Mann arbeitet am laptop im Homeoffice, im Hintergrund steht ein Obstkorb.
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Wissenschaftliches Arbeiten
Wissenschaft zwischen Homeoffice und Hochschule

Nach drei Jahren Pandemie ist die Wissenschaft in der "neuen Normalität" einer hybriden Arbeitswelt angekommen. Welche Lehren lassen sich ziehen?

Von Hannes Zacher 13.03.2023

Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren bereits vor der Corona-Pandemie mit dem Homeoffice vertraut. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Arbeit von zu Hause erlaubt ungestörtes Lesen, Analysieren und Schreiben, vermeidet lange Pendelwege und kann die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Basierend auf den Erfahrungen der letzten drei Jahre haben viele Universitäten und Hochschulen neue Dienstvereinbarungen zur mobilen Arbeit erlassen, welche die Verteilung der Arbeitszeit des Personals zwischen dem traditionellen Arbeitsort und anderen Orten regeln. Büros, Besprechungsräume und Hörsäle wurden technisch aufgerüstet, um Teamarbeit und Lehrveranstaltungen gleichzeitig in Präsenz und digital zu ermöglichen. Moderne Videokonferenztechnik ermöglicht es, "hybrid" zu arbeiten, zu lehren und zu kooperieren. Das bedeutet, dass eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler sich täglich entscheiden kann, ob die Arbeit im Büro oder an einem anderen Ort sinnvoller ist. Bezüglich der Zusammenarbeit mit anderen bedeutet hybride Arbeit, dass eine Teilnehmergruppe gemeinsam "in Präsenz vor Ort" ist und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der anderen Gruppe sich individuell und digital von einem anderen Ort aus dazuschalten – in der Regel aus der privaten Wohnung, manchmal aber auch von einem anderen Ort im In- oder Ausland. Diese hybride Arbeitswelt ist nach drei Jahren Pandemie zur "neuen Normalität" an Universitäten und Hochschulen geworden.

Einerseits bietet die hybride Arbeitswelt mehrere Chancen im Vergleich zur traditionellen (Zusammen-)Arbeit: Sie ist in vielen Fällen effizienter, weil zum Beispiel digitale Werkzeuge wie "Bildschirm teilen", Whiteboards oder Abstimmungen genutzt werden können. Die hybride Arbeitswelt kann sozialer (inklusiver und gerechter) sein, weil sie Menschen die Möglichkeit zur Teilhabe an Besprechungen und Veranstaltungen bietet, die aus verschiedensten Gründen nicht vor Ort sein können. Und sie leistet einen Beitrag zum Umweltschutz, weil Pendelwege mit dem Auto oder Flugzeug zum Arbeitsort oder zu Konferenzen eingespart werden. Andererseits führt die hybride Arbeitswelt auch zu neuen Herausforderungen in der (Zusammen-)Arbeit. Aus drei Jahren Forschung und praktischen Erkenntnissen bezüglich Homeoffice, mobiler Arbeit und hybrider Teams in der Wissenschaft lassen sich Lehren auf fünf Ebenen ziehen, um diesen zweischneidigen Schwertern erfolgreich zu begegnen.

Neue Anforderungen an Individuen und Teams

Die hybride Arbeitswelt stellt höhere Anforderungen an das persönliche Selbstmanagement. Es ist wichtig, sich aktiv zu überlegen, welche Aufgaben wann und an welchem Ort am besten erledigt werden können. Für konzentriertes Lesen, Schreiben und Analysieren von Daten kann das Homeoffice gut geeignet sein, während Teambesprechungen in Präsenz mit höherer Kreativität und Zufriedenheit einhergehen. Zum erfolgreichen Selbstmanagement gehört es auch, klare Grenzen zwischen Lebensbereichen zu ziehen, um sich selbst vor Überlastung zu schützen und erholen zu können.

Hybride Zusammenarbeit im Team gelingt, wenn sich die Mitglieder aktiv und regelmäßig auf den jeweils angemessenen Kommunikationskanälen austauschen. Für einfache Inhalte und Routineabsprachen eignen sich E-Mail und Chatnachrichten (beispielsweise zur Weiterleitung von Konferenzankündigungen). Für komplexe Informationen, die Übermittlung von Emotionen und vertrauensvolle Absprachen sind dagegen reichhaltigere Kommunikationskanäle wie Videokonferenzen oder, im Idealfall, "Face-to-Face"-Meetings zu bevorzugen. Für die meisten Arbeitsgruppen in der Wissenschaft bieten sich regelmäßige Teammeetings in Präsenz zwischen einmal pro Woche bis einmal im Monat an.

