Berufungsverfahren
Was bei der Listenerstellung für Berufungen erlaubt ist
Grundsätzlich haben in Deutschland alle Bewerberinnen und Bewerber ein Recht auf gleichen Zugang zu einer Professur. Ausgewählt werden soll nach dem Prinzip der Bestenauslese nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Daraus ergibt sich der sogenannte Bewerbungsverfahrensanspruch der Kandidatinnen und Kandidaten, dass über ihre Bewerbung ohne Ermessens- und Beurteilungsfehler und unter Einhaltung der wesentlichen Verfahrensvorschriften entschieden wird. Der genaue Ablauf von Berufungsverfahren bleibt dennoch ein Streitthema, da die Hochschulen – insbesondere die Berufungskommissionen – einen weitreichenden Spielraum haben, über die Eignung der Bewerbenden zu urteilen. In der aktuellen Ausgabe von "Forschung & Lehre" fasst Professor Dirk Böhmann dazu gerichtliche Entscheidungen des vergangenen Jahres zusammen.
Die Einhaltung der Verfahrensregeln liegt demnach prinzipiell im Interesse der Hochschulen. Denn wenn sich die Berufungsentscheidung einer Hochschule als fehlerhaft erweist, kann ein nicht-berücksichtigter möglicher Bewerber verlangen, dass über seine Bewerbung erneut entschieden wird. Der betroffene Lehrstuhl bleibt in der Zwischenzeit unbesetzt.
Gleichzeitig sind Verstöße gegen Vorschriften und die Grenzen des Spielraums der Berufungskommissionen nur beschränkt gerichtlich überprüfbar. Denn über die Eignung der Kandidatinnen und Kandidaten kann einem Urteil des OVG Münster zufolge nur ein Hochschulgremium entscheiden, nicht ein Gericht. Angefochten werden kann eine Berufungsentscheidung Böhmann zufolge daher nur dann, wenn sie erkennbar auf sachfremden Erwägungen oder der Verkennung von Tatsachen beruht.
Beanstandet werden könne eine Entscheidung zudem, wenn bei einem objektiven Außenstehenden der Verdacht der Befangenheit eines Kommissionsmitglieds bestehe. Das Verwaltungsgericht Halle habe dazu in einem Fall geurteilt, dass die Beziehung zwischen einem Listenersten und einem Mitglied der Berufungskommission bedenklich sei, wenn diese bei derselben Professorin habilitiert haben. Eine mildernde Beurteilung sei anzunehmen, unabhängig davon, ob tatsächlich eine enge Beziehung zwischen den Habilitanden bestehe.
Auswahlgründe müssen dokumentiert werden
Damit unterlegene Bewerberinnen und Bewerber und gegebenfalls Gerichte die Entscheidung einer Berufungskommission nachvollziehen können, müsse diese ihre Gründe schriftlich dokumentieren. Wie detailliert diese Dokumentation sein muss, könne nur im Einzelfall entschieden werden, schreibt Böhmann mit Verweis auf das Urteil des OVG Münster und zwei Urteile des Verwaltungsgerichts beziehunsweise Oberverwaltunsggerichts Schleswig. Notwendig seien jedoch mindestens Protokolle der Kommissionssitzungen und ein abschließender Bericht mit einem summarischen Vergleich der Gesamtqualifikationen der Bewerberinnen und Bewerber mit den vorher festgelegten Anforderungen der Professorenstelle.
Dieser Bericht müsse aber nicht vollständig sein und dürfe nach Ermessen der Berufungskommission die Gründe gewichten. Laut Böhmann geht dieser Spielraum so weit, dass auch "angenommene Defizite" und "mögliche Schwächen" als Platzierungsgründe auf Bewerberlisten gelten können. Insbesondere nicht objektiv messbare Werteurteile über die Eignung eines Kandidaten oder einer Kandidatin könne ein Gericht nicht beurteilen oder beanstanden.
Nachweislich fehlerhaft sei eine Berufungsentscheidung hingegen dann, wenn eine fehlende Qualifikation als Ablehnungsgrund genannt sei, die vorher nicht als zwingendes Kriterium der Bestenauslese im Ausschreibungsprofil konkretisiert wurde. Für Bewerberinnen und Bewerber müsse daher vorab erkennbar sein, welche Kriterien notwendig und welche lediglich "erwünscht" sind. Ein zulässiges Auswahlkriterium sei hierbei auch die Lehrerfahrung. Im Extremfall sei es dabei auch zulässig, einen äußerst knappen Kompetenzvorsprung zwischen Bewerbern zu gewichten, der nur anhand einer einzigen Probevorlesung festgemacht wurde.
Steht die Listenreihenfolge der Bewerberinnen und Bewerber fest, muss die Hochschule die unterlegenen Kandidatinnen und Kandidaten rechtzeitig und verbindlich über ihr Abschneiden informieren, bevor sie den Ausgewählten oder die Ausgewählte ernennt, schreibt Böhmann unter Verweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig. Inhaltlich müsse aus der Mitteilung konkret hervorgehen, warum der Ausgewählte dem Adressaten vorgezogen wurde. Zusätzlich könnten die Unterlegenen bei Bedarf weitere Informationen in der Berufungsakte einsehen. Die Unterlegenen müssten aber auch ohne Akteneinsicht direkt erkennen können, ob im Berufungsverfahren gegen Regeln verstoßen worden sei.
ckr