stark-Watzinger und Brandenburg erläuterten.

Weitere Änderungen im aktuellen Entwurf zur Reform des WissZeitVG

Allgemein soll der Reformvorschlag laut Mitteilung zu einer Aufwertung der Qualifizierungsbefristung führen, indem diese einen zeitlichen Vorrang erhalte. Eine Drittmittelbefristung wäre demnach erst möglich, wenn die Höchstbefristungsdauer in der Qualifizierungsbefristung ausgeschöpft ist. So würden auch für über Drittmittel finanzierte Forschende in der Qualifizierungsphase die sozialpolitischen Vorteile dieser gelten, wie etwa die automatische Verlängerung des Arbeitsvertrags um die Dauer von Mutterschutz und Elternzeit.

Die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Tarifparteien sollen laut BMBF erweitert werden. Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen sollen demnach auch über bestimmte Fachrichtungen und Forschungsbereiche hinweg vereinbart werden können, etwa die Anzahl der Verträge.

Als nächster Schritt werde der Referentenentwurf im Kabinett abgestimmt, dazu sei ein Termin nach der Sommerpause vorgesehen. Erste Gespräche mit SPD und Grünen über den neuen Entwurf hätten bereits stattgefunden, aktuell herrsche allerdings keine Einigkeit über den Entwurf, wie Brandenburg erläuterte. Das BMBF ist allerdings trotzdem optimistisch und Stark-Watzinger erklärte, dass das reformierte Wissenschaftszeitvertragsgesetz im kommenden Jahr beschlossen werden könne.

Reaktionen der Wissenschaftsakteure

Der Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV), Professor Lambert T. Koch, beurteilte die Anpassung der Höchstbefristungsdauer von Postdoc-Stellen auf vier plus zwei Jahre am Dienstag als Schritt "in die richtige Richtung". Im weiteren parlamentarischen Verfahren müsse gegebenenfalls den unterschiedlichen Karrierewegen und Fächerkulturen weiter Rechnung getragen werden. Allerdings bedingten die Entfristungszusicherungen weitere Voraussetzungen, die über den Einflussbereich des WissZeitVG hinausgingen. Die Länder müssten zusätzliche finanziell abgesicherte Dauerstellen und mehr dauerhafte Grundmittel für die Hochschulen vorsehen. Zu den erweiterten Mitbestimmungsmöglichkeiten der Tarifparteien merkte Koch an, dass sie unbeabsichtigte negative Auswirkungen haben könnten, weil unterschiedliche regionale Regeln die Mobilität zwischen Standorten und Einrichtungen in einem föderalen System erschweren würden.

Die Hochschulrektorenkonferenz hat den "lange erwarteten" Referentenentwurf ebenfalls begrüßt. Die Reformvorschläge des BMBF seien "weitgehend unstreitig" so HRK-Präsident Professor Walter Rosenthal. Die geplante Tariföffnung berge allerdings das "Risiko mangelnder Verlässlichkeit und Transparenz für die Mitarbeitenden". Sie beeinträchtige die Mobilität zwischen den Hochschulen der Länder und den außerhochschulischen Forschungseinrichtungen, da die Forschungseinrichtungen in unterschiedlichen Tarifverträgen eingebunden sind.

Die Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Professorin Katja Becker, beurteilte den Entwurf auf Anfrage von "Forschung & Lehre" am Mittwoch positiv: "Die DFG begrüßt, dass sich ihre Position im Referentenentwurf zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz wiederfindet", so Becker. Mit Blick auf die Postdoc-Phase habe die DFG seit Beginn der Diskussionen deutlich gemacht, dass genügend Zeit für eine Orientierung bei Erhalten größtmöglicher Flexibilität wichtig zur Ausgestaltung dieser für die wissenschaftliche Karriere zentralen Phase sei.

Scharfe Kritik äußert die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), laut derer die Postdoc-Phase durch den neuen Entwurf gekürzt werde, so dass Postdoktorandinnen und Postdoktoranden gezwungen würden, diese Phase statt in sechs schon in vier Jahren zu beenden. Der stellvertretende GEW-Vorsitzende Dr. Andreas Keller forderte die Anschlusszusage über eine entfristete Stelle bereits "direkt nach der Promotion".

Kritik äußerte auch Juniorprofessorin Amrei Bahr, Mitinitiatorin der #IchBinHanna-Kampagne, auf Anfrage von "Forschung & Lehre". Der Entwurf ignoriere alle Einsichten der #IchBinHanna-Debatte zur Postdoc-Phase. Die Höchstbefristungsgrenze von vier Jahren sei nicht in der Lage, "Perspektivlosigkeit und Personalrotation" zu stoppen. Im Anschluss an die vier Jahre bestehe "keinerlei Anreiz für die Arbeitgeber", eine Entfristung anzubieten. Bahr hoffe auf den weiteren Gesetzgebungsprozess und dass SPD und Grüne sich entschieden gegen diesen Entwurf positionierten.

aktualisiert am 07.06.2023 um 15.12 Uhr, zuerst veröffentlicht am 06.06.2023

cpy