Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Guido Bergmann

Frank-Walter Steinmeier
"Hochschullehrer tragen große Verantwortung"

Der Bundespräsident hat in Bonn ein Plädoyer für die Demokratie gehalten, die Universitäten zur freien Arbeit brauchen – und mit in der Hand haben.

18.10.2018

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die große Bedeutung der Universitäten und die Verantwortung der Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen für die Demokratie in Deutschland betont. "Ohne starke Wissenschaft wäre unser Land nicht überlebensfähig", sagte Steinmeier am Donnerstag bei der Festveranstaltung zum 200-jährigen Bestehen der Universität Bonn.

Steinmeier betonte, dass Universitäten nur in einer Demokratie – in einem "liberalen" Umfeld –  agieren könnten, in der die Freiheit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler garantiert sei und nicht von dem Befinden des aktuellen Staatsoberhauptes abhänge.

Diese Freiheit in einer Demokratie gelte es immer wieder zu verteidigen, denn "es war ein verschlungener Weg [dorthin], mit Um- und auch Abwegen". Dabei hob Steinmeier die Zeit des Nationalsozialismus und dessen Folgejahre hervor, die alle regierungskritischen Wissenschaftler zu spüren bekamen.

Zur aktuellen Lage sagt er: "Die Unabhängigkeit vom Staat ist garantiert; für die Unabhängigkeit von anderen muss die Wissenschaft selbst sorgen." Universitäten müssten sich immer wieder auf ihre Aufgabe der Wahrheitsfindung berufen, externe Förderung über Drittmittel reflektieren und transparent machen.

Demokratie bedeutet Bereitschaft zur Debatte

Steinmeier betonte die Verantwortung der Hochschulen, die über "Labor und Vorlesungssaal" hinausgehe. "Hochschullehrer tragen eine große Verantwortung für die Zukunft der Demokratie". Sie prägten bei den aktuell hohen Studierendenzahlen die Generation von morgen.

Wissenschaft sei wegweisend für Gesellschaften als Ganzes. "Erst sie legt das Fundament für Innovationen und Perspektiven für kommende Generationen. Und erst die Kombination von akademischer Freiheit und Forschergeist in Verantwortung schafft die Freiräume, in denen Gesellschaft sich ihrer selbst versichern kann."

Dafür brauche es "die großen Debatten, auch die Kontroverse". Mit einfachen Antworten sei es nicht getan. Die Universitäten müssten das passende Klima für solche Debatten garantieren – und dieses auch in der Lehre fördern. "Es waren Studentinnen und Studenten, die dem frischen Wind immer wieder die Fenster geöffnet haben – etwa bei der neuen Universitätsverfassung von 1968."

"Anständiger Umgang miteinander, das bedeutet niemals Schonung vor intellektueller Herausforderung – schon gar nicht an einer Universität!" Frank-Walter Steinmeier

Dabei müssten verschiedene Meinungen gehört werden. "In den vergangenen Jahren zum Beispiel gab es, gerade in Amerika, eine Tendenz, die Unis zu abgeschirmten Biotopen der sauberen Sprache und der seelischen Irritationslosigkeit zu entwickeln", sagte Steinmeier. "Vor lauter Rücksichtnahme und "Triggerwarnungen" verschwindet mancherorts sogar Shakespeare vom Lehrplan. Das halte ich für falsch."

"Political Correctness" heiße allerdings nicht zwangsläufig Feigheit oder Sprachpolizei, sondern sei zuerst einmal Ausdruck von "mühsam erworbener Zivilität und historischer Sensibilität". Das sei ein wichtiger Unterschied – und um ihn zu erkennen, seien alle an den Universitäten gefragt, als "nüchterne und unnachgiebige Stimmen".

Er forderte Diskussionsbereitschaft und "niemals Schonung vor intellektueller Herausforderung – schon gar nicht an einer Universität!" Der offene Austausch dürfe sich dabei nicht nur auf das eigene Fach beschränken, sondern über Fächer, Universitäten, Länder gehen.

Die Universität Bonn blickte am Donnerstag neben 200 Jahren Universitätsgeschichte auf ein erfolgreiches Jahr, in dem sie nicht nur mit sechs Exzellenzclustern in der aktuellen Runde der Exzellenzinitiative Erfolg hatte, sondern ihr Mathematiker Peter Scholze zudem als zweiter Deutscher überhaupt die Fields Medaille erhielt, die höchste Auszeichnung in der Mathematik.

kas