Professor Fritz Strack
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Auszeichnung für kuriose Forschung
"Ich wollte die Diskussion um meine Studie poetisch aufgreifen"

Sozialpsychologe Fritz Strack ist unter den Gewinnern des Ig-Nobelpreises 2019. Im Interview erklärt er, wie ihn der Preis zum Dichter machte.

Von Katrin Schmermund 15.09.2019

Forschung & Lehre: Herr Strack, ich erinnere mich noch gut an den Moment, als meine Deutschlehrerin auf einmal mit einem Stift zwischen den Zähnen vor meiner Klasse stand. Wir sollten es ihr nachmachen – für eine positivere Stimmung in der Abi-Klasse. Die dahinterstehende Erkenntnis kommt von Ihnen. Jetzt sind Sie dafür mit einem Preis für kuriose Forschung ausgezeichnet worden – mit Stift im Mund?

Fritz Strack: Ich hatte einen etwas überdimensionierten Stift dabei, um die Erinnerung wachzurufen, aber nur in der Hand.

F&L: Sie haben bei der Verleihung eine kurze Ballade vorgetragen. Worum ging es?

Fritz Strack: Ich wollte die Diskussion um meine Studie poetisch aufgreifen. Die Begründung für meine Auszeichnung lautete: "For discovering that holding a pen in one's mouth makes one smile – and for discovering that it does not". Denn eine Replikationsstudie hatte meine Erkenntnisse widerlegt. Wie sich aber später herausstellte, lag das daran, dass die beiden Studien sich in einem wesentlichen Aspekt unterschieden. Nachdem andere Forscher eine bestimmte Variable mitberücksichtigt hatten, kamen sie wieder zu meinem ursprünglichen Ergebnis.

F&L: Finden Sie das kurios?

Fritz Strack: Es ist eine normale wissenschaftliche Dynamik. Auch unsere ursprüngliche Studie finde ich nicht kurios – wohl aber die Reaktion darauf. Mir ist die unterschiedliche Wahrnehmung von Wissenschaft zwischen der Scientific Community und der Öffentlichkeit bewusst geworden. In der Presse ging es viel um den Stift. Für uns war er nur ein Mittel zum Zweck. Wir wollten die bekannte Theorie des "Facial Feedbacks" genauer untersuchen um herauszufinden, ob hinter dem Effekt der Haltung auf das Empfinden ein Schlussfolgerungsprozess steckt – "Wenn ich lächle, muss ich wohl glücklich sein" – oder, ob der Prozess rein assoziativ ist. Wir mussten die Leute also zum Lächeln bringen, ohne, dass ihnen bewusst ist, dass sie lächeln. Das gelang mit einem Stift zwischen den Zähnen.

F&L: Wenn Sie Ihre Forschung selbst nicht kurios finden, haben Sie sich wohl nicht selbst nominiert?

Fritz Strack: Nein. Im Frühjahr poppte zwischen meinen übrigen Arbeits-Mails eine vertrauliche Anfrage auf. Sie kam von einem Mitglied des Auswahlkomitees des Ig-Nobelpreises. Ich kannte den Preis und dachte: Warum nicht Aufmerksamkeit für die eigene Forschung bekommen und gleichzeitig an einer Veranstaltung teilnehmen, die Spaß macht. Da habe ich zugesagt. Von wem ich nominiert wurde, weiß ich nicht.

Kaffeebecher
Für den Gewinn des Ig-Nobelpreises hat Professor Fritz Strack einen Kaffeebecher und zehn Billionen des nicht mehr gültigen Simbabwe-Dollars erhalten. privat

F&L: Woran forschen Sie gerade, Herr Strack – sehen wir Sie kommendes Jahr wieder in Harvard?

Fritz Strack: (lacht) Ich sitze tatsächlich an einer ähnlichen Studie. Gemeinsam mit einer früheren Doktorandin beschäftigt mich der Effekt der Mundhaltung auf das Empfinden der Tonhöhe einer gedanklich simulierten Melodie. Erste Erkenntnisse zeigen, dass die Melodie mit nach vorne gestülpten Lippen als tiefer empfunden wird als mit einer in die Breite gezogenen Mundhaltung durch einen Stift zwischen den Zähnen. Das wollen wir noch näher erforschen. Sie könnten mich nominieren.

Fritz Strack: The Replication Ballad

A study once found that a pencil
Is a valuable research utensil.
The procedure was used
To make people amused
And to show that a smile is extensile.
Years after this shocking result
No reason was left to exult.
Trying to replicate
Some failed to get it straight.
But after some serious thinking
The literature gave an inkling.
A cam caused a sham,
Producing much spam.
And the proof was pretty convincing.
* * *
If this story has a moral,
It is to end a useless quarrel.
To claim a finding is “not real”
Has a lot of sex appeal.
But rather than insinuate,
Return to science and debate.

Die ausgezeichnete Studie

1988 hat Professor Fritz Strack in einer Studie Probandinnen und Probanden zur Komik von Cartoons befragt. Sein Forscherteam fand heraus, dass eine Gruppe, die bei dem Versuch einen Stift zwischen den Zähnen hielt und damit eine lächelnde Mundhaltung hatte, die Cartoons lustiger fand. 2016 wiederholten andere Forscher die Studie und kamen nicht mehr zu diesem Ergebnis. Strack bemerkt jedoch, dass in der Replikationsstudie eine Kamera auf die Probanden gerichtet war. Ihr Verhalten könnte dadurch beeinflusst worden sein. Ein drittes Forscherteam wiederholte den Versuch. Ohne die Variable der Kamera stimmten die Ergebnisse wieder mit Stracks ursprünglichen Erkenntnissen überein.

Der Ig-Nobelpreis

Worum geht es?
Der Ig-Nobelpreis wird einmal im Jahr im Sanders-Theater der Universität Harvard verliehen. Getreu dem Namen "ig" für "ignoble", was so viel heißt wie "unwürdig", soll er Forschungsarbeiten auszeichnen, die erst zum Lachen und dann zum Nachdenken anregen. Vergeben wird der Preis von der US-amerikanischen Zeitschrift "Annals of Improbable Research". 2019 fand die Gala zum 29. Mal statt. Forschende können sich für den Preis selbst nominieren oder nominiert werden. Laut Veranstalter haben bislang jedoch kaum Selbstnominierungen gewonnen.

Die Gala ist eine spaßige Angelegenheit. Neben der Auszeichnung der internationalen Wissenschaftler und ihrer humoristischen Dankesreden spielt eine Art Oper zum Motto der Veranstaltung, in diesem Jahr: "Gewohnheiten". Auch Papierflieger segeln alljährlich durch den Saal.
Wie werden die Preisträger ausgewählt?
Die Auswahl über die Gewinner trifft laut Veranstalter ein Auswahlkomitee aus Wissenschaftlern, Wissenschaftsautoren, Sportlern, Beamten und weiteren Teilnehmern, die nicht näher definiert werden. Am Tag der Verleihung bezieht das Auswahlkomitee laut eigenen Angaben auch noch einen Passanten ein, um die finale Entscheidung zu treffen. Unter den Wissenschaftlern im Komitee sind auch ehemalige Preisträger des Ig-Nobelpreises sowie der regulären Nobelpreise, die jährlich im Oktober verliehen werden.
Was gibt es zu gewinnen?
Die Gewinnerinnen und Gewinner des Ig-Nobelpreises erhalten eine jährlich wechselnde Trophäe und zehn Billionen des nicht mehr gültigen Simbabwe-Dollars.