Klimaanpassung von Wäldern
"Kleine Brände haben große Auswirkungen..."

Mit dem Klimawandel steigt die Brandgefahr. Wie können Wälder und Landschaften widerstandsfähiger werden? Ein Gespräch über Feuer und Brandprävention.

Von Ina Lohaus 08.06.2023

Forschung & Lehre: Herr Professor Goldammer, was wird in der Feuerökologie erforscht?

Johann Goldammer: Die Feuerökologie befasst sich mit der Funktion und Rolle von Feuer in Ökosystemen. Das betrifft nicht nur den Wald, sondern auch viele Offenlandsysteme der Welt, seien es Savannen oder andere Pflanzengesellschaften, aber auch Kulturlandschaften, wie die Land- oder Weidewirtschaft. Dabei geht es nicht nur darum, die negativen oder katastrophalen Auswirkungen von Feuer zu erforschen, sondern durchaus auch die positiven, die die Zusammensetzung und die Artenvielfalt von Ökosystemen mitbestimmen.

Portraitfoto von Johann Georg Goldammer
Johann Georg Goldammer ist Leiter des Global Fire Monitoring Center (GFMC) und der Arbeitsgruppe Feuerökologie am Max-Planck-Institut für Chemie und der Universität Freiburg. Philipp von Ditfurth

F&L: Hat im Zuge des Klimawandels die Beschäftigung mit den negativen Folgen größere Bedeutung erlangt?

Johann Goldammer: Wir sehen weltweit – und das sind die Alarmzeichen der Klimakrise –, dass sich die Witterungsbedingungen verändert haben, so dass in vielen Regionen der Welt extrem langanhaltende Trockenperioden und Dürren entstehen. Dadurch ist die Brennbereitschaft zahlreicher Ökosysteme sehr viel größer geworden als im bisherigen weltweit stärker ausgeglichenen Klima.

F&L: Wie ist die Bedrohungslage in Deutschland einzuschätzen?

Johann Goldammer: Verglichen mit anderen Regionen der Welt ist die Bedrohungslage in Deutschland gering. Im Kontext unserer dicht besiedelten Industrie- und Kulturlandschaft haben allerdings schon kleine Brände, wie wir sie in den vergangenen Jahren, vor allem 2022 hatten, große Auswirkungen.

F&L: Welche Präventionsmaßnahmen können ergriffen werden?

Johann Goldammer: Präventionsmaßnahmen zielen darauf ab, Strukturen zu schaffen, durch die die Wälder resilient gegenüber Waldbränden werden. Das ist nicht auf der ganzen Fläche möglich, aber die Waldlandschaft muss räumlich so geordnet werden, zum Beispiel durch Waldbrandschutzkorridore, dass sich Feuer nicht weiträumig ausbreiten kann. Dazu muss das Feuer weniger Material zum Brennen finden. Das führt uns in Deutschland zu einem öffentlich ausgetragenen Konflikt, zur sogenannten Totholz­debatte. Totholz wird gebraucht, um die Sicherung von Lebensräumen bestimmter Tier- und Pflanzenarten zu gewährleisten und um Kohlenstoff in den Wäldern zu speichern. Aber bei extremen Trockenlagen, wie wir sie letztes Jahr erlebt haben, zum Beispiel im Harz oder in der Sächsischen Schweiz, sehen wir, dass das Totholz durchaus Probleme mit sich bringt, weil die Brandlast höher ist. Daher muss in den Waldbrandschutzkorridoren die nachwachsende Biomasse gezielt behandelt werden.

F&L: Mit einem Waldbrandschutzkorridor ist aber nicht eine Schneise gemeint, in der überhaupt keine Bäume mehr wachsen…

Johann Goldammer: Das ist richtig. Es geht um einen aufgelockerten oder parkartigen Waldbestand, der im Grunde genommen mit drei Methoden bewirtschaftet werden kann. Zum einen kann das Brennmaterial mechanisch herausgenommen werden. Die nachwachsende Biomasse kann zum Beispiel in regenerative Energie überführt werden, so dass dem Waldbrand sozusagen die Energie entzogen wird und damit zugleich fossile Brennstoffe eingespart werden. Zum anderen kann der Wald im Schutzkorridor in einen Offenwald oder Lichtwald umgewandelt werden, so dass er auch beweidet werden kann. Das testen wir gerade in Beelitz in Brandenburg, wo wir das Konzept der Waldweide in den Ortschaftsrandlagen vorantreiben. Und eine dritte Möglichkeit ist, in den Waldbrandschutzkorridoren in Form des kontrollierten Brennens selbst Feuer zu legen. Das geht jedoch nicht bei allen Baumarten. Das sind drei Methoden, die wir beherrschen und die wir vor allem aus anderen Regionen der Welt kennen, wo sie schon praktiziert werden.

F&L: Gibt es waldbauliche Veränderungen, die zum Schutz unserer Wälder umgesetzt werden sollten?

