Auszeichnung für kuriose Forschung
"Ich wollte die Diskussion um meine Studie poetisch aufgreifen"
Forschung & Lehre: Herr Strack, ich erinnere mich noch gut an den Moment, als meine Deutschlehrerin auf einmal mit einem Stift zwischen den Zähnen vor meiner Klasse stand. Wir sollten es ihr nachmachen – für eine positivere Stimmung in der Abi-Klasse. Die dahinterstehende Erkenntnis kommt von Ihnen. Jetzt sind Sie dafür mit einem Preis für kuriose Forschung ausgezeichnet worden – mit Stift im Mund?
Fritz Strack: Ich hatte einen etwas überdimensionierten Stift dabei, um die Erinnerung wachzurufen, aber nur in der Hand.
F&L: Sie haben bei der Verleihung eine kurze Ballade vorgetragen. Worum ging es?
Fritz Strack: Ich wollte die Diskussion um meine Studie poetisch aufgreifen. Die Begründung für meine Auszeichnung lautete: "For discovering that holding a pen in one's mouth makes one smile – and for discovering that it does not". Denn eine Replikationsstudie hatte meine Erkenntnisse widerlegt. Wie sich aber später herausstellte, lag das daran, dass die beiden Studien sich in einem wesentlichen Aspekt unterschieden. Nachdem andere Forscher eine bestimmte Variable mitberücksichtigt hatten, kamen sie wieder zu meinem ursprünglichen Ergebnis.
F&L: Finden Sie das kurios?
Fritz Strack: Es ist eine normale wissenschaftliche Dynamik. Auch unsere ursprüngliche Studie finde ich nicht kurios – wohl aber die Reaktion darauf. Mir ist die unterschiedliche Wahrnehmung von Wissenschaft zwischen der Scientific Community und der Öffentlichkeit bewusst geworden. In der Presse ging es viel um den Stift. Für uns war er nur ein Mittel zum Zweck. Wir wollten die bekannte Theorie des "Facial Feedbacks" genauer untersuchen um herauszufinden, ob hinter dem Effekt der Haltung auf das Empfinden ein Schlussfolgerungsprozess steckt – "Wenn ich lächle, muss ich wohl glücklich sein" – oder, ob der Prozess rein assoziativ ist. Wir mussten die Leute also zum Lächeln bringen, ohne, dass ihnen bewusst ist, dass sie lächeln. Das gelang mit einem Stift zwischen den Zähnen.
F&L: Wenn Sie Ihre Forschung selbst nicht kurios finden, haben Sie sich wohl nicht selbst nominiert?
Fritz Strack: Nein. Im Frühjahr poppte zwischen meinen übrigen Arbeits-Mails eine vertrauliche Anfrage auf. Sie kam von einem Mitglied des Auswahlkomitees des Ig-Nobelpreises. Ich kannte den Preis und dachte: Warum nicht Aufmerksamkeit für die eigene Forschung bekommen und gleichzeitig an einer Veranstaltung teilnehmen, die Spaß macht. Da habe ich zugesagt. Von wem ich nominiert wurde, weiß ich nicht.
F&L: Woran forschen Sie gerade, Herr Strack – sehen wir Sie kommendes Jahr wieder in Harvard?
Fritz Strack: (lacht) Ich sitze tatsächlich an einer ähnlichen Studie. Gemeinsam mit einer früheren Doktorandin beschäftigt mich der Effekt der Mundhaltung auf das Empfinden der Tonhöhe einer gedanklich simulierten Melodie. Erste Erkenntnisse zeigen, dass die Melodie mit nach vorne gestülpten Lippen als tiefer empfunden wird als mit einer in die Breite gezogenen Mundhaltung durch einen Stift zwischen den Zähnen. Das wollen wir noch näher erforschen. Sie könnten mich nominieren.
Fritz Strack: The Replication Ballad
A study once found that a pencil
Is a valuable research utensil.
The procedure was used
To make people amused
And to show that a smile is extensile.
Years after this shocking result
No reason was left to exult.
Trying to replicate
Some failed to get it straight.
But after some serious thinking
The literature gave an inkling.
A cam caused a sham,
Producing much spam.
And the proof was pretty convincing.
* * *
If this story has a moral,
It is to end a useless quarrel.
To claim a finding is “not real”
Has a lot of sex appeal.
But rather than insinuate,
Return to science and debate.
Die ausgezeichnete Studie
1988 hat Professor Fritz Strack in einer Studie Probandinnen und Probanden zur Komik von Cartoons befragt. Sein Forscherteam fand heraus, dass eine Gruppe, die bei dem Versuch einen Stift zwischen den Zähnen hielt und damit eine lächelnde Mundhaltung hatte, die Cartoons lustiger fand. 2016 wiederholten andere Forscher die Studie und kamen nicht mehr zu diesem Ergebnis. Strack bemerkt jedoch, dass in der Replikationsstudie eine Kamera auf die Probanden gerichtet war. Ihr Verhalten könnte dadurch beeinflusst worden sein. Ein drittes Forscherteam wiederholte den Versuch. Ohne die Variable der Kamera stimmten die Ergebnisse wieder mit Stracks ursprünglichen Erkenntnissen überein.
Der Ig-Nobelpreis
Die Gala ist eine spaßige Angelegenheit. Neben der Auszeichnung der internationalen Wissenschaftler und ihrer humoristischen Dankesreden spielt eine Art Oper zum Motto der Veranstaltung, in diesem Jahr: "Gewohnheiten". Auch Papierflieger segeln alljährlich durch den Saal.