Illustration eines Roboters, der in die Richtung geht, die ihm eine menschliche Hand weist
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Forum Zukunftstrategie
"Die Wissenschaft ist gleichberechtigte Partnerin"

Die Bundesregierung sucht mit Akteuren aus Wirtschaft, Gesellschaft und Forschung eine Zukunftsstrategie. Kann das gelingen? Ein Interview.

Von Christine Lehnen 25.10.2023

Forschung & Lehre: Frau Professorin Brühl, Sie sind Co-Vorsitzende des Forums "Zukunftsstrategie" der Bundesregierung. Wie war das erste Treffen des Forums in Berlin?

Tanja Brühl: Es war sehr dynamisch und energiegeladen. Das Format ist neu und setzt auf Kooperation: Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft kommen als gleichberechtigte Partnerinnen und Partner zusammen. Die interministerielle Zusammenarbeit in den Missionsteams wird gekoppelt mit dem Input des Forums. Das ist ein wichtiger Schritt, um Forschung und Innovation als Querschnittsanliegen der Bundesregierung zu verankern. Wissenschaftlicher Input ist ressortübergreifend wichtig, denn nur mit Hilfe dieses Inputs können wir die großen gesellschaftlichen Transformationsprozesse erfolgreich gestalten. Das Forum bietet hierfür einen guten Diskussionsraum. 

Professorin Tanja Brühl ist Co-Vorsitzendes des Forums Zukunftsstrategie der Bundesregierung
Professorin Tanja Brühl ist Co-Vorsitzendes des Forums Zukunftsstrategie der Bundesregierung Katrin Binner

F&L: Die Zusammensetzung des Forums hat Kritik auf sich gezogen. Es sind relativ wenig Akteurinnen und Akteure aus den Geisteswissenschaften vertreten, aus denen Sie auch stammen. Dafür besteht eine hohe Beteiligung der Industrie.

Tanja Brühl: Die konkrete Zusammensetzung des Forums beruht auf den sechs Missionen, die in der Zukunftsstrategie der Bundesregierung formuliert werden. Diese Missionen formulieren große Zukunftsfelder, in denen durch kooperativen Austausch und Zusammenwirken aller Akteurinnen und Akteure des Innovationssystems Lösungen für morgen gefunden werden sollen. Dazu kommen die passenden Expertinnen und Experten für die Themen der Missionen zusammen, von denen viele eher naturwissenschaftlicher Art sind, zum Beispiel das Weltall oder die Klimakrise. Ein so umfassendes Vorhaben wie die Umsetzung der Zukunftsstrategie der Bundesregierung erfordert die Beteiligung von wissenschaftlichen, zivilgesellschaftlichen und privat-wirtschaftlichen Akteurinnen und Akteure. Wichtig ist: Die Wissenschaft ist gleichberechtigte Partnerin.

F&L: Wie ist die Aufgabenverteilung im Forum?

Tanja Brühl: Für jede der sechs Missionen gibt es drei Patinnen und Paten, die jeweils aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft stammen. Sie beraten und begleiten interministerielle Arbeitsgruppen, so genannte Missionsteams, in denen Mitarbeitende aus allen Ressorts zusammenkommen. Das ist ein neuer, ein agiler Ansatz. Diese ressortübergreifende Zusammenarbeit ist wichtig und richtig, um bestehendes Silodenken zu überwinden und gemeinsam Veränderungen auf den Weg zu bringen. Als Vorsitzende moderieren wir die Arbeit des Forums, bringen Querschnittsthemen in den Diskussionsprozess ein, koordinieren und schreiben den Abschlussbericht.

F&L: Das Forum soll bis Frühjahr 2025 einen Bericht vorlegen, der die Umsetzung der Zukunftsstrategie der Bundesregierung skizziert. Ist das ambitioniert?

Tanja Brühl: Die Umsetzung der Zukunftsstrategie verlangt geradezu nach Ambitionen. Um die großen gesellschaftlichen Transformationen wie Klimawandel oder Digitalisierung zu gestalten, brauchen wir wissenschaftlichen Input. Alle Mitglieder des Forums sind engagiert und überzeugt, dass wir gemeinsam etwas tun müssen. In meiner Rolle als Co-Vorsitzende des Forums Zukunftsstrategie ist es mir wichtig, die Stimme der Wissenschaft in Deutschland deutlich hörbar und Innovationen aus der Wissenschaft noch sichtbarer zu machen. Dazu stehe ich selbstverständlich im Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen in der Hochschulrektorenkonferenz (HRK).

F&L: Welche Anliegen haben die Forschenden mit zur Auftaktsitzung gebracht?

Tanja Brühl: Der Klimawandel war in der ersten Sitzung ein wichtiges Thema. Wir befinden uns an einem entscheidenden Kipppunkt. Die Diskussionen zeigen die entscheidende Rolle der Wissenschaft: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln kreative Lösungen für drängende Probleme, zeigen Handlungsspielräume und -notwendigkeiten auf. Dies kann Grundlage sein für evidenzbasierte politische Entscheidungen.  

F&L: Das Auftakttreffen hat stattgefunden. Was sind die nächsten Schritte?

Tanja Brühl: Beim ersten Treffen haben wir uns vor allen Dingen kennengelernt und die Arbeitsprozesse festgelegt. Wir sind uns einig: Wir wollen Dinge schnell vorantreiben. Es war allen Mitgliedern des Forums ein wichtiges Anliegen, nicht zu viel Zeit bis zum nächsten Treffen verstreichen zu lassen.

F&L: Ist eine der Missionen besonders wichtig?

Tanja Brühl: Das Forum hat genau den Ansatz, nicht ein Thema, sondern eben alle in der Zukunftsstrategie benannten Zukunftsfelder, alle Missionen, zu bearbeiten. Ziel ist es, Handlungsempfehlungen für eine umfassende Umsetzung der Zukunftsstrategie auszusprechen. Wir werden aber priorisieren müssen. Die Zukunftsstrategie formuliert 188 Ziele. Wir müssen gemeinsam erarbeiten, in welcher Reihenfolge und mit wie viel Kraft wir welche Ziele erreichen wollen und können. Der Klimawandel zum Beispiel ist eine besonders vordringliche Mission, das ist unbestritten.

F&L: Welches Ergebnis streben Sie als Vorsitzende an?

Tanja Brühl: Es ist meine Hoffnung, dass wir im Jahr 2025 einen guten Abschlussbericht vorlegen können. Dem BMBF ist es gelungen, ausgewiesene Expertinnen und Experten für das Forum zu gewinnen. Da kommen sehr viele unterschiedliche Expertisen zusammen. Wichtig ist insbesondere auch, dass alle Ministerien sich aktiv in diesen Prozess einbringen. So können wir am Ende aufzeigen und darstellen, wie die Umsetzung der Zukunftsstrategie durch gemeinsames Handeln aller erfolgreich vorangetrieben werden kann und Veränderungen gelingen.

F&L: Wie sehr wird die Politik an Ihre Empfehlungen gebunden sein?

Tanja Brühl: Wir sind ein Beratungsgremium und hoffen, dass unser Rat gehört werden wird. Das Auftakttreffen des Forums stimmt mich dafür sehr zuversichtlich.