Mehrere Menschen mit Israel-Flaggen demonstrieren in Berlin.
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Forderungen an Hochschulen
Jüdische Studierenden fordern Einsatz gegen Antisemitismus

Die Jüdische Studierendenunion Deutschland fordert die Hochschulen auf, ihr Personal gegen Antisemitismus zu schulen.

10.11.2023

In einem am Donnerstag veröffentlichten Papier, das Forschung & Lehre vorliegt, fordert die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) zur stärkeren Bekämpfung von Antisemitismus an Hochschulen auf. Das Forderungspapier wurde am 9. November, dem 85. Jahrestag der Reichspogromnacht, veröffentlicht.

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober erhielte die JSUD täglich Berichte von jüdischen Studierenden, die sich an deutschen Universitäten nicht mehr frei bewegen könnten, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) und das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichten. Der JSUD  lägen dutzende Berichte junger Jüdinnen und Juden vor, die am Campus "verbalen Angriffen und physischen Bedrohungen" ausgesetzt seien. Betroffene berichteten unter anderem von "Terror-Relativierungen".

Um den Uni-Alltag jüdischer Studierender zu normalisieren, richten die Studierenden sieben Forderungen an Stark-Watzinger. Die FDP-Politikerin müsse sich zur "dramatischen Lage" äußern und "einen Appell an die Universitäten richten, Antisemitismus und Terrorverherrlichung in keiner Weise zu dulden", hieß es unter anderem. Außerdem müssten "extremistische und antidemokratische Organisationen und Gruppierungen" und solche, die diesen nahestehen, innerhalb des universitären Kontextes verboten werden. Dazu solle es verpflichtende Schulungen zu Antisemitismus für Mitarbeitende durch die Antidiskriminierungsstellen geben.

Universitäten nicht mehr sicher für jüdische Studierende

Universitäten in Deutschland sein laut JSUD-Präsidentin Hanna Veiler "gerade kein sicherer Raum für jüdische Studierende". An einigen Universitäten seien auch Materialien mit antisemitischem Inhalt verbreitet worden. Antisemitische Vorfälle gebe es an Studienparlamenten, in Fachschafträten und in der allgemeinen Studierendenschaft. Auch Beschwerden über die Führungsebenen verschiedener Universitäten seien dem JSDU bekannt.

Gegenüber F&L sagte Veiler: "Professorinnen, Professoren und Dozierende an den Universitäten stehen in der Verantwortung, ihre Lehrräume sicher für jüdische Studierende zu machen. Sie müssen eine verpflichtende Schulung durchlaufen, um Antisemitismus erkennen und benennen zu können und im Anschluss handlungsfähig zu sein."

Pogrom-Gedenken: Knobloch sieht "Zeit der Desillusionierung"

Im Rahmen der Gedenken an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 zeigt sich die Holocaust-Überlebende Charlotte Knobloch desillusioniert: "Was vor 20 Jahren undenkbar gewesen wäre, ist heute Tatsache: Rechtsextreme in unseren Parlamenten. Offener Judenhass auf deutschen Straßen. Kämpfe gegen Deutschlands Erinnerungskultur von rechts und von links. Jüdische Menschen, die am liebsten wieder unsichtbar sein möchten. Und noch etwas, das wir nie für möglich gehalten hätten: Ein Pogrom an Juden in Israel". So fasste die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) bei einem Festakt in München ihre Beobachtungen zusammen.

Jüdische Normalität im Jahr 2023 bedeute "Überwachungskameras, Metall-Detektoren, kugelsicheres Glas. Die Sicherheit, die wir haben, müssen wir uns schaffen", so die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Dennoch hofft die 91-Jährige auf eine Zukunft für Jüdinnen und Juden in Deutschland. Ein jüdisches Leben ohne Angst und ohne Aber müsse möglich sein, "weil wir uns gemeinsam weigern aufzugeben, woran wir so fest glauben".

Das Gedenken an die Reichspogromnacht stand unter dem Eindruck der Terrorangriffe der Hamas auf Israel vom 7. Oktober, bei denen mehr als 1000 Männer, Frauen und Kinder getötet und mehr als 200 Menschen als Geiseln genommen wurden. Bei einer Schweigeminute wurde der Opfer gedacht. In vielen weiteren Städten gab es Gedenkveranstaltungen. Bereits am Mittwoch hatte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, in Würzburg vor aufflammendem Judenhass in Deutschland gewarnt.

pj/dpa/cl

pj