Russlands Minister für Wissenschaft und Hochschulbildung Waleri Falkow
picture alliance/dpa/TASS / Sergei Bobylev

Hochschulsysteme
Russland schafft Bologna-Reform wieder ab

In Russland existiert seit 2003 ein Hochschulsystem nach dem westlichen Bologna-Modell. Nun will das Land zum früheren Sowjetsystem zurück.

02.06.2022

Seit seiner Einführung vor über 20 Jahren ist das Bologna-System international anerkannt und Standard an europäischen Hochschulen. Auch Russland hat das Modell 2003 freiwillig übernommen, um die Hochschulbildung europaweit zu standardisieren. Nun will das Land das System an seinen Hochschulen wieder abschaffen, berichtete vergangene Woche die "Moscow Times".

Russland werde voraussichtlich aus dem Abkommen aussteigen und durch ein neues System ersetzen, das "nationalen Interessen" gerecht werden soll, habe der russische Wissenschafts- und Hochschulminister Waleri Falkow am 24. Mai angekündigt. Einen Zeitpunkt für den Ausstieg habe er nicht genannt. "Die Zukunft gehört unserem eigenen einzigartigen Bildungssystem, das sich an den Interessen der Volkswirtschaft und den maximalen Möglichkeiten für jeden Studierenden orientieren sollte", zitiert der Bericht den Minister.

Kurswechsel in Russlands Hochschulbildung

Zwei Monate zuvor habe sein Ministerium Forderungen nach einem Bologna-Ersatz noch zurückgewiesen. In den vergangenen Wochen sei in Russland jedoch die Kritik an dem westlichen System lauter geworden. Auch Rosobrnadzor, Russlands Bundesbehörde für die Aufsicht von Bildung und Wissenschaft, habe am 25. Mai einen schrittweisen Ausstieg aus dem europäischen Rahmen gefordert.

Der russische Sicherheitsratssekretär Nikolai Patruschew habe einen Tag zuvor die Rückkehr zum System der ehemaligen Sowjetzeit gefordert. Nur mit diesem "weltweit besten einheimischen Bildungsmodell" könne Russland den "Bedrohungen" aus dem "kollektiven Westen" begegnen. Seine Abschlüsse aus der Sowjetzeit hatte Russland in den 2000er Jahren schrittweise durch ein zweistufiges System mit vierjährigen Bachelor-Abschlüssen und optionalen zweijährigen Postgraduierten-Abschlüssen ersetzt.

Russische Akademiker und politische Analysten haben laut Bericht das sowjetische System im Vergleich zum europäischen Standard als "unflexibel" und "schwach" kritisiert. Zuvor hätten sie auch vor Konsequenzen für russische Studierende gewarnt, wenn Russland den Bologna-Raum verlassen sollte. Sie könnten durch den Schritt möglicherweise von einer Karriere in Europa ausgeschlossen werden, weil russische Diplome außerhalb des Landes nicht mehr anerkannt würden. Das würde ihnen den Wechsel an eine europäische Universität sowie die Suche nach einem Job erschweren.

aktualisiert am 03.06.2022, zuerst veröffentlicht am 02.06.2022

ckr