Anja Karliczek
BMBF/Rickel

Europäische Union
Erklärung zur Freiheit der Wissenschaft verabschiedet

Anja Karliczek hat eine Erklärung für Forschungsfreiheit in der EU initiiert. Jetzt wirbt die Bundeswissenschaftsministerin um Unterschriften.

21.10.2020

Bundeswissenschaftsministerin Anja Karliczek hat unter der deutschen Ratspräsidentschaft die "Bonner Erklärung zur Forschungsfreiheit" auf den Weg gebracht. Auf der Ministerkonferenz zum Europäischen Forschungsraum am Dienstag sollen laut Mitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bereits einige Ministerinnen und Minister aus der EU das Papier unterschrieben haben. Alle übrigen will Karliczek bis zum Ende der deutschen Ratspräsidentschaft im Dezember 2020 dafür gewinnen.

Bislang haben sich dem Vorstoß Slowenien, Tschechien, Spanien, Belgien, Irland, Estland, Österreich und Rumänien angeschlossen, wie das BMBF auf Nachfrage von "Forschung & Lehre" mitteilte. Fast alle übrigen EU-Staaten hätten ihre Absicht erklärt, sich noch anschließen zu wollen. Darunter sei auch Ungarn, das seit längerem mit starken Einschnitten in die Wissenschaftsfreiheit an der Central European University (CEU) und anderen Wissenschaftseinrichtungen Schlagzeilen macht. Polen sei laut BMBF der einzige EU-Staat, von dem noch keine abschließende Antwort eingegangen sei. Man gehe davon aus, dass dies an aktuellen Umbildungen in der Regierung liege.

Außerhalb der Union wollen sich der Erklärung außerdem laut Rückmeldung anschließen: die Schweiz, Israel, Norwegen, Island, Australien, Neuseeland, die Afrikanische Union, Kanada, das Vereinigtes Königreich und Singapur.

Bundeswissenschaftsministerin Karliczek nannte die Erklärung ein "bedeutendes Signal" für das Wertefundament des Europäischen Forschungsraums. "Die Verteidigung und der Schutz der Forschungsfreiheit ist die Basis für eine gute Zukunft Europas. Mit einer starken Forschung können wir die Grundlage für Fortschritt und Wohlergehen der Menschen in den nächsten Jahrzehnten legen", schreibt das BMBF auf seiner Website. "Wir verurteilen alle Versuche, Forschungsfreiheit einzuschränken. Das gilt auch für Angriffe gegen Wissenschaftler aus einigen Teilen der Gesellschaft, wie dies leider auch in der Corona-Pandemie verstärkt zu beobachten ist."

Forscherinnen und Forscher würden zum Teil "auf das Übelste beschimpft, denunziert und bedroht", sagte Karliczek dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). "Mit diesen Attacken sollen sie mundtot gemacht werden, weil ihre Aussagen dem Meinungsbild des Angreifers widersprechen (...) Wir müssen uns als europäische Gesellschaft vor die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie sich zurückziehen."

Zu einer freien Forschung gehöre aber auch, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ethischen Standards folgten und ihre Arbeit so transparent und klar kommunizierten wie möglich. Dadurch könnten sowohl kursierende Falschnachrichten eingeordnet als auch das Bewusstsein für die Bedeutung wissenschaftlich fundierter Informationen gestärkt werden.

HRK: "Die Verantwortlichen beim Wort nehmen"

Die unterzeichnenden Regierungen versprechen mit ihrer Unterschrift, "Verletzungen der Forschungsfreiheit aufs Schärfste zu verurteilen und sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, diese zu verhindern". Die Ministerinnen und Minister wollen außerdem Wissenschaftsorganisationen dabei unterstützen, Falschnachrichten einzuordnen und Kampagnen mit dem Ziel der Desinformation entgegenzutreten.

Auch sagen die Regierungen zu, durch die Förderung einer modernen Forschungsinfrastruktur und "adäquate" wissenschaftliche Laufbahnen die Voraussetzungen für eine freie und internationale Forschung schaffen zu wollen.

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) begrüßte den Vorstoß. "Wir brauchen solche klaren politischen Zeichen für die Freiheit der Forschung als Grundwert der Europäischen Union und als Prinzip der internationalen Forschungszusammenarbeit. Mobilität und freier Austausch sind Bedingungen einer erfolgreichen Wissenschaft", sagte HRK-Präsident, Professor Peter-André Alt. Das beabsichtigte Monitoring der Wissenschaftsfreiheit müsse ernst genommen werden: "Wir werden die Verantwortlichen beim Wort nehmen und gegebenenfalls auf Konsequenzen drängen. Als höchstes Gut darf Wissenschaftsfreiheit keiner Einschränkung aufgrund politischer Beweggründe unterliegen."

Das Treffen der Ministerinnen und Minister diente insgesamt dazu, über die Neuausrichtung des Europäischen Forschungsraums zu sprechen. Dessen Bedeutung in der Welt wollen die EU-Länder weiter stärken und dies unter anderem damit erreichen, innovative und anwendungsbezogene Forschung schneller voranzubringen, die offensichtlich zu "wirtschaftlich nutzbaren Produkten" führen kann und für die Bevölkerung greifbarer wird. Ende November wollen die Mitgliedstaaten im Rat für Wettbewerbsfähigkeit dazu Ratsschlussfolgerungen verabschieden. Parallel läuft ihre Kampagne "Der Europäische Forschungsraum: Gemeinsam zu mehr Wissen", die Einblicke in die Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geben soll.

kas