Johann Goldammer: In der Vergangenheit hat sich gezeigt, und das waren die Erfahrungen in der Forstwirtschaft aus den Waldbränden der 1970er Jahre, dass die nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Aufforstungen sehr anfällig gegenüber Feuer sind. Das betrifft vor allem die Kiefernwälder in Nordost- und Nordwestdeutschland. Dort hat man daher angefangen, die Wälder mit Laubholz anzureichern. Das war erfolgreich für das Mikroklima, denn die Streu im Wald hat sich deutlich verbessert. Die Waldzustandsberichte, die in Deutschland jährlich erhoben werden, zeigen jedoch, dass auch in Laubwäldern, vor allem in Buchenwäldern, eine sehr starke Kronenverlichtung zu beobachten ist. Das bedeutet, dass mehr Sonnenlicht in die Wälder eindringen kann und die Waldgesellschaft somit feueranfälliger wird.

"Die Waldzustandsberichte zeigen eine sehr starke Kronenverlichtung." Johann Goldammer

F&L: Hat die Kronenverlichtung auch mit dem Klimawandel zu tun?

Johann Goldammer: In Deutschland sind praktisch 80 Prozent der Waldfläche von Kronenverlichtung betroffen. Das ist eine ganz klare Folge des Klimawandels.

F&L: Wenn die Präventionsmaßnahmen nicht greifen, ist die Feuerwehr von zentraler Bedeutung. Gibt es Strategien, wie sie schnell eingreifen kann?

Johann Goldammer: Wir haben vor mehr als zehn Jahren am Zentrum für globale Feuerüberwachung in Freiburg damit begonnen, ein neues Konzept zu entwickeln, bei dem wir Spezialeinheiten der Feuerwehr, eine sogenannte "Taskforce Landschaftsbrand", gebildet und die Forstwirtschaft miteingebunden haben. Die Forstleute haben die gleiche Ausbildung, das gleiche Training und auch eine gewisse Ausrüstung bekommen, damit sie als diejenigen, die vor Ort sind, umgehend eingreifen und das Feuer möglichst aufhalten können, bis die Feuerwehr eintrifft. Es zeigt sich, dass die Zusammenarbeit und das Übertragen von mehr Verantwortung auch an die Wald- und Landbesitzer ein erfolgreicher Schritt ist.

F&L: Wie müsste die Feuerwehr am besten ausgerüstet sein?

Johann Goldammer: Wir haben im "Freiburger Modell" bereits vor zehn Jahren den Schwerpunkt der Ausbildung auf die Nutzung von Handgeräten und Handwerkzeugen wie den Feuerlöschrucksack oder die Feuerpatsche gelegt, so dass die Einsatzkräfte entfernt von der Straße arbeiten können, also dort, wo Feuerwehrfahrzeuge nicht hin können. Dies ist vor allem in bergigem Gelände von Nutzen. Darüber hinaus haben wir gemeinsam mit der mittelständischen Industrie ein Gerät entwickelt, das mit wenigen Handgriffen an jeden land- und forstwirtschaftlichen Traktor einer Dreipunkt-Aufnahme angekoppelt werden kann. So können die Traktoren relativ kostengünstig zu einem Feuerlöschfahrzeug umgerüstet werden, das hochgradig geländegängig ist. Dieses Feuerbekämpfungsmodul für Traktoren, das ein Fassungsvermögen zwischen 300 und 1.600 Liter Wasser hat, kann das Wasser durch Hoch- und Niederdruck ausbringen. Der Wasserverbrauch beim Löschen ist hier sehr viel geringer als beim traditionellen Ausbringen von Wasser durch große Feuerwehrschläuche. Neben den Waldbränden sind große Brände in der Landwirtschaft ein Problem, gerade in Nordostdeutschland. Sie können bei der Ernte der großen Getreidefelder durch heißgelaufene Maschinen entstehen. Wenn dann ein umgerüsteter Traktor vor Ort einsatzbereit ist, können sie sofort gelöscht werden und die Feuerwehr muss möglicherweise gar nicht erst gerufen werden.

F&L: Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Brände auf Wälder oder Ortschaften übergreifen…

Johann Goldammer: Es gibt zwar noch keine genauen Statistiken, aber unserer Einschätzung nach ist es weltweit so, dass die meisten Brände, die in die Wälder oder andere Schutzgebiete hineinlaufen, im landwirtschaftlichen Bereich entstehen. Daher ist es sehr wichtig, neben Feuerwehr und Waldbesitz auch die Landwirtschaft in die Feuerschutzkonzepte einzubeziehen. Im ländlichen Raum sind die Menschen, die dort wirtschaften und leben, häufig diejenigen, die die Feuer auslösen, aber gleichzeitig auch diejenigen, die vom Feuer am meisten betroffen sind. Es gilt, mit diesem Ansatz des sogenannten integrierten Feuermanagements bei ihnen das Interesse zu wecken, sich aktiv zu beteiligen. In Deutschland ist die Bereitschaft der Zivilgesellschaft, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und mitzuwirken, sehr groß.

F&L: Was können wir von Ländern mit langjähriger Waldbranderfahrung lernen? Sind unsere Erfahrungen für andere hilfreich?

