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Wissenschaftsfreiheit
DHV verurteilt AfD-Prangerportal

Die Alternative für Deutschland ruft Studierende dazu auf, parteikritische Professoren zu melden. Die Wissenschaft verurteilt das deutlich.

12.10.2018

Der Deutsche Hochschulverband (DHV) hat eine Meldeplattform des baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Stefan Räpple scharf kritisiert. Dieser hatte am Donnerstag Studierende dazu aufgerufen, AfD-kritische Professorinnen und Professoren zu melden. Studierende werden dazu aufgefordert, Belege, zum Beispiel in Form von Klausuren, Ton-Mitschnitten oder Bilddokumenten auf die Plattform hochzuladen. Die Namen der Professorinnen und Professoren sollen öffentlich sichtbar sein.

"Dies ist ein klarer und durch nichts zu entschuldigender Angriff auf die grundgesetzlich geschützte Freiheit von Forschung und Lehre", betonte der Präsident des DHV, Professor Bernhard Kempen. "Es ist eine unverhohlene Einladung zur Bespitzelung und Denunziation, die Erinnerungen an die düstersten Kapitel zweier deutscher Diktaturen weckt."

Die dahinter stehenden Motive seien offenkundig: "Personen, die nicht auf Parteilinie liegen, sollen diffamiert und eingeschüchtert werden. Das ist vollkommen inakzeptabel. Hochschulen sind Stätten geistiger Auseinandersetzung, die vom Disput und dem Ringen um das bessere Argument leben." Maßstab könne dabei nur die Suche nach wissenschaftlicher Wahrheit sein. Ideologie und Parteiprogrammatik seien fehl am Platz.

Kempen kündigte an, dass der DHV als Berufsvertretung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland seine Mitglieder mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln schützen werde. Betroffene Dozentinnen und Dozenten werden aufgerufen, sich mit dem DHV in Verbindung zu setzen.

Räpples Plattform trug laut Berichten die polemische Überschrift "Mein Prof. hetzt". Ebenso wie ein zweites Formular ("Mein Lehrer hetzt!"), auf dem Schüler ihre Lehrer melden sollten, war es schon kurz nach Online-Stellung wieder offline. Ein Hacker-Angriff habe die Seite getroffen, heißt es auf der Seite. Spätestens Anfang kommender Woche sollen die Portale wieder am Netz sein.

Zuvor hatte bereits Hamburg ein entsprechendes Meldeportal für Schüler online gestellt. Der sächsische AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende, Jörg Urban, will noch am Freitagabend nachziehen. Weitere Länder wollen laut Medienberichten folgen.

Breite Empörung bei Politikern aus Bildung und Justiz

Der Chef der Kultusministerkonferenz (KMK), Thüringens Ressortchef Helmut Holter (Linke), sagte am Donnerstag nach einer KMK-Sitzung in Berlin. "Das führt im Ergebnis zu einer Vergiftung des Schulklimas."

Schule müssten Kenntnisse der freiheitlichen und demokratischen Grund- und Menschenrechte vermitteln. "Zur Demokratiebildung gehört auch zu vermitteln, dass es einen nicht verhandelbaren Kernbestand unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gibt."

AfD-Vizechef Georg Pazderski sagte hingegen, die Online-Portale seien "unbedingt notwendig, weil in vielen Schulen von Lehrern nur noch ein einseitiges links-grünes Weltbild verbreitet und geduldet wird".

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) fand in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" deutliche Worte: "Organisierte Denunziation ist ein Mittel von Diktaturen." Die Rechtspopulisten wollten mit den Portalen dagegen vorgehen, dass Lehrer gegen sie argumentierten.

Die Kultusminister wollen juristische Schritte gegen die Portale prüfen. "Wegen der damit verbundenen Prangerwirkung und des geschaffenen Anreizes, dass Schüler und Studenten ihre Lehrkräfte anschwärzen, halte auch ich eine Meldeplattform, wie sie vom AfD-Landtagsabgeordneten Stefan Räpple freigeschaltet worden war, für rechtlich sehr problematisch", sagte Rechtsanwältin Eva Löhner von der Stuttgarter Medienrechtskanzlei Löffler, Wenzel, Sedelmeier. Ein Verbot sei rechtlich aber schwierig.

Bei Lehrern wiederum sei die Grenze zwischen statthafter Positionierung und zu viel Beeinflussung der Schüler nicht einfach zu ziehen. Seit den 70er Jahren gibt es eine Übereinkunft im Bildungsbereich, nach der Lehrer den Schülern ihre Meinung nicht aufdrängen dürfen, sie Themen ausgewogen besprechen und die Schüler zu selbstständigen Entscheidungen anleiten müssen.

Schutz von allgemeinem Persönlichkeitsrecht

Im Konfliktfall gilt dieser sogenannte Beutelsbacher Konsens unter Juristen aber als schwer konkret anzuwenden. Juristen und Experten betonten in der bereits seit Wochen laufenden Debatte über das AfD-Vorgehen zudem in verschiedenen Medien, dass Lehrer Recht auf Meinungsfreiheit haben und den demokratischen Grundsätzen verpflichtet seien.

"Lehrer und Professoren, deren Namen in diesem Zusammenhang veröffentlicht werden, müssen mit Angriffen und Repressalien rechnen und können dadurch ihrerseits in ihrer Meinungsäußerungsfreiheit beschränkt werden", erläuterte auch Löhner. Sie hält die Absicht des AfD-Abgeordneten Räpple, auf der Plattform die Namen der betreffenden Professoren zu veröffentlichen, daher für "grundsätzlich unzulässig".

Bei der Interessenabwägung überwiegt nach ihrer Auffassung das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit.

Die Portale spielen der AfD nicht unbedingt in die Hände. Zwar schaffen sie Aufmerksamkeit, doch nutzen zahlreiche Internetnutzer die Formulare, um die Partei mit ihren Kommentaren auf die Schippe zu nehmen.

In dieser Woche hatte die AfD zudem an einer Veranstaltung der Universität Halle teilgenommen. Unter der Leitung des Politologen wurde dort über die "Neuen Rechte" diskutiert. Diese habe sich mit kritischen Fragen zu Wort gemeldet. Die Stimmung sei bedrückend gewesen, das Sicherheitspersonal bei einer Hochschulveranstaltung wirkte falsch. Dies berichtete ein Reporter des "Deutschlandfunks".

kas/dpa