Mann mit Brexit-Shirt
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Brexit
"Wie viele werden sich noch für eine Karriere bei uns entscheiden?"

Der britische Professor Peter Scott sorgt sich um den Wissenschaftsstandort Großbritannien. Seine Bedenken formuliert er in einem flammenden Essay.

09.11.2018

Der britische Professor Peter Scott hat in einem Gastbeitrag für den "Guardian" harsche Kritik an der Entscheidung für den Brexit geäußert. Dieser "verdrecke" das Bild Großbritanniens in der Wissenschaft. Die Abkehr von der EU stelle das Land auf eine Ebene mit Trump, Orbán und Putin.

Sein Vergleich ziele auf die nationalistische und rechtspopulistische Wirkung, die Großbritannien mit der Entscheidung ausstrahle: Das Beste für das eigene Land. Unter sich bleiben. Eine ablehnende Haltung gegenüber dem Anderen.

Professor Peter Scott
Prof. em. Peter Scott privat

Dem Professor emeritus für "higher education studies" am University College London, das sich auch "London’s Global University" nennt, ist das zuwider. Er sieht in Großbritannien exzellente Universitäten, eine lebendige Kultur und eine offene, demokratische und plurale Gesellschaft. Der Brexit könnte all das in den Schatten stellen, fürchtet er.

Die genauen Folgen des Brexits seien nicht abzuschätzen. Aber auch ein Abkommen zwischen Großbritannien und der EU werde nichts daran ändern, dass Großbritannien als Wissenschaftsstandort Schaden genommen habe. "Wie viele werden sich noch für ein Studium oder eine wissenschaftliche Karriere in Großbritannien entscheiden", fragt Scott und gibt gleich selbst eine Antwort: "Weniger, wegen des Brexits."

"Universities cannot thrive in a culture where expertise is sneered at, 'other' voices derided and truths are routinely twisted." Peter Scott

Universitäten lebten von der Komplexität, von dem kritischen Hinterfragen, dem Denken des Undenkbaren. Dies liege in ihrer DNA. Forschung sei undenkbar in einer Umgebung, in der sich über die Expertise eines anderen lustig gemacht wird, Andersdenkende für ihre Meinung verspottet und Wahrheiten verdreht werden.

Den Brexit sieht er als eine "Ablehnung von Modernität und Vernunft". Es sei nicht leicht, die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu meistern, aber es gebe nun mal keinen anderen Weg. Auf den Punkt gebracht habe dies der US-amerikanische Schriftsteller HL Menken, als er sagte: "For every complex problem there is an answer that is clear, simple, and wrong."

Peter Scott: Bologna war Erfolg für europäische Hochschulen

Die britische Wissenschaft treffe der Brexit zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn der internationale Wettbewerb nehme zu. Das gelte sowohl für Regionen wie Süd- und Ost-Asien und den Mittleren Osten als auch für Europa. Dort habe Bologna die Wissenschaft stark vorangebracht, meint Scott – ein Schritt, den Großbritannien "verpasst" habe.

"Haben wir die Spitze der akademischen Bildung in Großbritannien erreicht? Werden wir noch so hoch angesehen sein wie heute? Verdienen wir das überhaupt", fragt Scott zum Abschluss. Seine eigenen Antworten lassen wenig Optimismus erwarten. Auf Nachfrage von Forschung & Lehre hält sich Scott zurück. Er möchte sich nicht positionieren und die Fragen bewusst offen lassen.

aktualisiert: 09.11.18, 16:44 Uhr

kas