Studierende tragen während einer Demonstration in der Rostocker Innenstadt ein Spruchband mit der Aufschrift "Stirbt die Bildung - stirbt das Land!".  Das Foto ist aus dem Jahr 2004.
picture-alliance / dpa | Bernd Wüstneck

Hochschulfinanzierung
Geldnot an Hochschulen führt zu Entfall von Stellen

Die Humboldt-Universität Berlin kündigt das Auslaufen von Professuren aus Geldmangel an. Das ist leider kein Einzelfall.

Von Christine Vallbracht 22.02.2024

Etliche Hochschulen berichten über ihre desolate Finanzsituation, die sie zum Einsparen von Personalkosten zugunsten von Sachmitteln zwinge. So äußert sich Volker Schmidt, Pressesprecher der Goethe-Universität, gegenüber "Forschung & Lehre" kritisch zur finanziellen Lage der Frankfurter Universität und deren Gestaltungsspielraum: "Tarifsteigerungen, Inflation und insbesondere Energie- und Baukosten stellen alle Hochschulen vor große Herausforderungen. Der aktuelle Hessische Hochschulpakt, der noch bis 2025 läuft, sollte den Hochschulen mit einem jährlichen Wachstum der Grundfinanzierung von vier Prozent einen Gestaltungsspielraum über die Kostensteigerungen hinaus eröffnen. Dieses Ziel ist nicht mehr erfüllt. Wir werden in Abstimmung mit den anderen hessischen Hochschulen entsprechend in die anstehenden Gespräche mit der Landesregierung gehen." 

"Tarifsteigerungen, Inflation und insbesondere Energie- und Baukosten stellen alle Hochschulen vor große Herausforderungen."
Volker Schmidt, Pressesprecher der Goethe-Universität

"Die Budgetkürzungen in verschiedenen Ressorts des Bundes und Landes wirken sich auch an der RWTH aus, beispielsweise beim Thema ‘Batterieforschung’. Selbst laufende Projekte werden zum Teil nicht verlängert. Aktuell erkennen wir etwa durch gestiegene Energiekosten eine finanzielle Belastung. Die RWTH verfügt nicht über einen eigenen Investitionshaushalt, sondern ist an dieser Stelle auf Finanzierungen durch das Land und den Bund angewiesen", erläutert Thorsten Karbach, Dezernent für Presse und Kommunikation an der RWTH Aachen, für "Forschung & Lehre" die Situation an der Hochschule im äußersten Westen Deutschlands. 

"Die Budgetkürzungen in verschiedenen Ressorts des Bundes und Landes wirken sich auch an der RWTH aus, beispielsweise beim Thema ‘Batterieforschung’."
Thorsten Karbach, Dezernent für Presse und Kommunikation an der RWTH Aachen

Petra Giegerich, Leiterin Kommunikation und Presse an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, fasst den Umgang mit freiwerdenden Stellen als übliche Sparpraxis so zusammen: "Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) 'erwirtschaftet' im Rahmen ihres Globalhaushalts schon seit Jahren durch temporäres Freihalten freiwerdender Stellen aus dem Personalbudget Mittel zur Deckung der unzureichenden Sachmittel. Diese Personalgelder werden zur Deckung der Sachkosten wie Strom, Wärme, Bauunterhalt, Literaturversorgung, IT-Versorgung etc. benötigt und verwendet." 

Millioneneinsparungen an der HU Berlin trotz Haushaltszuwachs 

Das Präsidium der Humboldt-Universität Berlin (HU) betonte laut "Tagesspiegel", dass es um ohnehin frei werdende Stellen ginge, die zukünftig nicht mehr besetzt werden sollten. HU-Präsidentin Professorin Julia von Blumenthal und der Vizepräsident für Haushalt, Niels Helle-Meyer, berichteten vergangene Woche dem Akademischen Senat von ihren Haushaltsplänen bis 2030. Aufgrund eines Millionendefizits seien Haushaltseinsparungen unumgänglich. 

Dabei könnte es sich um 20 bis 25 Professuren sowie deren Ausstattung handeln. Ausdrücklich stellte von Blumenthal dazu gegenüber des Senats fest: "Das hat keine Konsequenz auf bestehende Arbeitsverträge." Vizepräsident Helle-Meyer ergänzte in der erläuternden Präsentation noch die Mehrkosten verursachenden Posten Inflation, Energiekosten, Mieten und Neuanschaffung von Geräten. 

"Das hat keine Konsequenz auf bestehende Arbeitsverträge."
HU-Präsidentin Professorin Julia von Blumenthal

Während der Haushalt für 2024, so der "Tagesspiegel", noch ausgeglichen sei, zeichne sich für die Folgejahre bis 2030 ein jährliches Defizit von rund 8,7 Millionen Euro ab, was laut Blumenthal einen "Prozess der Konsolidierung" erfordere. Hauptursache für das geplante Vorgehen sei laut Präsidium, dass die Steigerung beim Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst über der Zuwachsrate bei den Landesmitteln läge. 

Vor kurzem wurden die Hochschulverträge für die kommenden fünf Jahre 2024 bis 2028 durch Wissenschaftssenatorin Dr. Ina Czyborra und die Präsidentinnen und Präsidenten und Rektorinnen und Rektoren der Berliner Universitäten und Hochschulen unterzeichnet. Wissenschaftssenatorin Dr. Ina Czyborra zeigte sich zufrieden: "Die Verträge bilden die Grundlage für die Entwicklung und Weichenstellung der Wissenschaften in Berlin. Insbesondere in Zeiten angespannter Haushalte ist die zugesicherte Steigerung der Grundfinanzierung um jährlich fünf Prozent ein wichtiges Signal. Damit werden den Hochschulen die nötigen Ressourcen bereitgestellt, ihre Aufgaben zu erfüllen und sich weiter zu entwickeln." 

