Das Porträt einer blonden, jungen Frau ist links neben einem typischen Chat-Dialog zu sehen, in welchem es um die Erklärung von Pixeln geht.
Internationale Hochschule (IU)

Künstliche Intelligenz
Chatbots im professionellen Einsatz in der Lehre

ChatGPT eröffnete kürzlich einen "Store" mit frei gestaltbaren Bots. Einige Hochschulen nutzen Chat-Bildungsassistenten bereits im Alltagsbetrieb.

Von Christine Vallbracht 18.01.2024

Nachdem die ChatGPT-Entwicklungsfirma OpenAI im November im eigenen Blog verkündete, jeder könne nun seinen eigenen GPT individuell gestalten, eröffnete am 10. Januar schließlich der GPT-Store. GPTs, Generative Pre-Trained Transformers, nennt OpenAI die benutzerdefinierten Versionen. 

"Benutzer haben bereits über 3 Millionen benutzerdefinierte Versionen von ChatGPT erstellt. Viele der Entwickler haben ihre GPTs zur Nutzung durch andere freigegeben", ist im Blog zu lesen. Wer einen Bezahlzugang wie beispielsweise "ChatGPT Plus" für rund 15 Euro monatlich hat, kann die individualisierten Bot-Varianten nutzen. 

Wissen vermitteln und das Lernen unterstützen per Lern-Bot 

Im Bereich Bildung und Lernen haben sich bereits zahlreiche Entwicklerinnen und Entwickler damit auseinandergesetzt, wie ein GPT Wissensvermittlung interaktiv abbilden und eine Lernhilfe darstellen könnte. Als Lernhelfer im Store von den Plattformbetreibern besonders hervorgehoben sind derzeit beispielsweise der GPT "Books", welcher auf die Welt der Literatur spezialisiert ist, sowie "Math Solver" – beschrieben als ein "fortschrittlicher KI-Mathe-Problemlöser mit Schritt-für-Schritt-Lösungen für jedes Bildungsniveau". 

OpenAI verspricht eine kommerzielle Erfolgsbeteiligung für die Entwickelnden: "In den kommenden Monaten können Sie auch Geld verdienen, je nachdem, wie viele Personen Ihr GPT nutzen." 

Programmierkenntnisse seien dafür nicht erforderlich. "Das Erstellen eines solchen Programms ist so einfach wie das Starten eines Gesprächs, das Geben von Anweisungen und zusätzlichem Wissen und das Auswählen dessen, was es tun kann", heißt es dazu im Blog. Laut OpenAI umfasst der finale Überprüfungsprozess vor der Veröffentlichung "sowohl von Menschen durchgeführte als auch automatisierte Komponenten." 

Was diese Form der Qualitätssicherung in der Wissensvermittlung genau bedeutet, bleibt jedoch unklar. Inzwischen steht auf der Website von ChatGPT erfahrungsbasiert etwas kleinlaut: "ChatGPT kann Fehler machen. Überprüfen Sie wichtige Informationen." Letztlich ist es eine Sache des Vertrauens in die Person, Gruppe oder Institution, die den individualisierten GPT erstellt hat, ob man sich auf die Qualität der vermittelten Lerninhalte verlassen möchte. 

Internationale Hochschule: Vorreiterin beim KI-Einsatz in der Hochschulbildung 

Ende 2023 verkündete die Internationale Hochschule (IU) auf ihrer Website: "Als erste und bislang einzige Hochschule in Deutschland setzt sie KI-gestütztes Lernen nun in noch größerem Maßstab für ihre Studierenden ein." Hier geht es um den von der IU entwickelten Lern-Coach "Syntea". 

Chatbots wie "Syntea" reichern die Basisfunktion von ChatGPT 4 an um Lernstoff, Audios und Videos. Jeder Input ist von Lehrenden geprüft. Auch gegebene Antworten werden gegengecheckt; ein Vorteil im Vergleich zu GPTs aus dem Store, deren Inhalte und Antworten nicht transparent qualitätsgesichert sind. "Syntea" berücksichtigt darüber hinaus das Lerntempo der Studierenden und passt sich ihrem Lernrhythmus an. 

Question-Answering liefert den Studierenden in einer anonymen und privaten Lernumgebung rund um die Uhr geprüfte Antworten auf ihre Fragen zu akademischen Inhalten. Zusätzlich erfasst die KI den Lernfortschritt der Studierenden durch Multiple-Choice-Fragen, wodurch sie ihre Wissenslücken gezielter erkennen und schließen können. 

"Unser KI-basierter Lernbuddy ist ein Meilenstein auf dem Weg zu moderner Hochschulbildung. Studierende können jetzt ihre individuellen Fragen online stellen und erhalten sofort eine Antwort – egal, wo sie gerade sind und wann sie lernen. Damit kommen wir unserer Mission, Bildung so individuell wie möglich zu gestalten, einen großen Schritt näher", sagt Dr. Sven Schütt, CEO der IU Internationalen Hochschule. 

