Roboter mit Laptop
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Sieben Fragen an
Wie es mit KI in der Hochschule weitergeht

OpenAI, ChatGPT, KI – all das spielt auch im Hochschulkontext eine immer größere Rolle. Wie die HRK in die digitale Zukunft blickt.

Von Katharina Finke 24.11.2023

Martin Wan ist Projektleiter "Hochschulforum Digitalisierung" bei der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). 

Forschung & Lehre: Was bedeutet die Weiterentwicklung von KI für Hochschulen?

Martin Wan: Das ist schwierig vorherzusehen. KI wird in Gestalt verschiedener Anwendungen mit der Zeit Bestandteil des Alltags und damit auch von Lehr- und Lernprozessen werden, so wie das mit Google, Wikipedia, Übersetzungstools, Statistiksoftware und vielem geschehen ist. Damit wird sich Hochschullehre noch stärker auf das Ziel des Kompetenzerwerbs ausrichten. Funktionsweise und Grenzen von (generativer) KI müssen in den Blick genommen werden, damit verantwortungsvolle Aufgaben und Entscheidungsprozesse nicht unreflektiert an KI-Systeme delegiert werden. Eine zentrale Herausforderung dabei ist die (Weiter-)Qualifizierung von Lehrenden. Die Hochschulen benötigen zudem eine adäquate Infrastruktur, um die Chancen von – kommerziell vertriebener – KI nutzen zu können.

F&L: Was wünscht sich die HRK von der Politik in Sachen Regeln, Richtlinien und Infrastruktur im KI-Bereich?

Martin Wan: An den Hochschulen wird derzeit keine Notwendigkeit für eine zentrale Regulierung von KI-Angeboten im hochschulischen Betrieb gesehen, zumal das im Hinblick auf die Freiheit von Forschung und Lehre ohnehin schwierig sein könnte. Viele Hochschulen haben sich hingegen selbst Richtlinien für den Umgang mit KI-Anwendungen insbesondere im Lehr- und Prüfungskontext gegeben oder erarbeiten solche aktuell. Was die Politik aber sinnvoll tun könnte, wäre beispielsweise bei den kommerziellen KI-Anbietern auf vergünstigte Lizenzen von KI-Anwendungen für den Bildungsbereich hinzuwirken. Weiterhin könnten Ressourcen für den Aufbau und die Entwicklung einer souveränen KI-Infrastruktur auf nationaler oder europäischer Ebene bereitgestellt werden. Die Gremien der HRK werden die Fragen noch weiter diskutieren und gegebenenfalls spezifische Bedarfe und Wünsche der Hochschulen formulieren.

F&L: Wie hoch sind die Kosten, wenn Hochschulen allen Universitätsangehörigen ChatGPT bieten wollen?

Martin Wan: Da OpenAI derzeit noch keine Bildungslizenzen anbietet, obwohl vergünstigte Education-Lizenzmodelle wünschenswert wären, liegt der Preis für einen vollen ChatGPT-Zugang bei 20 US-Dollar pro Nutzer und Monat. Das übersteigt rasch die Möglichkeiten der meisten Hochschulen. 

F&L: Werden in Zukunft mehr Hochschulen Zugänge zu KI-Anwendungen für Personal und Studierende zur Verfügung stellen?

Martin Wan: In vielen Fächern und Forschungsvorhaben wird ein Zugriff auf spezifische KI-Anwendungen absehbar essenziell sein. Angesichts der Vielfalt solcher Anwendungen sind generelle Aussagen jedoch nicht sinnvoll. Die Hochschulen werden hier in eigener Verantwortung bedarfsgerecht entscheiden.

F&L: Gibt es auch Gründe, KI aus der Lehre fernzuhalten?

Martin Wan: Die Tools sind ohnehin verfügbar und werden genutzt. Daher sollte an den Hochschulen insbesondere der kritische und verantwortungsvolle Umgang mit ihnen erlernt werden können. Das ist vielleicht vergleichbar mit den Anfängen von Wikipedia: Heute ist auch unter Studierenden allgemein bekannt, dass der Verweis auf einen Wikipedia-Artikel allein noch nicht wissenschaftlichen Ansprüchen genügt und dass nicht alle Artikel gelungen sind. Gleichwohl ist das freie Lexikon zu einer wichtigen Recherchehilfe geworden. Darauf gilt es dann aber zielgerichtet aufzubauen. Ganz ähnlich könnte und sollte es sich künftig mit Generative-AI-Tools verhalten. Viel wichtiger als ein pauschales Verbot ist eine frühzeitige, kritische und ethische Auseinandersetzung mit den Funktionsweisen, Möglichkeiten und Grenzen der KI-Werkzeuge. Im Rahmen des "Hochschulforums Digitalisierung" hat die HRK daher eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die einen essenziellen Kompetenzrahmen für alle Hochschulangehörige und unterschiedlichste Fachgebiete erarbeiten wird.

F&L: OpenAI propagiert die Entwicklung einer sicheren und nützlichen – "safe and beneficial" – "Artificial General Intelligence" (AGI). Wie schätzen Sie das ein? 

Martin Wan: Unter diesem Begriff ist eine hypothetische KI zu verstehen, die sämtliche menschliche Aufgaben eigenständig zu lösen imstande wäre. Nach derzeitigem Stand der Forschung und Technik erscheint eine derartige Entwicklung jedoch hochgradig unwahrscheinlich, weil sämtliche derzeitigen KI-Modelle auf hochspezifische, letztlich automatisierte Einsatzwecke optimierte Algorithmen sind, denen es allesamt an einem Weltverständnis bzw. einem "gesunden Menschenverstand" fehlt. Letzteres wäre allerdings Grundvoraussetzungen für eine AGI, die selbstständig ohne spezifisches Training Lösungen für sämtliche menschliche Aufgaben zu finden in der Lage wäre. Bisher ist es auch noch nicht gelungen, überzeugend darzulegen, wie einem Algorithmus so etwas wie Weltverständnis implementiert werden sollte. 

F&L: Gibt es abseits von OpenAI Bestrebungen, Open Source-Modelle für generative AI zu etablieren?

Martin Wan: Ja, ein Beispiel wäre der Bildgenerator "Stable Diffusion", dessen Entwicklung unter anderem auf die TU München zurückgeht und bei dem sowohl Modell, als auch Gewichtungen offen verfügbar sind. Eine Herausforderung sind die hohen Kosten und Hardwareressourcen, die für das Training und Finetuning dieser Modelle notwendig sind, weshalb "Stable Diffusion" nicht ohne Spenden möglich wäre.