Prof. Dr. Birgitt Riegraf
Adelheid Rutenburges

Wissenschaftsfreiheit
"Wissenschaftler haben eine Bringschuld"

Die Wissenschaft muss Vertrauen der Gesellschaft zurückgewinnen. Uni-Präsidentin Birgitt Riegraf fordert dafür auch politische Unterstützung.

18.06.2018

Am 14. April 2018 haben weltweit wieder Hunderttausende beim March for Science für die Wissenschaftsfreiheit demonstriert. Seitdem sind die Diskussionen leiser geworden. Doch gelöst ist das Problem nocht nicht.

Von Kürzungen staatlicher Gelder bis zu Abhängigkeiten von Drittmittelgebern: Die Gründe für fehlende Wissenschaftsfreiheit können ganz unterschiedlich sein. Hinzu kommen die schlichten Vorwürfe, Forscherinnen und Forscher würden nicht ordentlich arbeiten; Propaganda, geschürt von populistischen Parteien oder anderen Gruppierungen in der Gesellschaft, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse nicht der eigenen Meiung entsprechen.

In der aktuellen Ausgabe von Forschung & Lehre macht sich Professorin Dr. Birgitt Riegraf, Präsidentin der Universität Paderborn, dafür stark, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aktiv für ihre Freiheiten einsetzen und dabei auch selbstkritisch eigene Fehler korrigieren.

"Wissenschaftler haben an dieser Stelle eine wesentliche Bringschuld: Es reicht eben nicht, Erkenntnisse innerhalb der wissenschaftlichen Community zu teilen, um in diesen Kontexten die Diskussion und die Forschung voranzutreiben", schreibt Riegraf. "Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen müssen deutlicher in die Gesellschaft hinein und mit ihr kommunizieren und sich begründet und öffentlich positionieren."

Folgende Fragen sollten sich Forscherinnen und Forscher stellen: Wie kann Wissenschaft zur Lösung aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen? Soll sie sich überhaupt aktiv an gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen beteiligen? Wie können solche Beiträge aussehen und was bedeutet dies wiederum für den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess?

Politik muss auch Forschung ohne direkten Nutzen fördern

"Es gilt aber auch, wieder deutlicher zu kommunizieren und zu vermitteln, dass und warum Wissenschaft Freiräume benötigt, dass sie sich über Kontroversen entwickelt und sie sich auch irren kann, dass sich der gesellschaftliche Wert von Wissenschaft nicht mit kurzfristigen Nutzenindikatoren vermessen lässt", so die Uni-Präsidentin. Wichtig sei dabei, mit möglichst allen Bevölkerungsgruppen ins Gespräch zu kommen und die Arbeit der Wissenschaft so zu erklären, dass sie auch jeder verstehe. "Dabei sollten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen dringend vermeiden, mit Arroganz und im Belehrungsduktus in die Gesellschaft hinein zu kommunizieren."

Die Politik widerrum müsse die Rahmenbedingungen schaffen, damit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Arbeit richtig machen und vermitteln könnten. Dazu gehöre auch, Wissenschaft zu unterstützen, die nicht im eigenen politischen Interesse sei. "Politik muss sicherstellen, dass sowohl die Auswahl der Forschungsfragen und -gegenstände als auch die Durchführung von Forschungsprojekten den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern überlassen bleiben", schreibt Riegraf.

Dies sei im gesamtgesellschaftlichen Interesse, weil die Freiheit der Wissenschaft einer der wichtigsten Garanten für eine demokratische und zukunftsfähige Gesellschaft sei. "Wissenschaft ist auf den geschützten Raum angewiesen, weil wissenschaftliche Erkenntnisse gerade deshalb häufig zukunftsweisend sind, weil sie sehr oft unbequem für die politischen Vorstellungen der Parteien sind."

kas