Gesundheit
Warum uns Sport in der Corona-Pandemie guttut
Die Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie treffen auch den Sport. Haben sich Freizeitsportlerinnen und Freizeitsportler vorher noch auf dem Vereinsgelände mit Handschlag oder Umarmung begrüßt und sind zusammen über das Spielfeld gerannt oder haben sich im Studio die Hanteln angereicht, winken sie sich während der Pandemie größtenteils über Kacheln im Videocall zu oder ziehen ihr Sportprogramm direkt alleine durch.
"Die Einschränkungen beim Sport drücken auf die Motivation", sagt Professor Ralf Brand von der Universität Potsdam. Sport sei weit mehr als die Verbesserung der körperlichen Gesundheit und Steigerung von Fitness. "Es geht um Wohlfühlen, soziales Miteinander und persönliche Entwicklung", wie der Sportpsychologe betont. In der Pandemie gehe davon viel verloren.
"Denjenigen, die es genießen, mit anderen Menschen aktiv zu sein, sei alles empfohlen, was sich an der frischen Luft und mit ausreichend Sicherheitsabstand zueinander tun lässt", sagt Brand. "Wandern, Radfahren, Frisbee, Federball – der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt."
Stärkere Einbindung von Sport-Lehrkräften gefragt
Der Wissenschaftler begrüßt, "dass sicherere Möglichkeiten zum gemeinsamen Sporttreiben, zum Beispiel draußen und kontaktlos, endlich erkannt und zumindest zum Teil schon wieder ermöglicht werden". Seiner Meinung nach sollten Fachleute für Sport und Bewegung, zum Beispiel auch Sportlehrerinnen und Sportlehrer, noch stärker in Entscheidungen vor Ort eingebunden werden. "Lehrkräfte werden von uns an Universitäten dazu ausgebildet, Sport und Bewegung auf eine Art anzubieten, die bestimmte Vorgaben erfüllen können", sagt er. "Es wird ihnen leicht fallen, Sportinhalte etwa so zu gestalten, dass pandemie-bedingte Abstände eingehalten werden."
Doch auch alleine lohnt sich die Bewegung, denn sie kann die Stimmung heben, wenn Homeoffice und Homeschooling oder der fehlende Ausgleich in der Freizeit einem die Decke auf den Kopf fallen lässt. "Sport trägt bei Vielen zur Verbesserung des psychischen Wohlbefindens bei", sagt Brand.
Viele Studien haben diese positiven Effekte des Sports belegt – zuletzt auch eine international angelegte Befragung während der ersten Corona-Phase im Frühjahr 2020, an der Sportpsychologe Brand beteiligt war. Von den 13.000 Befragten fühlten sich diejenigen, die sich in dieser Zeit regelmäßig bewegten, im Schnitt deutlich besser als die, die das kaum oder gar nicht taten.
Höhere Motivation durch Spaß am Sport
Von pauschalen Ratschlägen, welcher Sport der richtige sei, hält Brand wenig. "Jede und jeder muss für sich herausfinden, welche Art und Intensität der Bewegung ihm oder ihr guttut", sagt Brand. Gerade in Zeiten, in denen es einigen schwerfalle, sich überhaupt zu motivieren, sei das entscheidend. "Die eine genießt es, wenn die Pulsrate richtig hochschnellt, der andere fühlt sich nach einem moderaten Training besser." Auch erlaubten Erkrankungen nicht jede Art des Sports. "Dann ist Vorsicht geboten und vielleicht der Spaziergang die beste Wahl." Der Homesport hat laut ersten Studien zu keinen unmittelbaren Verletzungen geführt. Die Zahl an Sportunfällen ist deutlich zurückgegangen.
Spaß an der Bewegung sorge dafür, dranzubleiben und das zahle sich aus. "Bewegung hat viel mit Gewöhnung zu tun", sagt Brand: "Wenn ich mich regelmäßig bewege, mir zum Beispiel eine bestimmte Routine aufbaue, dann führe ich das auch fort und suche mir in einer Ausnahmesituation wie der Pandemie Alternativen, die ich fortführen kann."
Das zeigte auch die Studie des Wissenschaftlers. Denn diejenigen, die sich in der Pandemie bewegten, hatten dies auch vorher schon getan. Hatten Befragte vor der Pandemie zwei bis dreimal pro Woche Sport gemacht, machten sie während der Pandemie laut Studie mindestens genauso viel. Diese Routine schien sich langfristig positiv auf das Befinden der Menschen auszuwirken. Denn diejenigen, die sich auch vor der Pandemie schon viel bewegt hatten, fühlten sich während der Pandemie besser, als diejenigen, die in der Zeit erst mit dem regelmäßigen Sport angefangen hatten.
Studienlage: Sport und Bewegung in Coronazeiten
Insgesamt konnte rund die Hälfte der Menschen laut der Studie "When Pandemic Hits: Exercise Frequency and Subjective Well-Being During COVID-19 Pandemic" ihr Sportniveau während der Corona-Pandemie beibehalten. Circa 35 Prozent machten weniger, 15 Prozent steigerten den Umfang von Bewegung und Sport im Alltag. Insgesamt fielen die Bewegungseinheiten etwas kürzer und weniger intensiv aus.
Zu vermehrten Verletzungen ist es durch den Homesport laut ersten Studien nicht gekommen. Die Zahl der Sportunfälle ist stark gesunken, was damit zusammenhängen könnte, dass während der Corona-Pandemie weniger Sport in der Schule, in Vereinen und bei Wettkämpfen möglich ist, und besonders verletzungsträchtige Sportarten wegfallen. Belegt werden kann das im Detail noch nicht. Auch sind Langzeitfolgen durch mögliche Fehlbelastungen ohne professionelle Anleitung beim Homesport noch nicht absehbar.
150 Minuten Bewegung pro Woche empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Erwachsenen zwischen 18 und 64 Jahren. Brand ergänzt: "Jede Minute zählt." In Zeiten wie Corona sollten wir uns nicht zusätzlich unter Druck setzen. "Besser wir gehen eine Runde um den Block als gar nicht. Können wir uns zu mehr Bewegung motivieren, super. Unser Körper und Geist wird es uns danken."
Zur Motivation setzt der Sportpsychologie auf kleine "prompts" – kleine Erinnerungen im Alltag wie ein Eintrag im Kalender oder ein Post-it am Spiegel. "Sind diese Erinnerungen nett formuliert, starte ich sogar noch mit einem Lächeln im Gesicht und habe nicht das Gefühl, ein zusätzliches To-do abarbeiten zu müssen." Auch könne man sich die Sportmatte oder das Sport-Equipment in Sichtweite legen. Das müsse nicht viel sein: "Für viele Übungen reicht eine Matte, das eigene Körpergewicht und vielleicht ein Thera-Band oder leichte Gewichte." Und der Austausch mit Bekannten über die jeweiligen Lieblingsübungen sorge für neue Ideen und Abwechslung.
kas