“Studierende können jetzt ihre individuellen Fragen online stellen und erhalten sofort eine Antwort – egal, wo sie gerade sind und wann sie lernen."
Dr. Sven Schütt, CEO der IU Internationalen Hochschule

Lernpartner statt Wissenstutor: "StudyBuddy" 

"'StudyBuddy' soll eben auch ein Partner sein, um 'das Lernen zu lernen' und nicht nur als Wissenstutor bereitstehen", erläutert Dr. Ricarda Schlimbach gegenüber "Forschung & Lehre". Sie war bis Herbst letzten Jahres zuständige Leiterin des Projekts "StudyBuddy" zur Konzeption eines adaptiven, KI-gestützten Lern-Begleiters am Wirtschaftsinformatikinstitut der Technischen Universität Braunschweig. 

"'StudyBuddy' soll eben auch ein Partner sein, um 'das Lernen zu lernen' und nicht nur als Wissenstutor bereitstehen."
Dr. Ricarda Schlimbach, Projektleiterin “StudyBuddy" an der TU Braunschweig bis 10/2023 

Durch ihre Berufung an die Hochschule Heilbronn musste Schlimbach die Projektleitung Ende letzten Jahres abgeben, begleitet die Abschlussphase bis April 2024 aber noch mit viel Interesse aus der Ferne: "Wir sind stolz darauf, wie wir spannende Erkenntnisse für die Wissenschaft und auch erste testbare Prototypen in einem sehr heterogenen Konsortium auf die Beine gestellt haben und dabei alle an einem Strang gezogen haben. Auch merken wir, dass unser Ansatz des 'Companionship', also eines Lernfreundes, in der Praxis gut ankommt und daher auch vermehrt auf den Forschungskonferenzen diskutiert und prämiert wird." 

Enorme Vorteile für Lehrende und Studierende 

Die Entwicklung des "StudyBuddy" begann bereits 2021 – von ChatGPT hatte da noch niemand etwas gehört : "Wir wollten einen KI-basierten Companion entwickeln, der auf Augenhöhe mit Weiterbildungsstudierenden zusammenarbeitet und auf die Probleme eingeht, die leider häufig einen planmäßigen Studienabschluss verhindern. Dazu gehört zum Beispiel eine Unterstützung im Zeitmanagement, eine motivatonale Stütze oder eine Verbesserung der Lernorganisation", erläutert Ricarda Schlimmbach gegenüber "Forschung & Lehre" die damaligen Ziele des Projekts. 

Schlimbach spricht von bereits erkennbaren Erfolgsindikatoren: "In ersten semesterbegleitenden Forschungsstudien konnten wir zeigen, dass der Einsatz des 'StudyBuddy' tatsächlich die Motivation zum Lernen und auch das Zeitmanagement der Teilnehmer signifikant verbessern konnte und letzten Endes zu besseren Noten in der Klausur und einem subjektiv stark verbesserten Wissenszuwachs geführt hat." 

"In ersten semesterbegleitenden Forschungsstudien konnten wir zeigen, dass der Einsatz des 'StudyBuddy' tatsächlich die Motivation zum Lernen und auch das Zeitmanagement der Teilnehmer signifikant verbessern konnte."
Dr. Ricarda Schlimbach, Projektleiterin “StudyBuddy" an der TU Braunschweig bis 10/2023 

Bezüglich der entlastenden Wirkung des Lern-Bots für Lehrende sieht Schlimbach ein großes Potential: "Der Study Buddy steht 24/7 zur Verfügung und kann Lehrende entlasten, beispielsweise indem redundante Fragestellungen oder Wiederholungen als Quiz auf den Lernassistenten ausgelagert werden können. Außerdem zeigt sich, dass Lernende sich gegenüber dem Bot weniger für Ihre Rückfragen oder Erklärungen, wenn Sie etwas nicht verstanden haben, schämen. So kann die Lehrkraft dann ein besseres Bild bekommen, an welchen Stellen der Stoff nochmal vertieft werden muss."

KI und Recht: Am besten transparent, diskriminierungsfrei und datensparsam 

Letztlich ist Wissensvermittlung ein ethisch und rechtlich sensibler Bereich. Dadurch ergeben sich auch für moderne, KI-gestützte Tools besondere Ansprüche: Fühlen sich die Lernenden in der Lernumgebung wohl oder sind sie womöglich in der Bot-Interaktion Diskriminierungen ausgesetzt? Demokratische Werte, Menschenrechte, Urheberrechte, Persönlichkeitsrechte, Datenschutz, Vertragsrechte, Haftungsfragen: Die Liste der rechtlichen Implikationen ist lang, wie ein Rechtsgutachen im vergangenen Jahr bereits zeigte. 

Wenn nun jede Person einen Bot individuell gestalten kann: Wie sieht es mit den Verantwortlichkeiten aus? Vielleicht wird es anfänglich so sein wie auf den vielen Social-Media-Plattformen. Es werden Grenzen ausgelotet und überschritten.