Präsidentin der AAAS Dr. Susan Hockfield
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AAAS-Jahreskonferenz
Stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit gefordert

In den USA ist die weltgrößte Wissenschaftskonferenz zu Ende gegangen. Auch die gesellschaftspolitische Lage stand zur Debatte.

Von Katrin Schmermund 20.02.2018

Rund 7.000 Teilnehmer diskutierten auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science (AAAS) in mehr als 130 Vorträgen, Seminaren und Workshops aktuelle Fragestellungen aus zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen, von Medizin über Politik- bis Ingenieurwissenschaft.

"Wie bringen wir unsere Technologie schnell genug voran, um die Bevölkerung ernähren und medizinisch versorgen zu können", fragte die Präsidentin der AAAS Dr. Susan Hockfield in ihrer Rede. Sie verwies auf die von der UN aktuell prognostizierte Größe der Weltbevölkerung von 9,8 Milliarden im Jahr 2050 und die notwendigen Fortschritte in Gesundheitsversorgung, nachhaltiger Energie, Nahrungs- und Wasserversorgung, um die Lebensgrundlage aller Menschen sicherzustellen. Ihre Antwort: Eine stärkere fachübergreifende Zusammenarbeit. "Der Fortschritt, den wir in der Vergangenheit gesehen haben, kommt häufig, wenn sich Disziplinen überschneiden und auf neue Art zusammenlaufen", sagte die Wissenschaftlerin vom Massachusetts Institute of Technology.

"50 Prozent unseres Wachstums beruhen auf dem technologischen Fortschritt", betonte Susan Hockfield. Es sei wichtig, verstärkt in Grundlagenforschung zu investieren, die wiederum zu fortschrittlichen Lösungen für gesellschaftliche Probleme führen müsse. Anders als die USA und Länder wie Deutschland, Japan oder Südkorea habe China die Investitionen in Forschung und Entwicklung massiv erhöht. Hier müssten sich andere Länder ein Vorbild nehmen. Dabei sei wichtig, dass auch der Staat verstärkt in diesen Bereich investiere und nicht primär die Wirtschaft.

Ex-Vizepräsident Biden kritisiert mangelnden Fortschritt in Krebsforschung

Eines der Highlights für viele Teilnehmer war der Auftritt des ehemaligen Vizepräsidenten der USA Joe Biden. "Es ist Zeit aufzustehen", rief dieser den Zuhörern seiner Rede zu. "Die Stärke unseres Militärs ist nicht der Grund, warum uns Nationen folgen. Sie folgen uns wegen der Stärke unserer Vorreiterrolle." Diese dürfe nicht verspielt werden.

Joe Biden sprach über den Stand der Krebsforschung, den er scharf kritisierte. Vor zwei Jahren war sein eigener Sohn an Krebs gestorben. Er habe als Vizepräsident auf die besten Ärzte zurückgreifen können, doch sei von dem Stand der Entwicklungen erschüttert gewesen, sagte er. "Ich versuche daran mitzuwirken, einen Standard in der Krebsforschung zu schaffen, von dem Sie denken, dass es diesen schon längst gibt, aber das ist nicht der Fall."

Seit einigen Jahren setzt sich Joe Biden in der Krebsforschung ein. Als Vizepräsident unter Barack Obama entstand unter anderem das Programm "Cancer Moonshot 2020", in Anlehnung an das US-Weltraumprogramm. Die derzeitige Regierung unter Donald Trump setze jedoch die Wirtschaft vor die Wissenschaft, mahnte Biden.

Er plädierte für eine Stärkung des Datenaustausches zwischen internationalen Forschungseinrichtungen und Fächern. Nur so seien die notwendigen Weiterentwicklungen in Prävention, Gesundheitsversorgung für alle Gemeinden und personalisierter Medizin, die auf spezifische Bedürfnisse jedes einzelnen einginge, möglich.

Zahlreiche Nachfragen zu sexueller Belästigung

Auch die "#Metoo"-Debatte der vergangenen Monate war bei der AAAS-Konferenz präsent. In ihrem Vortrag sagte Professorin Meg Urry: "Es ist uns allen klar, da bin ich sicher, dass sexuelle Belästigung einfach falsch ist", sagte sie. "Aber ich denke auch darüber nach, was die Wissenschaft verliert, wenn es sexuelle Belästigungen gibt. Wir verlieren Talente, neue Ideen, das unterschiedliche Denken, das zu Innovationen führt."

Die Konferenz-Teilnehmer wollten wissen, wie andere mit dem Problem der sexuellen Belästigung umgingen. Auch interessierten sie sich dafür, wozu Hochschulen rechtlich verpflichtet seien, wenn sie von sexueller Belästigung erführen. Meg Urry sagte dazu in ihrem Vortrag, dass sich Universitäten und Wissenschaftler bewusst machen sollten, dass eine ihrer zentralen Aufgaben darin bestehe, Nachwuchswissenschaftler zu unterrichten und auszubilden. Es sei ihre Pflicht, diese vor sexuellen Belästigungen zu schützen.

"Die Wissenschaft in den USA ist in dieser Hinsicht wahrscheinlich nicht besser oder schlechter als andere Branchen", sagt Shirley Malcolm von AAAS der Deutschen Presse-Agentur. "Aber wir müssen uns das Problem und die Lösungen zu eigen machen. Wir müssen offen darüber diskutieren und ehrlich sein, es darf nichts mehr versteckt werden." Insbesondere Männer seien verunsichert, wie sie sich im wissenschaftlichen Arbeitsalltag nun verhalten sollen.

Dr. Robin Mishra, Leiter Wissenschaft und Technologie an der Deutschen Botschaft in Washington D.C., nahm die Konferenz insgesamt als "seltsam unpolitisch" wahr, schrieb er im "Chancen Brief" der "Zeit". Im Vergleich zum vergangenen Jahr habe der Fokus wieder stärker auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen als der aktuellen politischen Situation gelegen. Er sprach von einer "neuen Nüchternheit" unter den Wissenschaftlern, die "den Turbulenzen im Weißen Haus müde geworden seien" und sich nun wieder stärker ihrer Wissenschaft widmeten.

Initiativen für die Freiheit der Wissenschaft an Hochschulen laufen jedoch weiter. Schließlich hat Donald Trump diese bereits durch unterschiedliche Amtshandlungen eingeschränkt. Auch das Budget für Bildung und Forschung wollte er in vielen Punkten kürzen. Hier hoffen viele Wissenschaftler auf die Unterstützung der Mitglieder von Senat und Repräsentantenhaus.

Die AAAS-Jahrestagung fand vom 15. bis 19. Februar in Austin, Texas, statt.