Wie die Organisationskultur das hybride Arbeiten begleiten sollte

Die hybride Arbeitswelt stellt verstärkt paradoxe Anforderungen an Führungskräfte in der Wissenschaft. Sie müssen einerseits ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Autonomie zugestehen und delegieren, andererseits gerade in Krisenzeiten alles unter Kontrolle behalten. Erwartungen an die Individualisierung von Beschäftigungsbedingungen müssen mit Erwartungen an Gleichbehandlung in Einklang gebracht werden. Führungskräfte sollen gleichzeitig Veränderungen begleiten und Kontinuität sicherstellen, den Sinn der Arbeit vermitteln und für Produktivität sorgen. Um mit diesen paradoxen Anforderungen erfolgreich umzugehen, müssen Arbeitsgruppenleiter "beidhändig" (ambidexter) führen, also die Paradoxe erkennen, akzeptieren und – in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation – flexibel auf die Erfordernisse und Bedürfnisse eingehen.

Von dem Ökonomen Peter Drucker stammt der Satz "Culture eats strategy for breakfast". Auf die hybride Arbeitswelt übertragen bedeutet dies, dass Dienstvereinbarungen zur mobilen Arbeit (Strategie) nicht ausreichen, sondern erst durch eine entsprechende Organisationskultur zur erfolgreichen Bewältigung von neuen Anforderungen beitragen. Universitäten und Hochschulen sollten deshalb den Kulturwandel hin zu einer hybriden Arbeitswelt durch Investitionen in moderne Technologie sowie in Personal- und Organisationsentwicklung (zum Beispuel durch die Schulung von Mitarbeitenden und Führungskräften) begleiten.

Gerechtigkeit benötigt aktive Mitgestaltung der hybriden Arbeitswelt

Die neue Arbeitswelt kann alte Ungerechtigkeiten verstärken. Eine australische Studie mit 3.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern während der Pandemie zeigte, dass Frauen im Homeoffice weniger Zeit für Forschung und das Schreiben von Drittmittelanträgen hatten, weniger Manuskripte zur Veröffentlichung einreichten und gleichzeitig mehr Zeit für Aufgaben in der Lehre und Verwaltung übernahmen als Männer. Ein Grund für diese Unterschiede lag darin, dass Frauen im Homeoffice mehr Zeit für Kinderbetreuung, Pflege von älteren Angehörigen und Haushalt aufgewendet haben als Männer. Die Politik ist hier in der Verantwortung, Kinderbetreuung und Altenpflege sicherzustellen, um Beschäftigte zu entlasten.

Homeoffice, mobile Arbeit und hybride Teams sind keine Selbstläufer, sondern müssen aktiv von allen Beteiligten gestaltet werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen sich stärker selbst managen. Teams müssen besser kommunizieren und gemeinsame Präsenztage planen. Führungskräfte müssen lernen, mit paradoxen Anforderungen umzugehen. Universitäten und Hochschulen müssen über Dienstvereinbarungen hinaus den Kulturwandel durch Investitionen in Technik und Personal begleiten. Und die Gesellschaft muss dafür sorgen, dass die neue Arbeitswelt auch eine gerechte Arbeitswelt ist.

Zum Weiterlesen:

Aczel, B., Kovacs, M., Van Der Lippe, T., & Szaszi, B. (2021). Researchers working from home: Benefits and challenges. PloS one, 16(3), e0249127.

Peetz, D., Southey, K., Baird, M., Samani, M. N., Cooper, R., Charlesworth, S., Campbell, S., & Ressia, S. (2022). Many of us welcome working from home, but universities show its dangers for women’s careers. The Conversation.

Powell, K. (2020). Science-ing from home. Nature, 580(7802), 419-422.

Williams, T. (2022). Remote working ‘led to missed collaborations and groupthink’. Times Higher Education.

Zeschke, M. & Zacher, H. (2022). Homeoffice. Göttingen: Hogrefe.