30 Jahre Hochschulwettbewerb
Wunsch nach anderer Begutachtungs-Kultur
Vor dreißig Jahren wurde an deutschen Hochschulen der Wunsch "Raus aus der sich selbst blockierenden Gremienwirtschaft" laut. Die Lösung sollte, so nannte Niklas Luhmann es, das "New Public Management" sein – also Forschung und die dafür notwendigen Gelder sowie die Ergebnisse zu erfassen und zu bewerten.
Hinsichtlich der Finanzierung wurden staatliche Mittel reduziert und anstelle dessen stärker auf zentrale Förderorganisationen gesetzt. Sie begutachten die Einreichungen und schlagen sie dem Haupausschluss vor, wohingegen wieder Bund und Länder ins Spiel kommen. So werden laut Hochschulkompass rund 90 Prozent der Finanzmittel der Hochschulen von Bund und Ländern zur Verfügung gestellt. Der verbleibende Anteil an der Hochschulfinanzierung resultiert insbesondere aus der Auftragsforschung, Wissenschaftsförderung durch private Spender oder Sponsoring von Hochschulaktivitäten.
Für die Bewertung wissenschaftlicher Leistungen dient seither vor allem der "Impact". Der sagt zwar etwas darüber aus, wie viel Forschende publizieren und wie häufig sie zitiert werden, aber nicht wirklich etwas über die Übersetzung: die Wirkung, also den Erkenntnisgewinn und die tatsächliche Rezeption.
Umfangreiche Forschungsgeldanträge rauben wichtige Zeit
Die Krux an der damals entwickelten Vorgehensweise ist, dass Forschende seitdem sehr viel Zeit dafür aufwenden umfangreiche Forschungsgeldanträge zu schreiben. Und ein Großteil davon – je nach Fach bis zu achtzig Prozent – wird dann auch noch abgelehnt.
Darauf verzichten könnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber auch nicht, denn Drittmittel sind nicht nur die finanzielle Voraussetzung für die Forschung, sondern auch entscheidend, wenn es um Berufungen geht. Je mehr Fördergelder, desto höher die Chancen für die Stelle. Insbesondere, wenn zusätzlich hohe Impact-Werte, wie lange Publikationslisten vorgewiesen werden können.
Das hat aber dazu geführt, dass statt Büchern eher kurze Papers geschrieben werden. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen beschreibt das gegenüber der FAZ wie folgt: "Themen werden in die kleinstmöglichen publizierbaren Einheiten zerstückelt, während die reflektierende Darstellung großer kultureller, historischer oder philosophischer Zusammenhänge im akademischen Betrieb an Relevanz verliert."
Derzeitige Begutachtungssysteme behindern die Wissenschaft eher
"Das System wechselseitiger Begutachtung, das doch wissenschaftliche Exzellenz prämieren soll, führt seiner eigenen Rationalität nach keineswegs immer zur Steigerung, sondern im Gegenteil oft zur Reduzierung von Innovation", stellte der Literaturwissenschaftler Albrecht Koschorke bereits vor zwanzig Jahren fest. Daran hat sich bis heute allerdings wenig geändert. Vor allem Nachwuchswissenschaftler, die ihre Karriere absichern müssen, haben dadurch eine Schere im Kopf.
Das bestätigte auch der Politikwissenschaftler Christian Volk gegenüber "Forschung & Lehre" und wünscht sich "eine andere, eine selbstkritischere Begutachtungs-Kultur". Hinzu komme laut FAZ-Artikel, dass Wissenschafts- und Redefreiheit für manche Forschende nur so lange gelten würden, bis die Grenzen des eigenen Meinungsspektrums nicht überschritten würden. Als Begründung dafür, ungewollte Positionen aus dem wissenschaftlichen Diskurs auszugrenzen, diene oft der vermeintliche Kampf gegen Diskriminierung.
Dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre politische Agenda auch als Gutacher in Fördergremien und Journalen umzusetzen versuchen, ist, so die FAZ, eine naheliegende Annahme. Allerdings ist es schwer, solche indirekten Einwirkungen auf die Wissenschaftsfreiheit empirisch nachzuweisen und ihr Ausmaß genau zu bestimmen. Es ist dennoch nicht verwunderlich, dass der Wunsch nach einer anderen Begutachtungskultur lauter wird, die tatsächliche Wirkung von Forschung honoriert anstatt sich in bürokratischer Dauerevaluierung von Forschungsanträgen zu verlieren.
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