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Serie: 25 Jahre Forschung & Lehre
Das Spiel mit der Exzellenz

Die Exzellenzinitiative hat die deutschen Universitäten an vielen Stellen verändert. Dabei gibt es Gewinner und Verlierer.

Von Michael Hartmann 10.03.2019

Die Exzellenzinitiative oder Exzellenzstrategie, wie sie jetzt heißt, stellt zweifellos eine der tiefgreifendsten Veränderungen dar, denen die deutsche Hochschullandschaft in den letzten 25 Jahren unterworfen worden ist. Wie wichtig sie für die weitere Entwicklung einer Universität sein würde, war den meisten Beteiligten von Anfang an klar. Ich kann mich noch gut erinnern, wie heftig ich an meiner eigenen Hochschule kritisiert wurde, weil ich in einem Interview noch vor der Bekanntgabe der ersten Sieger die Aussichten der TU Darmstadt sehr skeptisch beurteilt hatte.

Heute ist weitgehend unbestritten, dass die Initiative die vertikale Differenzierung der Universitäten massiv vorangetrieben hat. Die schon vor Beginn des Wettbewerbs führenden Universitäten haben den Abstand zum Rest noch einmal deutlich vergrößern können. Das gilt materiell – die Top Ten haben ihren Anteil an den gesamten DFG-Forschungsgeldern um knapp zehn Prozent steigern können – als auch symbolisch. Jeder Interessierte kennt die Gewinner ebenso wie die Verlierer. Allen anders lautenden öffentlichen Erklärungen zum Trotz war das auch von Anfang an das zentrale Ziel.

Eine Begebenheit, die ich ebenfalls nicht vergessen habe, ist in dieser Beziehung typisch. Auf einer Tagung Mitte des letzten Jahrzehnts unterhielten sich zwei der zentralen Protagonisten in der Annahme, ich könne sie nicht hören, über die Vorzüge, die eine Konzentration der Forschungsmittel ihrer Ansicht nach beinhalte. Einer der beiden Männer, jeweils Vertreter zweier bis heute erfolgreicher "Eliteuniversitäten", kam dabei auf seine bevorstehende Eröffnungsrede zu sprechen. "Gleich werde ich wieder das Übliche von der funktionalen Differenzierung erzählen. Aber wir wissen ja, worum es wirklich geht."

Beide waren wie alle maßgeblichen Unterstützer der Exzellenzinitiative davon überzeugt, dass die Konzentration der Mittel auf wenige Universitäten auch die Leistungs- und damit die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wissenschaft steigern würde. Ob das wirklich der Fall war und ist, kann man aber mit Fug und Recht bezweifeln.

Nur eine "Bündelung vorhandener Forschungskapazitäten"?

Selbst die der Initiative insgesamt sehr positiv gegenüberstehende Imboden-Kommission äußert sich in ihrem Evaluationsbericht diesbezüglich sehr zurückhaltend. Zwar habe es eine Zunahme von hochzitierten Publikationen an den siegreichen Universitäten und vor allem in den Exzellenzclustern gegeben, das allein sei aber nur begrenzt aussagekräftig. Erstens sei dieser Trend im Falle der Universitäten nur marginal verstärkt worden. Zweitens sei im Falle der Cluster, wo es eine deutliche Verstärkung gegeben habe, nicht zu klären, ob es sich nicht nur um eine "Bündelung bereits vorhandener Forschungskapazitäten" handele. Alles in allem ist das eine eher ernüchternde Bestandsaufnahme. Es kann sich also schlicht und einfach nur um eine Konzentration besonders publikationsstarker Wissenschaftler an einzelnen Standorten handeln. Diese profitieren also auf Kosten jener Universitäten, an denen diese Wissenschaftler zuvor tätig waren, ohne dass in der Summe ein Gewinn zu verzeichnen ist.

Die Exzellenzinitiative hat aber noch eine zweite gravierende Konsequenz, die allgemein allerdings weit weniger Beachtung gefunden hat. Sie hat durch die vielen, zeitlich begrenzten Exzellenzcluster den Trend zur Befristung von Arbeitsverhältnissen an den Universitäten noch einmal kräftig verstärkt. Beim wissenschaftlichen Nachwuchs fallen inzwischen neun von zehn Arbeitsverträgen in diese Kategorie, zu fast 50 Prozent auf gerade einmal 12 Monate begrenzt.

Diese Entwicklung wird von den Spitzenvertretern der Wissenschaft fast unisono begrüßt. Wie unsere Elitenbefragung unter den Inhabern der 1000 wichtigsten Machtpositionen 2012 ergab, fiel die Zustimmung zur umfassenden Flexibilisierung des Arbeitsmarkts bei keiner Teilelite so deutlich aus wie bei der wissenschaftlichen. Fast 90 Prozent der Präsidiumsmitglieder der führenden Wissenschaftsorganisationen (von der DFG über die Max-Planck-Gesellschaft bis zur HRK) hielten sie für wichtig oder sehr wichtig, über zehn Prozentpunkte mehr als sogar bei den Topmanagern der Wirtschaft. Das hat selbst mich als kritischen Beobachter überrascht. Die Gesamtbilanz der Exzellenzinitiative ist für mich daher in jeder Hinsicht eindeutig. Die Elite hat gewonnen, die Masse verloren.