Johann Goldammer: Das ist tatsächlich ein Geben und Nehmen. Wir haben zum Beispiel im Zuge der Entwicklungszusammenarbeit in den letzten Jahrzehnten in Ländern des globalen Südens beim Aufbau von Land- und Forstwirtschaft viele integrierte Ansätze getestet und erfolgreich durchgeführt. Aus den dort gesammelten Erfahrungen können wir nun wiederum lernen. Nehmen wir das Beispiel der sogenannten Agroforstwirtschaft, das sind kombinierte land- und forstwirtschaftliche Systeme, wo beispielsweise unter einem offenen Schirm eines Waldbestands Land- und Weidewirtschaft betrieben wird. In einem solchen Fall ist die lokale Bevölkerung hochgradig interessiert, die Bäume und den Wald zu schützen, weil sie davon abhängig ist. Diese Erfahrungen können uns hier in Europa insgesamt sehr helfen. Das betrifft vor allen Dingen die Mittelmeeranrainerstaaten, in denen derzeit im Zuge der Landflucht viele landwirtschaftliche Betriebe aufgegeben werden. Damit geht eine Verwilderung der Landschaft einher, was wiederum eine höhere Brennbarkeit zur Folge hat. An diesen Stellen müssen wir vor allem in Südeuropa an Stellschrauben drehen.

"Kalifornien gilt als weltweit am besten ausgerüstetes Land, um Waldbrände zu bekämpfen." Johann Goldammer

F&L: Aus den Ländern, in denen es häufig verheerende Waldbrände gibt, wie zum Beispiel Kalifornien, haben wir aus den Medien die Bilder von Löschflugzeugen vor Augen…

Johann Goldammer: Kalifornien gilt als ein Land, das weltweit am besten ausgerüstet ist, um Waldbrände zu bekämpfen. Wir sehen aber in den vergangenen Jahren, dass die Kalifornier manchmal wochenlang die Feuer nicht in den Griff bekamen. Wenn man sich das vor Augen hält, dass ein finanziell und technologisch gut ausgestattetes Land heute schon nicht mehr mit diesen Bränden zurechtkommt, dann muss man sich fragen, wie man dem begegnen kann. Da kommt die eingangs erwähnte Frage der Schaffung einer resilienten Natur- und Kulturlandschaft auf.

F&L: Da ist sicher noch viel Forschung erforderlich?

Johann Goldammer: Eigentlich hat die Forschung schon ihre Aufgaben gemacht. Es ist eher eine Frage des Wissens- und des Technologietransfers in die Breite. In Deutschland haben wir das Problem, dass wir in einer sehr dicht besiedelten Industrie- und Kulturlandschaft leben. Das schränkt unsere Möglichkeiten zu agieren deutlich ein. Die Situation ist nicht vergleichbar mit großen Landschaften wie in Sibirien oder in Amazonien, wo es sehr große Naturräume gibt. Die Empfindlichkeiten der Menschen in dicht besiedelten Gebieten sind sehr viel höher. Wenn ein Feuer, selbst ein kleines Feuer ausbricht oder ein kontrolliertes Brennen im Naturschutz durchgeführt wird, kommen sofort die Fragen nach Feinstaubbelastung und Treibhausgasen auf – Fragen, die sich die Gesellschaft in anderen Regionen der Welt nicht stellt.

F&L: Was steht bei Kommunen und staatlichen Stellen auf der Agenda?

Johann Goldammer: Die Aufgabe, die wir zu lösen haben, bezeichne ich generell als eine Querschnittsaufgabe. Das bedeutet einerseits im Hinblick auf die staatlichen Institutionen, dass sowohl Feuerwehr, Forst- und Gemeindeverwaltung sowie die staatlichen, kommunalen und auch die privaten Forstbetriebe gemeinsam verantwortlich sind. Weitere Akteure sind Landwirtschaft, Naturschutz und Privateigentümer. Denken wir daran, dass wir beispielsweise in Nordostdeutschland sehr viel mehr Waldrandsiedlungen haben oder sogar Siedlungen im Wald. Hier ist die Mitverantwortung der Haus- und Grundstückseigentümer notwendig. Der Staat kann nicht alles regeln. Die Zivilgesellschaft muss ebenfalls Verantwortung übernehmen. Das betrifft im Grunde genommen unser gesamtes zukünftiges Handeln. Die Bundesrepublik Deutschland ist derzeit dabei, eine sogenannte Resilienzstrategie zu erarbeiten. Diese steht im Zusammenhang mit dem Sendai-Rahmenwerk zur Katastrophenvorsorge 2015-2030, einem freiwilligen Zusammenwirken vieler Staaten, das aber völkerrechtlich nicht verpflichtend ist. Deutschland hat daher eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet, um der Frage nachzugehen, wie wir insgesamt unsere Gesellschaft und unser Land resilient gegenüber der Klimakrise machen können. Wir erleben, wie bedrohlich extreme Wetterereignisse sind und wie uns Starkregen, Überflutungen, Dürren und Waldbrände existenziell betreffen können. Wir müssen hier gemeinsam arbeiten, weil ein einzelner oder eine einzelne sektorale Verantwortung die Aufgabe gar nicht lösen kann.