Ehemalige Drittmittelfinanzierung mit Eigenmitteln verstetigen 

Seit 2018 habe man an der HU Berlin insgesamt 42 neue Professuren geschaffen, deren Finanzierung über Fördergelder und Drittmittel nun auslaufe. Damit die Professuren nicht nach Gutdünken gestrichen würden, habe das Präsidium einen umfangreichen Kriterienkatalog zusammengestellt, der bei der Entscheidungsfindung helfen soll. 

Dazu gehörten laut Tagesspiegel die Auslastung bei der Lehre, Drittmitteleinnahmen oder Forschungsleistungen. Auch "qualitative" Aspekte sollten berücksichtigt werden oder Alleinstellungsmerkmale von Fächern. Vom Senat wurde der Wunsch nach Erhalt der "Artenvielfalt" der Fächer geäußert. 

Gesicherte Grundfinanzierung: Beispiele aus Hamburg und Bayern 

"Die Grundfinanzierung an der Universität Hamburg (UHH) ist für die kommenden fünf Jahre gesichert. Der finanzielle Gestaltungsspielraum an der UHH wird eng sein. Die Universität Hamburg setzt Investitionsschwerpunkte in den Bereichen IT und Digitalisierung. Die Digitalisierung hat an der UHH und in den Bereichen Lehre, Forschung und Transfer eine große Bedeutung. Dazu gehören unter anderem die Themenbereiche KI & Data Science, Data Literacy und Maschinelles Lernen", erläutert Alexander Lemonakis, Pressesprecher des Präsidenten der Universität Hamburg, gegenüber "Forschung & Lehre" die finanziellen Pläne und Investitionsvorhaben seiner Arbeitgeberin. 

"Die Grundfinanzierung an der Universität Hamburg (UHH) ist für die kommenden fünf Jahre gesichert."
Alexander Lemonakis, Pressesprecher des Präsidenten der Universität Hamburg

Die Leiterin der Pressestelle der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg, Blandina Mangelkramer, beurteilt die Situation ihrer Hochschule auf Nachfrage von "Forschung & Lehre" als relativ finanziell stabil: "Der Finanzhaushalt der bayerischen Universitäten hängt unmittelbar am Staatshaushalt des Freistaats Bayern. Wir gehen von einem stabilen Haushalt aus, erwarten aber auch keine wesentlichen Steigerungen. Selbstverständlich betrachten auch wir Inflation und Tarifsteigerungen mit Sorge, besonders aber auch die massiven Steigerungen bei den Energie- und Bewirtschaftungskosten sowie, speziell an der FAU, den steigenden Sanierungsstau der vielen mittlerweile in die Jahre gekommenen Gebäude der Universität." 

Dennoch sieht auch Mangelkramer eine Verengung der Gestaltungsspielräume und entsprechende Auswirkungen auf die Personalkosten: "Die Spielräume werden in den kommenden Jahren deutlich enger werden. Investitionsschwerpunkte sind aus unserer Sicht die Digitalisierung, gerade auch der Verwaltung, sowie weiterhin attraktive Neuberufungen von Spitzenforschenden. Wir profitieren im wissenschaftlichen Bereich durch bayerische Programme wie etwa die Hightech Agenda Bayern oder das Spitzenprofessuren-Programm von zusätzlichen Mitteln – doch damit muss die Infrastruktur auch Schritt halten können. Da etwa zwei Drittel der Ausgaben an der FAU Personalausgaben sind, ist das die einzige relevante Stellschraube. Hier kann es demnach keine weiteren Aufwüchse geben." 

"Die Spielräume werden in den kommenden Jahren deutlich enger werden."
Leiterin der Pressestelle der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Blandina Mangelkramer

Investitionsschub im Osten: Gestaltungspielraum unklar 

Im Osten Deutschlands wird derzeit laut Deutscher Presseagentur einiges investiert. So können beispielsweise Sachsens Hochschulen in den kommenden Jahren mit mehr Geld rechnen und sollen auch neue Studienangebote schaffen. An der TU Dresden ist das Fach Astrophysik neu geplant, an der Bergakademie Freiberg Wirtschaftsinformatik und an der Hochschule Zittau/Görlitz ein Studienangebot zu Bauingenieurwesen, informierte Anfang Februar Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) nach einer auswärtigen Kabinettssitzung in Zwickau. 

Mit der "Hochschulentwicklungsplanung 2025plus" würden wichtige Weichenstellungen bis ins nächste Jahrzehnt vorgenommen, sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Dabei soll das Geld für die Hochschulen in den kommenden Jahren aufgestockt werden. Aktuell würden sie jährlich mit rund 760 Millionen Euro finanziert, erklärte Gemkow. Dieser Betrag soll steigen: um zunächst 5 Millionen zusätzlich 2025 und dann auf bis zu 30 Millionen Euro extra jeweils 2028 bis 2032. Damit sollen nicht nur Kostensteigerungen aufgefangen, sondern auch Angebote auf- und ausgebaut werden. Ob der finanzielle Gestaltungspielraum dafür reichen wird, wird sich zeigen.