Mann und Frau besprechen einen Bericht oder eine Analyse
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Wissenschaftszeitvertragsgesetz
Evaluation des WissZeitVG zeigt leichte Fortschritte bei Befristungen

An den Arbeitsverhältnissen in der Wissenschaft hat sich mit der Novelle des WissZeitVG nur wenig verändert. Immerhin: Die Verträge laufen länger.

20.05.2022

Die Evaluation des 2016 novellierten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) liegt vor. Das HIS-Institut für Hochschulentwicklung (HIS-HE) und die Interval GmbH haben am Freitag den Abschlussbericht zu ihrer im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) durchgeführten Analyse veröffentlicht und offiziell an das BMBF übergeben. Die Evaluation war auf zwei Jahre angelegt, habe aufgrund pandemiebedingter Verzögerungen aber fünf Monate länger gedauert. Der knapp 250 Seiten starke Bericht hat "eine positive, jedoch noch keine nachhaltige Veränderung der Vertragslaufzeiten festgestellt", teilte das HIS-HE mit.

Das WissZeitVG regelt das Befristungsrecht in der deutschen Wissenschaft. Es trat 2007 in Kraft und wurde nach einer ersten Evaluation des HIS-HE aus dem Jahr 2011 überarbeitet. Die 2016 beschlossene Novelle hatte zum Ziel, die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zu verbessern, insbesondere unsachgemäße Kurzbefristungen zu unterbinden. Das Gesetz sieht seither vor, dass die Vertragslaufzeiten einer angestrebten Qualifizierung, zum Beispiel Promotion oder Habilitation, oder der Dauer eines Drittmittelprojekts entsprechen. Die aktuelle Evaluation hat nun die Auswirkungen dieser Änderung untersucht.

Vertragslaufzeiten leicht gestiegen

Demnach sind die Vertragslaufzeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses leicht gestiegen: Im Jahr 2015 hätten an Universitäten angestellte nicht promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Verträge mit einer mittleren Laufzeit von 15 Monaten gehabt, bei Promovierten habe diese bei 17 Monaten gelegen. 2017 hätten die mittleren Laufzeiten 21 bis 22 Monate erreicht, in den Jahren 2018 und 2019 hätten sie sich auf einem Niveau von rund 20 Monaten eingependelt. Mit der Pandemie sei der Wert 2020 um 2,7 Monate gesunken.

Insgesamt habe es seit der Novelle des WissZeitVG an Universitäten mehr Arbeitsverträge mit einer dreijährigen Laufzeit gegeben, der Anteil an Kurzbefristungen habe sich reduziert. An außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) hätten sich die Vertragslaufzeiten vergleichbar zu den Universitäten entwickelt.

Dennoch habe weiterhin rund jeder dritte Arbeitsvertrag an den Universitäten und HAWs eine Laufzeit von weniger als zwölf Monaten; bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und im Bereich der Humanmedizin sei es ein Viertel der befristeten Arbeitsverträge. In einer Befragung von rund 6.000 Personen auf Qualifikationsstellen habe jeder zweite befristet Beschäftigte angegeben, seine Anstellungsdauer für zu kurz zu halten, um die angestrebte Qualifizierung zu erreichen. Die Laufzeiten drittmittelbefristeter Verträge entsprächen hingegen überwiegend den Projektlaufzeiten.

Die Autorinnen und Autoren der Evaluation betonen auch, dass die festgestellten Veränderungen der Vertragslaufzeiten nicht allein durch die Novelle des WissZeitVG verursacht worden seien. In den meisten Bundesländern und an vielen Einrichtungen seien zusätzliche Maßnahmen durchgeführt, rechtliche Bestimmungen geändert und Vereinbarungen getroffen worden, um die Bedingungen für die befristet beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verlässlicher zu gestalten.

Insgesamt waren 2020 laut dem Bericht 81 Prozent des gesamten hauptberuflichen wissenschaftlichen Personals der Hochschulen, ohne Professorinnen und Professoren, befristet beschäftigt. 2013 waren es 83 Prozent.

HRK verweist auf Grenzen gesetzlicher Regelungen

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Professor Peter-André Alt, begrüßte die vorgelegten Ergebnisse am Freitag und forderte eine gründliche Bewertung durch das Ministerium in Abstimmung mit den betroffenen Interessengruppen, um das WissZeitVG gegebenenfalls weiter zu verbessern.

"Die Evaluation zeigt, dass sich die Befristungspraxis der Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Universitätskliniken aufgrund der letzten Gesetzesnovelle verändert hat; vielfach im Sinne größerer Transparenz von Karrierewegen für Beschäftigte und Wissenschaftseinrichtungen. Zugleich werden die Grenzen des gesetzlich Regelbaren deutlich", sagte Alt. Die Verantwortung für den wissenschaftlichen Nachwuchs gehe über den arbeitsrechtlichen Rahmen hinaus. Wissenschaft und Politik müssten "in einem umfassenden Sinn" für attraktive Beschäftigungsbedingungen sorgen, wofür die wissenschaftlichen Einrichtungen jedoch eine verlässliche Finanzierung bräuchten.

Die Hochschulen wiederum seien gefordert, "von ihnen eröffnete Karrierewege klar zu strukturieren und nicht allein für Laufbahnen in Forschung und Lehre, sondern für verschiedene Tätigkeiten in Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft zu qualifizieren", erklärte Alt. Man müsse auch anerkennen, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Wissenschaft begrenzt und die Auswahlverfahren notwendigerweise hochkompetitiv seien.

ckr